Italien hat eine neue Staatsanleihe ausgegeben. Der Clou an der Sache: Es handelt sich um eine sogenannte „Nullcoupon-Anleihe“. So werden Schuldpapiere verzeichnet, die nicht laufend verzinst werden. Die Rendite ergibt sich aus einer einmaligen Zahlung zum Laufzeitende. Im Falle Italiens erhalten die Investoren bis 2024 weder Zins- noch Tilgungszahlungen, geschweige denn eine attraktive Rendite.
Denn trotz dieser Modalitäten war die Emission tatsächlich überzeichnet. Die Anleihen rentieren momentan negativ mit minus 0,14 Prozent. Die Negativ-Verzinsung spiegelt eine zunehmend höhere Nachfrage der Investoren nach riskanten Euro-Schuldpapieren wider.
Italien platzierte neben der erwähnten kurzfristigen mit einem Volumen von 3,75 Milliarden Euro noch eine sieben- und eine dreißig-jährige Anleihe im selben Volumen. Die längerfristigen Papiere notieren zwar nicht negativ, aber dennoch auf rekordträchtig niedrigem Zinsniveau.
Wieso bezahlen die Anleger sogar noch eine Prämie auf den Nominalwert dafür, dass sie ihr Geld in kurzlaufenden italienischen Staatsanleihen parken dürfen?
- Die hohe Nachfrage basiert nicht auf einem Vertrauen in die italienischen Staatsfinanzen. Der Schuldenberg des italienischen Staates wird bis Jahresende voraussichtlich auf über 150 Prozent der Wirtschaftsleistung wachsen. Ein phänomenaler Anleihe-Emittent sieht anders aus.
- Die Investoren können aber mehr oder weniger darauf vertrauen, dass Ihnen die Papiere von der Europäischen Zentralbank (EZB) zu einem höheren Preis abgekauft werden. Solange die EZB die Papiere nicht am Primärmarkt, sondern nur indirekt am Sekundärmarkt erwirbt, liegt – rein formal – keine monetäre Staatsfinanzierung vor.
Die Financial Times zitiert einen Portfolio-Manager mit folgenden Worten: „Die Renditen der Italien-Anleihen sind fast schon ein Zielwert der EZB geworden und der Markt weiß das.“
Und Chiara Cremonesi, leitende Kapitalmarkt-Strategin bei Unicredit, sagte: „Rendite und Spreads der Anleihe sind sehr ambitioniert. Zwar haben sich die Solvenz- und politischen Risiken in Italien verringert, aber sie sind nach wie vor präsent und die fundamentale Situation bleibt schwach.“
Die Situation ist mehr als grotesk: Sogar Griechenland konnte Anfang 2020 eine Anleihe mit minimal negativer Rendite auf den Märkten platzieren. Ende April hatte die Rating-Agentur „Fitch“ Italien noch auf BBB- und damit nur noch eine Stufe über Schrottniveau herabgestuft. Und wenn sogar die Schuldpapiere faktisch insolventer Länder wie Griechenland teilweise eine negative Verzinsung aufweisen, dann muss man konstatieren: Die Anleihemärkte sind mittlerweile so stark verzerrt, dass es fast schon absurd ist.
Die größte Blase der Welt
Italien gelang das Kunststück eine Nullcoupon-Anleihe direkt mit negativer Rendite zu emittieren. Wenn in naher Zukunft auch noch der Coupon negativ ist, dann dürfte das Ende der Fahnenstange erreicht sein. Durch die billionenschweren Eingriffe der Zentralbanken sind die Anleihemärkte zur größten Finanz-Blase der Welt verkommen. Circa 80 Prozent aller Anleihen weltweit rentieren unter zwei Prozent. Und schätzungsweise 16 Billionen Dollar an Schuldpapier-Wert (in einem Gesamtmarkt von rund 128 Billionen) werden negativ verzinst!
In der Eurokrise 2011/2012 sah die Situation noch ganz anders aus. Damals wetteten die Märkte auf einen Staatsbankrott Italiens. Die Verzinsung der Staatsanleihen schoss bedrohlich in die Höhe, sodass die EZB eingreifen und die Papiere in großem Stil kaufen musste, um so die Zinsen zu senken.
Auch am Höhepunkt der Coronakrise im März/April dieses Jahres sprang die EZB ein und drückte die Zinsen, welche bei den 10-jährigen Staatsanleihen zwischenzeitlich auf über zwei Prozent gestiegen waren, auf aktuell 0,69 Prozent.
Anleihen mit einer Restlaufzeit von 2 Jahren rentieren dank der laufenden EZB-Interventionen wieder negativ mit minus 0,32 Prozent.
Zum Vergleich: Deutsche Staatsanleihen – auch längerfristige – rentieren ausnahmslos negativ. Beispielsweise beträgt die Rendite für 10-jährige Bundesanleihen im Moment minus 0,63 Prozent und für 30-jährige minus 0,22 Prozent. In den letzten Monaten sind die Renditen nochmal gesunken, weil deutsche Staatspapiere bei Investoren in unsicheren Zeiten ganz besonders gefragt sind.
Das gigantische Anleihekaufprogramm „PEPP“ der EZB im Volumen von 1,35 Billionen Euro bis Jahresende (ursprünglich waren nur 750 Milliarden geplant) ist nichts anderes als ein indirekter Auffang-Mechanismus der infolge der Coronakrise aufgelegten Hilfs- und Konjunkturpakete und der damit verbunden stark angestiegenen Staatsverschuldung in der Eurozone.
Doch nicht nur die Staaten, sondern auch Emittenten hochriskanter Schrottanleihen aus dem Unternehmens-Sektor („high yield corporate bonds“) profitierten von der Geldschwemme der Zentralbanken, denn im Rahmen der Kaufprogramm werden auch Unternehmens-Anleihen aufgekauft. Die Rendite auf Hochzins-Papiere befindet sich inzwischen wieder bei knapp über 5 Prozent, nachdem der Corona-Faktor auch hier für einen starken Anstieg auf bis zu mehr als 10 Prozent geführt hatte. Die Refinanzierungskosten bleiben damit auch für stark verschuldete Firmen auf einem moderaten Niveau.