Politik

Hoffen, bangen, spekulieren: Was steckt hinter Trumps Corona-Diagnose - und was bedeutet sie für die US-Wahlen?

US-Präsident Donald Trump hat Corona. Welche Folgen sich daraus ergeben (könnten), analysiert DWN-Kolumnist Ronald Barazon.
03.10.2020 07:45
Aktualisiert: 03.10.2020 07:45
Lesezeit: 4 min
Hoffen, bangen, spekulieren: Was steckt hinter Trumps Corona-Diagnose - und was bedeutet sie für die US-Wahlen?
März 2020: US-Präsident Donald Trump öffnet im Rosengarten des Weißen Hauses eine Verpackung mit einem Schnelltest für COVID-19. (Foto: dpa)

Donald Trump hat das Virus. Zumindest wird diese Nachricht bisher kaum angezweifelt. Woher weiß man aber, dass es sich nicht um eine „Fake“-Nachricht zur Belebung des Wahlkampfs handelt? Könnte durchaus sein. Aber gesetzt den Fall, die Meldung ist wahr, was dann? Hat die Kunde aus dem Weißen Haus konkrete Auswirkungen?

Die Antwort ist einfach: Derzeit kaum, der Präsident ist offenkundig wohlauf. Aber was, wenn er doch schwer krank wird? Wenn er gar in Kürze stirbt? Das hätte dann gravierende Folgen. Auf jeden Fall wird der US-Wahlkampf jetzt noch spannender und wird es bis zum Wahltag am 3. November auch so bleiben. Wobei dieser Termin fix ist; er steht in der Verfassung und kann nur mit einem gigantischen parlamentarischen Aufwand geändert werden, der realiter kaum in die Tat umgesetzt werden kann.

Lauscht man den aufgeregten Diskussionen der 120 Millionen US-Amerikaner, die üblicherweise zur Wahl gehen, kann man die ganze Spannung ermessen. Die übrigen 200 Millionen (einschließlich der unter 18-Jährigen) interessieren sich erfahrungsgemäß wenig für Politik.

Gegner und Anhänger sind beide beunruhigt: Aus verschiedenen Gründen

„Ha, er hat doch dauernd das Virus lächerlich gemacht. Jetzt hat er es selbst, geschieht ihm recht“, sagen jene, die Covid 19 schon immer ernst genommen haben. Aber dann halten sie inne, überlegen, und es schleicht sich eine bange Befürchtung bei ihnen ein: „Wenn er nach der Quarantäne gesund und munter wieder vor die Öffentlichkeit tritt, wird ihm das sehr viel nützen. Dann kann er triumphieren und erklären: ´Ich habe Euch immer gesagt, dass das Virus nicht gefährlich ist‘. Das würde seine Wahlchancen erheblich verbessern.“

Da ist die nächste Überlegung nicht weit. „Hat der schlaue Fuchs etwa die positive Testung nur erfunden? Schließlich liegt er in den Umfragen hinter seinem Herausforderer Joe Biden zurück. Das TV-Duell mit Biden hat er auch nicht gewonnen. Da ist die Quarantäne hilfreich und weckt bei den Wählern Mitgefühl.“ Fazit: Trumps positive Testung bedeutet für seine Gegner ein Wechselbad der Gefühle

Wobei es seinen Anhängern nicht besser geht: „Was passiert, wenn Donald krank wird, wenn er gar stirbt? Die Republikaner haben keine Alternative parat. Dann wird der eher farblose Vizepräsident Mike Pence automatisch Präsident. Vielleicht wird er dann sogar Präsidentschaftskandidat, muss den Wahlkampf bestreiten.“ Und die Trump-Fans stöhnen verzweifelt, denn sie wissen: Unter diesen Umständen gewinnt der Demokrat Biden auf jeden Fall.

Eine Verschiebung des Wahltermins ist ausgeschlossen

Unweigerlich taucht die Idee auf, dass man doch die Wahlen verschieben könnte. Doch ist das mehr ein europäischer, kein amerikanischer Gedanke. Denn so etwas ist in der Verfassung nicht vorgesehen. Theoretisch könnte mit einem Kraftakt das Parlament, könnten also Kongress und Senat, gemeinsam mit dem amtierenden Präsidenten einen anderen Wahltermin beschließen. Diesen Gefallen werden aber die Demokraten, die im Kongress die Mehrheit haben, den Republikanern sicher nicht tun.

Zwar liegt Trump derzeit in den Umfragen hinter Biden, doch sind vorerst seine Chancen noch intakt. Und so zittern seine Fans, dass er doch bitte möglichst gar nicht krank werden oder jedenfalls bald genesen möge.

Republikanischer Optimismus: Vielleicht nutzt die Infektion Trump im Wahlkampf

Schlaue Strategen unter den republikanischen Anhängern grübeln allerdings mit dem Kalender in der Hand. Bis zum 3. November verbleiben doch noch einige Wochen, und so lautet ihre Überlegung: „Wenn Trump jetzt krank ist, aber schon nach wenigen Tagen wieder gesund wird, dann wäre das gar nicht so schlecht. Jetzt fallen viele Wahlkampftermine aus, viele Menschen werden sich Sorgen um den Präsidenten machen. Wenige Tage vor der Wahl könnte Trump als stolzer Überwinder des Virus einen spektakulären Endspurt inszenieren!“

Kommt es zu diesem Ablauf, dann haben die Republikaner zusätzliche Argumente zur Verfügung. Die doch sehr zahlreichen Covid-Todesfälle in den USA betrafen zu 85 Prozent Personen über 65, die zudem Übergewicht hatten und unter Vorerkrankungen litten. Trump ist 74 Jahre alt und übergewichtig und musste kürzlich ins Spital, wobei aber der Grund verheimlicht wurde. Wenn der Präsident also mit diesen Voraussetzungen in zwei, drei Wochen als kräftiger Wahlkämpfer in Erscheinung treten sollte, dann bewegt sich vermutlich das Wahl-Pendel weg von Biden.

Doch die Diskussionen und Spekulationen nehmen kein Ende. Was geschieht, wenn Trump tatsächlich schwer krank wird und über einen längeren Zeitraum ausfällt? Dann wird Mike Pence automatisch Präsident. Ja, und wenn auch Pence ausfällt, der Vizepräsident ist Vorsitzender des Senats, was dann? Ja, dann ist die Vorsitzende des Kongresses an der Reihe, und das ist die Demokratin Nancy Pelosi. Die kraftvolle Achtzigjährige bietet seit längerem Donald Trump heftig Paroli und so gibt es zwischen den beiden seit Monaten keine Gesprächsbasis. Pelosi als amtierende Präsidentin wäre naturgemäß ein Alptraum für die Republikaner und ein Geschenk für die Demokraten (aber das ist mehr ein Gedankenspiel; dass sowohl Trump als auch Pence ausfallen, ist ziemlich unwahrscheinlich).

Noch wirkt die Bevölkerungs-Statistik zu Gunsten der Republikaner

Die Wahl heuer ist vielleicht für lange Zeit die letzte Gelegenheit, bei der die Republikaner den Präsidentensessel doch noch erobern können. Ist einmal die derzeit laufende Volkszählung beendet, dann ist die vorerst noch wirkende Verzerrung der Bevölkerungsdaten vorbei: Seit längerem findet eine starke Wanderbewegung an die Küsten-Regionen der USA statt, und in diesen Regionen dominieren die Demokraten. Die Wahl wird aber noch auf der Basis der letzten Volkszählung abgehalten, die die Entvölkerung in der Mitte der USA noch nicht zeigt. Und gerade in diesem Gebiet hat Trump vor vier Jahren besonders gut abgeschnitten.

Das komplizierte US-Wahlsystem berücksichtigt die einzelnen Bundesstaaten und deren statistisch ausgewiesenen Einwohner in besonderer Weise. Dies hat zur Groteske geführt, dass bei der Wahl 2016 Hillary Clinton rund drei Millionen Stimmen mehr bekam als Trump, aber Trump dennoch Präsident wurde. Solange die alte Volkszählung gilt, spielt dieser Effekt weiter eine entscheidende Rolle.

Nun kommt es zu einem sonderbaren Tauziehen. Das US Census Bureau erklärt, man würde noch einige Zeit benötigen um eine komplette, verlässliche Zählung zu schaffen. Trump und die Republikaner wollen, dass der geplante Abschluss zum 31. Oktober 2020 beibehalten wird und die Statistiker auf die Berücksichtigung der noch nicht erfassten Haushalte verzichten. Naturgemäß in der Hoffnung, dass die Zählung die für die Republikaner günstige alte Verteilung nicht zur stark korrigiert. Die Demokraten wollen naturgemäß das Gegenteil, weil sie von einer kompletten Berücksichtigung aller Bürger und Bürgerinnen profitieren würden.

Eine Verschiebung könnte das Parlament gemeinsam mit dem Präsidenten beschließen. Im Kongress dominieren die Demokraten, im Senat die Republikaner, und Donald Trump will auf keinen Fall eine Korrektur des Schlusstermins der Volkszählung. Es herrscht eine Patt-Situation, und so werden wohl auch die Daten der Volkszählung 2020 kein umfassend verlässliches Bild der amerikanischen Bevölkerung zeigen.

In Moskau und Peking rauchen die Köpfe der Geheimdienst-Offiziere

Die Welt sieht zu und wartet, wie das vielschichtige Spektakel ausgeht. Mit dem Zusehen ist das so eine Sache. Im Zeitalter der Hacker bedarf es schon einer großen demokratischen Disziplin, um das Geschehen untätig zu beobachten. Diese Zurückhaltung fällt offenbar so manchem Geheimdienst-Offizier in Moskau wie in Peking schwer, und so wird ständig versucht, über gezinkte Nachrichten in den sozialen Medien die US-Politik zu beeinflussen. Ob man beim SWR, dem russischen Auslandsgeheimdienst, und im chinesischen Ministerium für Staatssicherheit schon weiß, wie man auf die Nachricht von Trumps Infektion reagieren soll? Auch dort dürften jetzt die Köpfe rauchen.

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Ronald Barazon

                                                                            ***

Ronald Barazon war viele Jahre Chefredakteur der Salzburger Nachrichten. Er ist einer der angesehensten Wirtschaftsjournalisten in Europa und heute Chefredakteur der Zeitschrift „Der Volkswirt“ sowie Moderator beim ORF.

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