Unternehmen

Bundesregierung beschließt Gesetz zur Sanierung ohne Insolvenz

Lesezeit: 1 min
14.10.2020 17:16
Firmen erhalten künftig mehr Zeit, um eine Überschuldung wegzuverhandeln. Zudem wird lockerer definiert, was eine Überschuldung darstellt. Und die Reform geht noch deutlich weiter.
Bundesregierung beschließt Gesetz zur Sanierung ohne Insolvenz
Christine Lambrecht (SPD), Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz. (Foto: dpa)
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Angeschlagene Unternehmen sollen sich vom 1. Januar an auch ohne ein Insolvenzverfahren sanieren können, so lange sie noch nicht zahlungsunfähig sind. Die Bundesregierung beschloss am Mittwoch einen Gesetzentwurf zur Reform des Insolvenzrechts, wie das Justizministerium mitteilte.

"Unternehmen, die eine Mehrheit ihrer Gläubiger mit einem soliden Plan von ihrer Sanierungsperspektive überzeugen, können ihr Sanierungskonzept künftig auch ohne Insolvenzverfahren umsetzen", sagte Ministerin Christine Lambrecht (SPD). "Davon können insbesondere auch Unternehmen Gebrauch machen, die infolge der Corona-Pandemie in finanzielle Schwierigkeiten geraten sind."

Denn das Gesetz soll genau zu dem Zeitpunkt in Kraft treten, wenn auch überschuldete Unternehmen wieder einen Insolvenzantrag stellen müssten, sofern ihnen kein Wirtschaftsprüfer eine realistische Überlebensperspektive attestiert. Die Regierung hatte die Antragspflicht wegen der Pandemie im März ausgesetzt, seit Anfang Oktober gilt sie bereits wieder für zahlungsunfähige Unternehmen - und damit für den Großteil der Pleite-Kandidaten. Experten erwarten, dass viele angeschlagene Unternehmen mit der Rückzahlung der staatlichen Corona-Hilfskredite überfordert sein und damit in die Insolvenz rutschen könnten.

Allerdings lockert die Regierung auch den Maßstab bei der Frage nach dem Vorliegen einer Überschuldung: Unternehmen müssen 2021 nur nachweisen, dass sie ihre Schulden in den nächsten vier Monaten ordnungsgemäß bedienen können. Während der Pandemie sei es für viele Firmen schwierig, weiter in die Zukunft zu schauen, hieß es zur Begründung. Bisher galt ein Überprüfungszeitraum von zwei Jahren, ab 2022 soll es dauerhaft nur ein Jahr sein. Zudem haben die Firmen künftig sechs Wochen statt drei Wochen Zeit, eine Überschuldung wegzuverhandeln, ehe sie Insolvenz anmelden müssen.

Die Reform geht aber deutlich weiter: Unternehmen müssen in Zukunft nicht mehr zwangsläufig zum Insolvenzrichter, wenn sie nur ihre Finanzen in Ordnung bringen müssen, die Probleme aber nicht viel tiefer liegen. Das Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG) gibt ihnen nun die Möglichkeit, sich zu sanieren, indem sie sich mit der Mehrheit der Gläubiger einigen. Das Stigma einer Insolvenz hatte viele Firmen und ihre Geschäftsführer zögern lassen - oft bis es zu spät war, um noch etwas zu retten.

Wenn 75 Prozent der Gläubiger zustimmen, können die anderen eine Einigung künftig nicht mehr blockieren - bisher war Einstimmigkeit nötig. Unternehmen können im Rahmen eines Restrukturierungsplans belastende Verträge auch gegen den Willen des Geschäftspartners kündigen, die sie sonst in die Pleite treiben würden.

 


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