Als vor einigen Wochen die neuesten Wirtschaftsdaten zum zweiten Quartal 2020 erschienen, wurde eine „Jahrhundertrezession“ festgestellt, konkret: Der stärkste Absturz innerhalb eines Quartals in der Weltwirtschaftsgeschichte. Dieser Absturz wird erhebliche Auswirkungen auf die Armut in der Welt haben.
Am 17. September veröffentlichte „Save the Children“ eine Untersuchung mit dem Titel „150 Millionen Kinder durch Covid-19 zusätzlich in Armut gestürzt“. Armut wird dabei definiert als multidimensionale Armut, das heißt, wenn ein Kind keinen Zugang zu Erziehung, Gesundheit, Wohnung, Ernährung, sanitäre Anlagen oder Wasser hat. Unter dieser Art multidimensionaler Armut leiden demnach momentan rund 1,2 Milliarden Kinder in Schwellen- und Entwicklungsländern.
Die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie waren in den Schwellen- und Entwicklungsländern insgesamt strenger als in den Industriestaaten. Mobilität und Einzelhandel brachen in der Talsohle im April/ Mai 2020 gegenüber dem Jahresanfang um deutlich über 60 Prozent ein (in den Industrieländern waren es „nur“ gut 50 Prozent). Auch in den ersten Wochen des Septembers lagen sie mit minus 20 Prozent in den Entwicklungsländern noch deutlich unter dem Niveau der Industriestaaten mit minus zehn Prozent. Kurzum: Die Wirtschaft wurde in den Entwicklungsländern durch die Pandemie heftiger und länger mitgenommen.
Durch Corona kamen bis heute nicht nur 150 Millionen arme Kinder hinzu, sondern diejenigen, die bereits vorher in Armut lebten, wurden laut „Save the Children“ noch tiefer hineingestürzt, wobei viele Kinder Elendszustände erleben wie noch nie zuvor in ihrem Leben.
Was die Zukunft anlangt, ist der Bericht sehr pessimistisch. In den kommenden Monaten soll sich die Situation weiter verschlechtern. „Besonders besorgniserregend ist, dass wir näher am Anfang als am Ende der Krise sind“, wird eine hohe Unicef-Expertin zitiert. Allein der „historisch größte globale Bildungsnotstand“ der vergangenen Monate habe dafür gesorgt, dass für viele Millionen Kinder die Zukunftsaussichten dramatisch schlechter geworden seien.
Bereits im Juli veröffentlichte „oxfam“ eine Studie, wonach durch Corona die Zahl der konkret vom Hungertod Bedrohten auf der Erde um etwa 120 Millionen oder 82 Prozent auf 270 Millionen zunehmen werde. Danach könnten aufgrund der sozialen und ökonomischen Folgen der Pandemie zum Ende des Jahres 2020 etwa 12.000 Menschen pro Tag sterben – das wären schätzungsweise 2.000 mehr als an Corona selbst (im April 2020 lag der Spitzenwert der mit oder an Corona Gestorbenen bei etwas über 10.000). „Hunger dürfte uns schneller töten als das Coronavirus“, heißt es wörtlich in der Studie.
Dazu kommt: Das Median-Alter der an oder mit Covid weltweit Verstorbenen liegt bei oder über 80 Jahren. Die Hungertoten dagegen sind zum großen Teil Kinder. Die Frage, die sich stellt, ist folgende: Ist die Zahl der Lebensjahre, die durch Anti-Pandemie-Maßnahmen vernichtet werden, größer als die dadurch geretteten Lebensjahre? Der Ökonom Bernd Raffelhüschen kommt für Deutschland auf den Faktor 200, also dass die deutschen Lockdown-Maßnahmen bis zu 200 Mal mehr Lebensjahre vernichten, als durch sie gerettet werden.
Gleichzeitig weist oxfam darauf hin, dass seit Anfang 2020 acht der zehn größten Lebensmittelkonzerne insgesamt 18 Milliarden Dollar an ihre Aktionäre ausgezahlt hätten; das sei zehnmal mehr als nach UNO-Angaben nötig wäre, um den weltweiten Hunger zu beseitigen.
Am Rande sei noch bemerkt, dass laut Wall Street Journal in den USA der Anteil der „Haushalte, die manchmal oder oft Hunger haben“, seit den US-Lockdown-Maßnahmen von vier auf über zehn Prozent gestiegen ist, bei Haushalten mit Kindern von vier auf etwa 14 Prozent. Das heißt, mindestens jedes siebte Kind (die Zahl ist eine sehr konservative Schätzung, weil in den meisten dieser Haushalte ja mehr als ein Kind lebt) in den USA hat derzeit keine gesicherte Ernährungsgrundlage.