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"Bei manchen Wasserstoff-Flugzeugen Marktreife in 15 Jahren möglich"

Wann könnte das erste mit Wasserstoff betriebene Flugzeug marktreif sein? Diese und viele andere Fragen beantwortet Barnaby Law, Chef-Ingenieur "Flying Fuel Cell" beim Münchener Triebwerke-Hersteller MTU.
07.11.2020 16:04
Lesezeit: 3 min
"Bei manchen Wasserstoff-Flugzeugen Marktreife in 15 Jahren möglich"
Das Modell "Zero" von Airbus - eine Maschine, die auf der Grundlage von Wasserstoff fliegen soll. (Foto: dpa)

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Welche Projekte haben Sie im Wasserstoff-Bereich und warum setzen Sie gerade auf dieses Geschäftsfeld?

Barnaby Law: Die MTU-Entwicklungsarbeit hat zwei Stoßrichtungen: die evolutionäre Weiterentwicklung der Fluggasturbine kombiniert mit revolutionären Antriebskonzepten sowie eine möglichst vollständige Elektrifizierung des Antriebsstrangs, um im Flug maximal emissionsfrei zu sein. Hier hat für die MTU von allen betrachteten Konzepten die Wandlung von Wasserstoff in Strom mit Hilfe einer Brennstoffzelle das größte Potenzial.

Einen hohen Stellenwert räumt die MTU nachhaltigen, alternativen Kraftstoffen (Sustainable Aviation Fuels = SAF) ein, denn: Nur mit dem Einsatz nachhaltiger, regenerativer Kraftstoffe können die anspruchsvollen Klimaschutzziele für 2050 erreicht werden. Die Zukunft dürfte Power-to-Liquid- (PtL) und Sun-to-Liquid-Kraftstoffen (StL) gehören, die grünen Strom beziehungsweise Sonnenenergie zur Produktion der Kraftstoffe nutzen. SAFs erfüllen die Spezifikation für Flugkraftstoffe und können sofort in der existierenden Infrastruktur drop-in genutzt werden. Auf längere Sicht bietet sich Wasserstoff als Kraftstoff an. Im Vergleich zu PtL-Kraftstoffen lässt sich Wasserstoff effizienter und kostengünstiger produzieren, erfordert jedoch eine neue Infrastruktur sowie neue Flugzeugdesigns.

Für die MTU ist der Treibstoff der Zukunft Wasserstoff mit drei Einsatzmöglichkeiten: erstens Direkt-Verbrennung in der Fluggasturbine, die dazu angepasst werden muss wie natürlich auch das Flugzeug sowie die Infrastruktur, zweitens die Wandlung in elektrische Energie mittels Brennstoffzellen. Hier zeigen die ersten Studien, dass das Mitführen von Wasserstoff für kleine Flugzeuge bis hin zur Mittelstrecke wirtschaftlich sinnvoll ist. Für größere Flugzeuge und längere Reichweiten, insbesondere die Langstrecke, ist es wirtschaftlich sinnvoller, den Wasserstoff in - drittens - SAFs zu wandeln.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Wie groß ist das Marktpotenzial dafür und wie viele Marktanteile wollen Sie zu welchem Zeitpunkt erreichen?

Barnaby Law: Wie groß die Volumina des globalen Marktes für fliegende, mit Wasserstoff betriebene Brennstoffzellen sein werden – also die Umsätze der Hersteller - lässt sich nur sehr schwer vorhersagen. Ebenso schwierig ist es, zu prognostizieren, wie viele Marktanteile die MTU in welchem Zeitraum erreichen könnte. Es gibt zu viele Unwägbarkeiten. Ein Problem ist etwa der Umstand, dass die Länder und Regionen die Einführung dieser Technologie in unterschiedlichem Maße fördern. Ein Kontinent beispielsweise, der nach wie vor auf die konventionellen Treibstoffe setzt, ist Afrika. Daran orientieren sich die Fluggesellschaften, die den Triebwerksherstellen die entsprechenden Aufträge erteilen.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Wann können grundsätzlich die ersten Flugzeuge marktreif sein, die auf der Grundlage von Wasserstoff betrieben werden?

Barnaby Law: Umgewandelt in nachhaltige, alternative Kraftstoffe (Sustainable Aviation Fuels = SAF) könnte Wasserstoff sofort drop-in in bestehenden Flugzeugen und Triebwerken verwendet werden. Auch eine direkte Verbrennung von flüssigem Wasserstoff in Gasturbinen ist technisch möglich. Dazu müsste die Fluggasturbine – insbesondere die Brennkammer – angepasst werden. Das könnte in wenigen Jahren erreichbar sein. Wesentlich größere Anstrengungen kommen demgegenüber auf die Infrastruktur und die Flugzeughersteller zu, denn es gilt, den flüssigen Wasserstoff bereitzustellen, zu transportieren und in entsprechenden Tanks im Flugzeug mitzuführen.

Langfristig setzt die MTU auf eine dritte Nutzungsmöglichkeit von Wasserstoff: seine Wandlung in elektrische Energie mittels einer Brennstoffzelle. Bei den kleinen Flugzeugen mit 20 bis maximal 50 Passagieren ist eine Marktreife in zehn Jahren realistisch. Bei Maschinen, die noch weniger Fluggäste befördern, ist sogar ein noch früherer Termin nicht ausgeschlossen. Bei den großen Flugzeugen, die wesentlich mehr Passagiere transportieren, dürfte die Marktreife in 15 bis 20 Jahren möglich sein.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Auch der Autozulieferer ElringKlinger (EK) setzt darauf, Antriebe für Flugzeuge herzustellen, die auf der Grundlage von Wasserstoff fliegen. Deswegen hat das Unternehmen gerade eine Partnerschaft mit Airbus geschlossen. Fürchten Sie EK als neuen Konkurrenten?

Barnaby Law: Grundsätzlich freuen wir uns, wenn Airbus auch auf Wasserstoff als Antrieb setzt. ElringKlinger ist für uns kein Konkurrent, weil es natürlich viel mehr Bedarf gibt als nur ein Brennstoffzellensystem für bodengebundene Fahrzeuge. Generell sind die Aufwände für den Markteintritt in die Luftfahrtbranche für die Entwicklung und Produktion der notwendigen Technologien sehr hoch.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Wie bewerten Sie die nationale Wasserstoff-Strategie der Bundesregierung?

Barnaby Law: Das Wasserstoffprogramm der Bundesregierung ist goldrichtig, denn Wasserstoff ist die richtige Technologie für die wirtschaftliche Weiterentwicklung. Das Programm adressiert alle daran Beteiligten und ist sektorenübergreifend. Für die MTU ist das Programm Rückenwind für die weitere Technologieentwicklung – es sorgt für ein gewisses Maß an Planungs- und Budgetsicherheit, um die Technologieentwicklung für die Luftfahrt abzusichern.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Welche Schritte bei der Entwicklung Ihrer Wasserstoff-Projekte stehen jetzt als nächstes an?

Barnaby Law: Im nächsten Jahr setzen wir unsere Subsystem-Tests fort. Diese sind ein wichtiger Teil unserer Gesamtsystem-Entwicklung, weil damit unsere Auslegungsmodelle verifiziert und validiert werden. Die Tests geben uns zudem die Möglichkeit, unterschiedliche Geräte und Systemarchitekturen zu vergleichen. In den darauffolgenden Jahren werden die Tests zunehmend umfangreicher und unterstützen unsere Entwicklung an der MTU-Flying-Fuel-Cell-Architektur bis hin zum ersten Flugversuch gemeinsam mit dem DLR in einer Do228 FFC.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Herr Law, herzlichen Dank für das Gespräch.

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