Politik

Flüchtlings-Krise: Der große „Marsch“ auf Europa wird noch kommen

Ein verschollener Film aus dem Jahr 1990 hatte eine europäische Flüchtlings-Krise prophezeit. Der Film „der Marsch“ zeigt, warum ein Flüchtlings-Exodus auf Europa schon vor Jahrzehnten vorprogrammiert gewesen ist.
11.10.2020 11:00
Lesezeit: 2 min
Flüchtlings-Krise: Der große „Marsch“ auf Europa wird noch kommen
Eine Szene aus dem Film „der Marsch“. (Screenshot)

Vor 25 Jahren drehte die BBC den Film „der Marsch“, der bereits damals auf eine anstehende Völkerwanderung aufgrund von Krieg und Armut hinwies. In dem Film spielt Clare Fitzgerald, Kommissarin für Entwicklung bei der Europäischen Gemeinschaft, die Hauptrolle. Sie beobachtet wie der Afrikaner Isa Al-Mahdi einen großen Marsch von Flüchtlingen auf Europa organisiert. Al-Mahdi gehört selbst zu den Flüchtlingen. „Wir glauben, wenn ihr uns vor euch seht, werdet ihr uns nicht sterben lassen. Deswegen kommen wir nach Europa“, so der Mann.

Fitzgerald teilt im Film ihre Eindrücke bei einer Sitzung der EU-Kommission mit. Die EU-Kommissarin wörtlich:

„Der Marsch wird weitergehen und ich glaube, er wird Europa erreichen (…) Aber ich war bei dem Marsch. Und ich sage Ihnen, er hat Kraft. Es ist eigentlich unvorstellbar. Da ist wirkliche Solidarität und das Gefühl einer Identität – zusammengehalten von einer einzigen, einfachen Idee: Wir sind arm, weil ihr reich seid. Nun das mag naiv sein, aber es hat Kraft. Ich glaube wir haben sie unterschätzt, diese Bewegung (…) Ich appelliere an die Kommission. Wir haben die Pflicht zu helfen. Nach dem Weltkrieg hatte der Marschall-Plan innerhalb von vier Jahren 16 Milliarden Dollar nach Europa gepumpt. Das sind ungefähr 200 Milliarden Dollar nach heutigen Preisen. Er funktionierte, der Wiederaufbau Europas. Ich glaube, der Zeitpunkt ist gekommen, für einen Marschall-Plan für Afrika.“

Die Mitglieder der EU-Kommission entgegnen, dass der Wiederaufbau zu teuer wäre und aus politischen Gründen nicht umsetzbar ist, da die Regierungen in Afrika korrupt seien. Clare Fitzgerald sieht darin lediglich Ausreden, um jenen Aufbau nicht durchführen zu müssen. Fitzgerald: „Ja, ja, ja. Wir haben so viele gute Gründe, nichts zu tun. Aber die Welt wird jedes Jahr kleiner. Afrika ist nicht mehr weit weg. Dieser Marsch ist das Symbol einer neuen Realität. Sie kommen näher und sie sind so arm, sie haben nichts zu verlieren. Wie lange können wir es uns noch leisten, nichts zu tun?“

Der Film wurde im Jahr 1990 von David Wheatley im Auftrag der BBC produziert. Das Drehbuch wurde vom Briten William Nicholson geschrieben. Damals konnte Wheatley nicht ahnen, dass zu den Armuts- und Klimaflüchtlingen sich noch Millionen von Kriegs-Flüchtlingen dazugesellen werden, um den Marsch nach Europa anzutreten.

„Der Film löste bei seiner Erstausstrahlung leidenschaftliche Diskussionen aus. Die strukturalistische Linke dieser Jahre argumentierte, dass der von Europäern gemachte Streifen mit allen Stereotypen des armen Afrikas arbeite und in Europa die Angst vor einer Invasion der Hoffnungslosen schüre. Dies trage zu Xenophobie bei und fördere die gerade populär werdende Idee einer Festung Europa“, heißt es in dem Buch „Variationen über die vielen Frieden: Band 3: Elicitive Conflict Mapping“.

Fünf Jahre nach dem Film wurden in den spanischen Exklaven Melilla und Ceuta Grenzzäune errichtet, um den Zustrom von afrikanischen Flüchtlingen abzuwehren.

Übrigens: Der muslimische Name des Organisators des Flüchtlings-Marsches auf Europa heißt in der deutschen Übersetzung „Jesus, der Messias“.

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