Unternehmen

Familienunternehmen entrichten die Hälfte der Unternehmenssteuern in Deutschland

Einer aktuellen Studie zufolge entrichteten Familienunternehmen in den Jahren 2010 bis 2018 etwa 67 Milliarden Euro pro Jahr an Unternehmenssteuern in Deutschland. Das sind in etwa 48 Prozent des Gesamtaufkommens an Unternehmenssteuern. Die Belastung sei überproportional angestiegen.
04.11.2020 09:20
Aktualisiert: 04.11.2020 09:20
Lesezeit: 2 min
Familienunternehmen entrichten die Hälfte der Unternehmenssteuern in Deutschland
Eine Frau erklärt eine mittels Beamer an die Wand projizierte Statistik (Silhouette). (Foto: dpa) Foto: Tobias Kleinschmidt

Große Familienunternehmen zahlen in Deutschland deutlich mehr Steuern als börsennotierte Konzerne im Streubesitz. Die durchschnittliche Steuerbelastung der 500 größten deutschen Familienunternehmen liegt schon auf Unternehmensebene bei etwa 28 Prozent. Unter Berücksichtigung der Steuern auf Gesellschafterebene (Einkommensteuer der Gesellschafter von Personengesellschaften bzw. Abgeltungsteuer auf Ausschüttungen von Kapitalgesellschaften) errechnet sich eine durchschnittliche Belastung von fast 38 Prozent. Erträge der Dax-Konzerne, die keine Familienunternehmen sind, sind unter Berücksichtigung der Besteuerung der Gesellschafter dagegen nur mit gut 26 Prozent belastet.

Dies sind zentrale Ergebnisse einer Studie der Stiftung Familienunternehmen, die vom ifo Institut erstellt wurde. Die Untersuchung nutzt Jahresabschlussdaten, um den Steuerbeitrag der Familienunternehmen in Deutschland zu ermitteln. Berücksichtigt werden die Unternehmenssteuern im Rahmen von Gewerbesteuer, Körperschaftsteuer, Kapitalertragsteuer, Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag. Die letzte Studie zum Thema stammt aus dem Jahr 2016. Nun liegt eine Aktualisierung vor.

Der Untersuchung zufolge zahlten Familienunternehmen in den Jahren 2010 bis 2018 etwa 67 Milliarden Euro pro Jahr an Unternehmenssteuern in Deutschland. Das sind in etwa 48 Prozent des Gesamtaufkommens an Unternehmenssteuern. Auf die 500 größten Familienunternehmen entfielen davon rund 12 Milliarden Euro, also ein knappes Fünftel.

„Familienunternehmen leisten einen Großteil der Steuerlast in Deutschland. Gleichwohl werden sie in der Praxis steuerlich erheblich gegenüber den Konzernen im anonymen Streubesitz benachteiligt“, sagt Prof. Rainer Kirchdörfer, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen. „Es ist deswegen Zeit, dass wir nach Jahren steigender Steuerbelastung nun wieder eine Kehrtwende einleiten und gerade auf dem Weg aus der Corona-Krise für Entlastungen sorgen, statt über Steuererhöhungen zu sprechen.“

Deutschland gilt im internationalen Vergleich als Hochsteuerland. Im Länderindex Familienunternehmen, der die Attraktivität von 21 Industriestaaten auf Basis objektiver Daten bemisst, liegt Deutschland in der Kategorie Steuern sogar auf dem vorletzten Platz. Eine Unternehmensbefragung im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen wies bereits nach, dass niedrigere Steuern die Investitionsbereitschaft von Familienunternehmen stärken würden.

Die vorliegende Studie zeigt auf, dass Raum für Steuersenkungen besteht. Das Aufkommen aus den Unternehmenssteuern ist in den vergangenen Jahren sehr stark angestiegen. Im Jahr 2009 wurden noch knapp 91 Milliarden Euro an Unternehmenssteuern entrichtet. Der Wert wuchs dank des starken Wirtschaftswachstums bis 2017 auf rund 170 Milliarden Euro an. Die hohen Steuerzahlungen gehen einher mit einer deutlichen Verschlechterung der steuerlichen Standortbedingungen gegenüber anderen Ländern. Während in vielen Ländern die Belastung deutlich gesenkt wurde, erfolgte die letzte Anpassung hin zu einer wettbewerbsfähigen Besteuerung in Deutschland im Jahr 2008.

„Der Abbau der durch die Bewältigung der Corona-Pandemie entstandenen Staatsverschuldung wird nur durch Wirtschaftswachstum zu bewältigen sein“, sagt Kirchdörfer. „Die beste Voraussetzung dafür sind niedrigere Unternehmenssteuersätze. Die Unternehmenssteuerreform 2008 hat Unternehmen Luft zum Wachstum gegeben. Es ist in der aktuellen Krisensituation essentiell, auch wieder steuerliche Wachstumsimpulse zu setzen.“

Besonderen Handlungsbedarf gibt es beispielsweise bei der Besteuerung von Personengesellschaften. Bislang werden sie gegenüber Kapitalgesellschaften schlechter gestellt. Unter Berücksichtigung der Besteuerung der Gesellschafter liegt die Steuerbelastung der Personalgesellschaften im Kreis der TOP 500 Familienunternehmen mit etwa 41,5 Prozent um rund sechs Prozentpunkte über der Belastung der als Kapitalgesellschaft geführten Familienunternehmen (etwa 35,5 Prozent).

Die Benachteiligung von Personengesellschaften gilt insbesondere dann, wenn sie Gewinne thesaurieren, also im Unternehmen behalten. Die thesaurierten Gewinne unterliegen den individuellen Steuersätzen der Gesellschafter, die deutlich höher sind als die Belastung nicht ausgeschütteter Gewinne in Kapitalgesellschaften. Die durch die Unternehmenssteuerreform in das Einkommensteuergesetz eingefügte Sonderregel für thesaurierte Gewinne in Personenunternehmen wird von den Unternehmen kaum genutzt, da sie zu einer noch höheren Gesamtbelastung führen kann und großen Aufwand verursacht, wie die Studie anhand einer Umfrage unter den betroffen Unternehmen belegt. 62 Prozent der Familienunternehmen in Deutschland sind Einzelunternehmen bzw. Personengesellschaften. Bei den Familienunternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern liegt der Anteil bei einem Viertel.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt

 

 

DWN
Panorama
Panorama Wegwerftrend mit Folgen: Politik will Einweg-E-Zigaretten stoppen
10.11.2025

Sie sehen schick aus, leuchten bunt und sind sofort einsatzbereit – Einweg-E-Zigaretten liegen vor allem bei jungen Menschen im Trend....

DWN
Unternehmen
Unternehmen Rüstungsindustrie in Europa: 10 Unternehmen mit stabilen Renditen
09.11.2025

Europäische Verteidigungsunternehmen profitieren von stabilen Aufträgen und steigenden Investitionen. Technologische Kompetenz und lokale...

DWN
Technologie
Technologie Dunkle Wolke aus den USA: Die digitale Gefahr des US CLOUD Acts
09.11.2025

Ein US-Gesetz erlaubt amerikanischen Behörden Zugriff auf Daten in europäischen Clouds – ohne Wissen oder Zustimmung der Betroffenen....

DWN
Finanzen
Finanzen Contrarian Thinking: Wie falsche Narrative unsere Wahrnehmung verzerren – und was das für Anleger bedeutet
09.11.2025

In einer Welt voller Empörung, Filterblasen und ideologischer Schlagzeilen lohnt sich ein zweiter Blick. Wer immer nur der öffentlichen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Verjährung von Urlaubsansprüchen: Wann Resturlaub verfällt – und wann nicht
09.11.2025

Urlaub verfallen? Von wegen. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat klargestellt: Ohne klare Belehrung bleibt der Urlaubsanspruch bestehen –...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Die Zukunft der Chefetage: Warum mittleres Management an Bedeutung verliert
09.11.2025

Das mittlere Management verliert in vielen Unternehmen an Bedeutung. Wirtschaftliche Unsicherheit, neue Technologien und veränderte...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Europas Wirtschaft unter Druck: Im Spannungsfeld zwischen China und USA
09.11.2025

Globale politische Spannungen und Handelskonflikte belasten derzeit Europas Wirtschaft. Militärische Krisen in der Ukraine und im Nahen...

DWN
Technologie
Technologie Autonomes Fahren in Europa: Pony AI testet Robotaxis mit Stellantis
09.11.2025

Europa steht vor einem neuen Kapitel der urbanen Mobilität. Technologische Entwicklungen und internationale Kooperationen treiben die...