Politik

Türkei diskutiert über Wiedereinführung der Todesstrafe

In der Türkei ist eine Debatte über die Wiedereinführung der Todesstrafe entbrannt.
01.10.2020 15:53
Lesezeit: 1 min
Türkei diskutiert über Wiedereinführung der Todesstrafe
02.01.2020, Türkei, Ankara: Das türkische Parlament versammelt sich für eine Abstimmung über eine Militärintervention in Libyen in der Nationalversammlung. (Foto: dpa) Foto: -

In der Türkei tobt aktuell eine hitzige Debatte über die Wiedereinführung der Todesstrafe. Wenige Tage zuvor hatten sich der Parlamentspräsident Mustafa Şentop und der Vorsitzende der Nationalen Aktionspartei (MHP), Devlet Bahçeli, offen für die Todesstrafe eingesetzt. „Ich glaube, dass die Todesstrafe für Verbrechen vorsätzlichen Totschlags, Sexualverbrechen gegen Minderjährige und Frauen in Betracht gezogen werden kann“, sagte Şentop.

„Die Wiedereingliederung der Todesstrafe in unsere Rechtsvorschriften kann die Begehung abscheulicher und primitiver Verbrechen verhindern“, so Bahçeli.

Am 1. Oktober 2020 äußerte sich dann auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan über den Vorschlag. „Wenn das Parlament ein derartiges Gesetz zur Todesstrafe erlässt, wird mir die Vorlage vorgesetzt werden, oder nicht? Dann würde ich es auch unterzeichnen“, sagte Erdoğan.

Naci Bostancı, Vorsitzender der Fraktion der „Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung“ (AKP) in der türkischen Nationalversammlung, zeigte sich zuvor zurückhaltend. „Um wieder über die Todesstrafe für verschiedene Verbrechen sprechen zu können, ist ein sehr hoher Konsens in Gesellschaft und Parlament erforderlich. Ohne eine solche Vereinbarung wäre es nicht richtig, Schritte zu unternehmen“, so Bostancı.

Er warnt vor voreiligen Schlüssen, denn die sozialen Medien würden eine große Rolle bei der gezielten Emotionalisierung der Menschen spielen. Im Internet habe sich mittlerweile eine Kultur des Lynchmordes durchgesetzt, was er mit Sorge verfolge. „Das Gesetz ist niemals Teil einer Lynchkultur. Das Gesetz bewertet die Beziehung zwischen Verbrechen und Bestrafung im Rahmen von Beweisen - ruhig und rational“, meint der Fraktionschef.

Die Opposition ist weitgehend gegen die Todesstrafe. Faik Öztrak, Vize-Chef der „Republikanischen Volkspartei“ (CHP), meint: „Wir, als CHP, sind gegen die Todesstrafe. Die „Demokratische Partei der Völker“ (HDP) ist der Auffassung, dass die Wiedereinführung der Todesstrafe zwangsläufig die Beziehungen zur EU und zur „demokratischen Welt“ zerstören würde. Die HDP weist darauf hin, dass die Türkei ein Mitglied des Europarats ist. Die vorsitzender der „Guten Partei“ (IYI Parti), Meral Akşener, zählt zu den Unterstützern der Wiedereinführung der Todesstrafe.

In der türkischen Nationalversammlung sitzen 586 Abgeordnete. Um eine Wiedereinführung der Todesstrafe vornehmen zu können, müssten 400 Abgeordnete mit „Ja“ stimmen. Doch im Jahr 2017 hatte der türkische Präsident erwähnt, dass ihm eine Volksabstimmung über die Wiedereinführung der Todesstrafe am liebsten wäre. Um das Volk über die Todesstrafe abstimmen zu lassen, werden im Parlament 360 „Ja“-Stimmen benötigt. Die AKP hat 291 und die MHP 37 Sitze.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik G20 in Afrika: Geschlossenheit trotz US-Abwesenheit – Signal für Frieden und Entwicklung
24.11.2025

Beim ersten G20-Gipfel auf afrikanischem Boden bleibt der Platz der USA demonstrativ leer – doch die übrigen Mitglieder setzen ein...

DWN
Panorama
Panorama Abnehmwirkstoff ohne Alzheimer-Erfolg: Novo-Nordisk-Studie enttäuscht Anleger
24.11.2025

Der Pharmakonzern Novo Nordisk hat mit seinem Abnehmmittel Semaglutid in einer Alzheimer-Studie einen Rückschlag erlitten. Die...

DWN
Finanzen
Finanzen Marktrisiko: Weshalb Topinvestoren jetzt Alarm schlagen
24.11.2025

Die jüngsten Kursstürze an den Märkten zeigen, wie angespannt die Lage geworden ist. Während Anleger nervös auf jede Bewegung...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Konjunkturtrübung: Ifo-Index sinkt überraschend – Hoffnungen auf Erholung schwinden
24.11.2025

Die Stimmung in den deutschen Chefetagen hat sich unerwartet eingetrübt: Im November fiel das Ifo-Geschäftsklima auf 88,1 Punkte und...

DWN
Finanzen
Finanzen Bayer-Aktien auf Jahreshoch: Pharma-Erfolg mit dem Gerinnungshemmer Asundexian
24.11.2025

Nach Jahren des Abstiegs erlebt die Bayer-Aktie einen überraschenden Kursschub. Ein neuer Studienerfolg weckt Hoffnung auf...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Bürokratieabbau: Normenkontrollrat kritisiert Bund-Länder-Pläne als zu schwach
24.11.2025

Der Nationale Normenkontrollrat (NKR) hält die aktuellen Vorschläge von Bund und Ländern zum Bürokratieabbau für unzureichend. In...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Infrastruktur in der Finanzlücke: Pkw-Maut als mögliche Lösung?
24.11.2025

Eine aktuelle Studie der Denkfabriken Agora Verkehrswende und Dezernat Zukunft zeigt, dass Deutschland bis 2030 rund 390 Milliarden Euro...

DWN
Panorama
Panorama Kita unter Druck: Experten fordern besseren Gesundheitsschutz für Erzieher
24.11.2025

Das Kita-System in Deutschland steht vor großen Herausforderungen: Hohe Ausfallraten und Personalmangel belasten Erzieherinnen und...