Finanzen

Ende des Börsenbooms? Was der drohende Lockdown für Anleger bedeutet

Freitag letzter Woche veröffentlichten wir einen Artikel von Andreas Kubin. Angesichts der Ereignisse, die in den vergangenen drei Tagen die Börsen durcheinandergewürfelt haben, muss man unserem Autor geradezu prophetische Fähigkeiten zuschreiben. Deshalb veröffentlichen wir den Artikel heute nochmal.
20.10.2020 13:03
Aktualisiert: 20.10.2020 13:03
Lesezeit: 4 min
Ende des Börsenbooms? Was der drohende Lockdown für Anleger bedeutet
Ein verzweifelter Händler an der Frankfurter Börse. (Foto: dpa)

Zu den wichtigsten Aufgaben bzw. Fähigkeiten des „smarten“ Investors zählt das Antizipieren, das heißt, die für die Preisentwicklung am Aktienmarkt relevanten Ereignisse zu erkennen, korrekt zu interpretieren und ihre Auswirkungen auf die Zukunft abzuschätzen. Fest steht: In der vergangenen Woche (12. bis 18. Oktober) wurden konzentriert, konzertiert und länderübergreifend Corona-bedingte Restriktionen beschlossen – fast schien es, als ob sie allesamt von einem einzigen Akteur in die Wege geleitet wurden wurden. Wie dem auch sei: Diese Restriktionen dürften die Wirtschaft treffen; smarte Investoren sollten davon ausgehen, dass die Maßnahmen gravierende Folgen für die Märkte nach sich ziehen werden.

Ein Lockdown geht um in Europa

Eine Auswahl der Ereignisse, der beschlossenen Maßnahmen und der Meldungen der letzten Woche:

Während Bundeskanzlerin Merkel und die Ministerpräsidenten der Länder am Mittwoch, den 14. Oktober, über eine Verschärfung der Corona-Maßnahmen beraten, haut der Nachrichtensender NTV in den frühen bis späteren Abendstunden eine Corona-Schlagzeile beziehungsweise Corona-Horror-Meldung nach der anderen raus!

Auch die anderen Medien publizieren „wie wild“:

  • So meldet die dpa um 18.19 Uhr, dass in den Niederlanden ein Teil-Lockdown beschlossen wurde.
  • Aus Italien erreicht uns die Kunde, dass die Fallzahlen den höchsten Stand seit Monaten erreicht haben.
  • Unterdessen verordnet in Frankreich Präsident Macron nächtliche Ausgangssperre von 21 Uhr abends bis 6 Uhr morgen für Paris und acht weitere Großstädte, als da wären Grenoble, Lille, Lyon, Marseille, Montpellier, Rouen, Saint Etienne und Toulouse.
  • Nur zur Erinnerung: In Tschechien gilt der Ausnahmezustand schon seit dem 5. Oktober und in der Slowakei der Notstand bereits seit dem 30. September.
  • In Portugal gilt ab dem 15. Oktober der nationale Notstand – er ermöglicht es der Regierung unter António Costa, bei Bedarf Einschränkungen der Bewegungsfreiheit und andere einschneidende Maßnahmen durchzusetzen.
  • In Großbritannien ruft Gesundheitsminister Matt Hancock für London die zweithöchste Corona-Warnstufe aus. Für Wales, Nordirland, Schottland und diverse Gebiete in Großbritannien besteht nun eine Reisewarnung. Fast 20.000 Neuinfizierte an einem Tag werden in Britannien gemeldet: Ist die zweite Corona-Welle damit schlimmer als die erste? Wobei die Frage, wie viele der Infizierten im Endeffekt tatsächlich erkranken, natürlich legitim, für den Investor aber nebensächlich ist, denn für ihn zählt nur, was ist, nicht, was sein sollte. Für seine Entscheidungsfindung muss er daher folgende Faktenlage im Blick haben: Das wirtschaftliche Geschehen wird stark eingeschränkt – natürlich nicht nur in Britannien, sondern, wie wir gesehen haben, in weiten Teilen Europas.

Das Ultimatum

Was Deutschland anbelangt, so lautet die abschließende Botschaft der Politik beziehungsweise ihr Ultimatum: Bund und Länder setzen sich und der Bevölkerung eine Frist. Wenn der bundesweite Anstieg der Infektionszahlen "nicht spätestens binnen zehn Tagen zum Stillstand“ komme, „sind weitere gezielte Beschränkungsschritte unvermeidlich, um öffentliche Kontakte weitergehend zu reduzieren". Das genaue Ergebnis der Verhandlungen haben die DWN bereits veröffentlicht.

NTV dazu tags darauf: “Die Kanzlerin habe getobt, weil ihr die Maßnahmen zu wenig weit gingen.“

Hochgekocht

Das Robert-Koch-Institut (RKI) meldet steigende Fallzahlen – „kocht sie hoch“, wie Spötter sagen, um hinterherzuschieben: „Daher stammt ja auch der Name.“ Nach Angaben des Instituts am Freitag, den 16. Oktober, meldeten die deutschen Gesundheitsämter 7.334 neue Corona-Infektionen innerhalb eines Tages. Tags zuvor war mit 6.638 neuen Fällen der bis dahin höchste Wert seit Beginn der Pandemie registriert worden.

USA: Die Wahl wirft ihren Schatten voraus

Die 58. und die 59. Präsidentenwahl der amerikanischen Geschichte: 2016 besiegte Donald Trump überraschend, ja fast sensationell (in den Umfragen war ihm fast durchgehend eine krachende Niederlage prophezeit worden) seine Widersacherin Hillary Clinton. Am 3. November dieses Jahres nun entscheiden die amerikanischen Wähler zwischen ihm und seinem Herausforderer Joe Biden. Wir erinnern uns: Der „Dow Jones Industrial“ erreichte knapp drei Wochen nach der 58. Präsidentenwahl (8. Nov. 2016) ein neues Allzeithoch am 23. Nov. 2016, 21.14 Uhr MEZ mit 19.066 Punkten. Man merke sich folgendes: In einem Wahljahr steigen die Aktienkurse in aller Regel massiv (in den beiden Nachwahljahren legt der Dow dann den Rückwärtsgang ein), was Experten dazu veranlasst, von einem der „wenigen regelmäßigen Zyklen in der Finanzwelt“ zu sprechen. Wir befinden uns jetzt in der 43. Kalenderwoche. Das Jahr 2016 war – wie erwartet – durch gestiegene Börsenkurse gekennzeichnet. Dieses Jahr sollte es, dem Zyklus entsprechend, nicht anders sein – aber wie werden sich Corona, wie die durch die Pandemie ausgelösten Restriktionen auswirken? Wird der Zyklus durchbrochen werden?

Fragen über Fragen

Im Folgenden zwei Fragen. Schade, dass wir uns nicht mehr an Altmeister Kosto, also den berühmten Börsenguru André Kostolany, wenden können. Bevor wir unsere Fragen stellen, vorab jedoch eine Hypothese:

Es ist vollkommen klar, dass – sollten die Maßnahmen noch weiter verschärft werden – die Verantwortlichen einen Impuls für neuerliche kräftige Börseneinbrüche generieren, aus denen wir nicht mehr so schnell herauskommen werden!

  • Die Zahl der Experten, die den regierungsseitigen Auffassungen in Sachen Corona widersprechen, steigt rapide an. Warum wird trotzdem ein derart gewaltiger Wirtschaftseinbruch in Kauf genommen, wo doch erst am 14. Oktober der Internationale Währungsfonds (IWF) mit seiner Prognose aufhorchen ließ, die globale Staatsverschuldung werde insgesamt auf knapp 100 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung ansteigen? 2019 waren es „nur“ 83 Prozent – ein gewaltiger Anstieg innerhalb von nur einem Jahr. Der IWF veranschlagt die öffentlichen Mittel, die bisher aufgrund der Virus-Krise geflossen sind, auf weltweit 11,7 Billionen US-Dollar oder knapp zwölf Prozent der globalen Wirtschaftsleistung. Warum hört die Politik partout nur auf diejenigen (teilweise angeblichen) Experten, die in Corona eine große Gefahr sehen und Lockdowns progagieren, und vernachlässigen die wirtschaftlichen Folgen, welche die Lockdown-Maßnahmen nach sich ziehen, fast vollständig?
  • Dienen die jetzigen Verschärfungen der Corona-Maßnahmen – abgesehen von dem offiziell kolportierten Zweck, die Pandemie einzudämmen – noch einem anderen Zweck? Ein Börsenabsturz noch vor dem 3. November käme sicherlich den Trump-Gegnern in gewisser Weise entgegen – wird so ein Ereignis in der Regel doch dem amtierenden Präsidenten angelastet.

Fazit: Der Sparer – dem traditionelle Sparweisen wegen der negativen Real-Verzinsung mehr oder weniger schon vollständig versperrt sind – droht nun auch mit Börseninvestments ein erhöhtes Risiko einzugehen, wenn die Politik nicht endlich aufhört, mit ihren destruktiven Maßnahmen die Wirtschaft und die Finanzsysteme weiter zu destabilisieren und schlimmstenfalls fast vollständig abzuwürgen.

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Andreas Kubin

Andreas Kubin lebt in Oberösterreich, hat ein MBA mit Schwerpunkt "Finanzen" und verfügt über drei Jahrzehnte Börsen-Erfahrung. 
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