Finanzen

Öffnung der Märkte: China verstärkt seine Zusammenarbeit mit Wallstreet-Banken

Große amerikanische Banken und Hedgefonds bauen ihre Geschäftsbeziehungen mit China aus. Die Kooperation auf dem Feld der Finanzen stellt ein Gegengewicht zur geopolitischen Strategie der US-Regierung dar.
30.10.2020 17:35
Aktualisiert: 30.10.2020 17:35
Lesezeit: 3 min
Öffnung der Märkte: China verstärkt seine Zusammenarbeit mit Wallstreet-Banken
100-Yuan-Scheine. (Foto: dpa) Foto: Qilai Shen

Der gegen China gerichteten Politik der US-Regierung zum Trotz verstärken beide Seiten ihre Zusammenarbeit auf den Finanzmärkten. So fand am 16. Oktober eine Telefonkonferenz zwischen hochrangigen chinesischen Finanzbeamten einerseits und Repräsentanten einflussreicher Wallstreet-Banken und Vermögensverwaltern statt, wie die Financial Times berichtet.

Ziel der im Rahmen des seit Herbst 2018 bestehenden Formates „China-US Financial Roundtable“ gehaltenen Gespräche sei es gewesen, technische Möglichkeiten einer vertieften Kooperation auf den Finanzmärkten auszuloten und mit Blick auf das angespannte Verhältnis beider Staaten „guten Willen“ zu demonstrieren, wird ein amerikanischer Banker von der FT zitiert.

An der Konferenz teilgenommen haben demnach die an der New Yorker Wallstreet angesiedelten Investmentbanken JP Morgan, Goldman Sachs und Morgan Stanley sowie die Investmentgesellschaften Blackstone, Citadel und Fidelity. Gastredner waren der ehemalige australische Premierminister Kevin Rudd sowie der ehemalige Sicherheitsberater von Barack Obama für asiatische Fragen, Jeffrey Bader.

Beide Seiten profitieren von mehr Nähe

Die Chinesen profitieren in zweierlei Hinsicht von einer verstärkten Zusammenarbeit mit amerikanischen Banken und Handelshäusern.

Zum einen stellt diese eine wichtige Voraussetzung für die weitergehende Öffnung und Liberalisierung des chinesischen Finanzmarktes für ausländische Investoren dar. Die Regierung in Peking hat die kontrollierte, schrittweise Öffnung der heimischen Märkte zu einem der Schwerpunkte in ihrer Finanzpolitik aufgewertet.

Zum anderen handelt es sich bei der Anbahnung besserer Kontakte in die amerikanische Finanzwelt auch um eine geopolitische Vorsichtsmaßnahme. Denn je mehr Verbindungen zwischen beiden Weltmächten bestehen und je stärker beide Seiten von den Geschäften profitieren, umso schmerzhafter und schwieriger wird es für künftige US-Regierungen sein, Sanktionen gegen chinesische Unternehmen oder Banken zu verhängen, weil dadurch auch amerikanische Interessen und Profite zunichte gemacht würden.

Die Wallstreet-Giganten wiederum verfolgen in erster Linie geschäftliche Interessen in China. So sind sowohl der Anleihe- als auch der Aktienmarkt des ostasiatischen Landes inzwischen einfach zu groß, um ignoriert werden zu können. Chinesische Staatsanleihen bieten beispielsweise eine viermal höhere Rendite als US-Staatsanleihen (aktuell rund 3,2 im Vergleich zu 0,8 Prozent für Papiere mit zehn Jahren Laufzeit) – in Zeiten von Negativ- und Nullzinsen im Westen sind dies starke Anreize für Investoren. Die erfolgreiche Überwindung der Corona-Pandemie und die anschließende Erholung der Wirtschaft sorgen zudem mit Blick auf die kommenden Jahre für attraktive Renditeaussichten am Aktienmarkt. Ökonomen rechnen damit, dass China in diesem Jahr die einzige große Volkswirtschaft sein wird, die das Jahr mit einem Wirtschaftswachstum abschließen kann. Im dritten Quartal nahm die Wirtschaftsleistung im Vergleich zum Vorjahr um 4,9 Prozent zu. Die Regierung sieht die Pandemie seit Monaten weitestgehend unter Kontrolle.

„Wenn Sie einen großen Markt wie den chinesischen sehen, der sich auch noch gerade öffnet, dann wollen Sie doch nicht warten, bis auch alle anderen dort vertreten sind – Sie wollen der erste Mann dort sein“, zitiert die FT einen Analysten von Aberdeen Standard Investments. „Seien wir ehrlich, selbst wenn Trump wiedergewählt würde…hier handelt es sich um Kapitalflüsse von institutionellen Investoren, die eine langfristige Anlagestrategie verfolgen. Sie schauen über kurzfristige Unsicherheitsfaktoren hinweg.“

Peking treibt Öffnung der Märkte voran

Seit einigen Jahren öffnet das Land seine Finanzmärkte schrittweise. Eine Folge davon ist, dass der Anteil ausländischer Investoren im Anleihemarkt in den ersten acht Monaten des laufenden Jahres im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 20 Prozent auf ein Volumen von umgerechnet 421 Milliarden US-Dollar angestiegen ist. 12 Prozent aller chinesische Staats- und Bankanleihen sollen dieses Jahr bislang von Ausländern gekauft worden sein, berichtet der Datenspezialist Refinitiv. Die Großbank JP Morgan schätzt, dass der Anteil ausländischer Gläubiger bei chinesischen Staatsanleihen in den vergangenen Jahren von etwa 2 Prozent auf 9 Prozent gestiegen ist.

Die chinesischen Regulierungsbehörden öffnen die Märkte kontrolliert und schrittweise. Zu den Lockerungen gehört beispielsweise, dass ausländische Finanzdienstleister seit Frühjahr 2018 die Mehrheit an chinesischen Wertschriftenhändlern und Fondsmanagern halten können. Im Juni des laufenden Jahres wurde es mit American Express dem ersten ausländischen Kreditkartenunternehmen ermöglicht, Transaktionen in China abzuwickeln. Seit Mai kann die hundertprozentige Tochter der US-Ratingagentur Fitch Ratings den chinesischen Anleihemarkt bewerten. Zudem erteilte die Zentralbank amerikanischen Banken und Hedgefonds vor Kurzem Lizenzen für neue Finanzgeschäfte, darunter Blackrock, die Citigroup und JP Morgan. Dem Präsidenten der Volksbank, Yi Gang, zufolge, hätten die chinesischen Aufsichtsbehörden in den vergangenen Jahren etwa 40 konkrete Maßnahmen zur Öffnung ihrer Märkte ergriffen.

Zusätzlichen Schub erhält die Öffnungspolitik durch die Inklusion chinesischer Wertpapiere in internationale Fonds und Indizes. Im September hatte der große Fondsanbieter FTSE Russell angekündigt, ab kommendem Jahr chinesische Staatsanleihen in seinen World Government Bond Index aufzunehmen, was Schätzungen zufolge zu Zuflüssen von etwa 140 Milliarden Dollar nach China führen könnte. Bereits im vergangenen Jahr wurden chinesische Papiere in den Bloomberg Barclays Index aufgenommen.

Bemerkenswert ist der Umstand, dass es nicht zuletzt diese Kapitalzuflüsse waren, die es China erlaubten, die Corona-Pandemie weitgehend ohne geldpolitische Interventionen zu überstehen. So schreibt die South China Morning Post: „Während die Federal Reserve und andere große Zentralbanken in großem Umfang Geld schaffen, um die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt zu stützen registriert China einen ständigen Mittel-Zufluss in die Anleihe- und Aktienmärkte und in Investitionsprojekte. Dies erlaubt es der Volksbank, eine konservative Geldpolitik zu fahren und seine Leitzinsen relativ hoch zu belassen – was wiederum noch mehr Geld anzieht und dabei hilft, die negativen Folgen der ökonomischen Abkopplungsversuche der US-Regierung abzufedern.“

Die Öffnung der Finanzmärkte ist darüber hinaus eine wichtige Vorbedingung zur Erreichung des Ziels, die Landeswährung Renminbi zu einer weltweit akzeptierten Handels- und Reservewährung aufzubauen. Weltweit legen Staaten derzeit etwa 3 Prozent aller Devisenreserven in Renminbi an. Obwohl dies mit Blick auf die vergangenen Jahrzehnte eine deutliche Steigerung darstellt, ist der Abstand zu Dollar (rund 60 Prozent), Euro (etwa 20 Prozent) und japanischem Yen (etwa 5 Prozent) noch immer groß.

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