Politik

Biden sollte sich nicht zu sicher sein: Mit Umfragen gewinnt man keine Wahlen

Ein erneuter Sieg Donald Trumps würde die Meinungsforscher in Erklärungsnot bringen. Bis auf die Umfragen spricht nämlich recht wenig für Joe Biden – allen voran konnte seine Kampagne im Gegensatz zu der des amtierenden Präsidenten überhaupt keine Euphorie entfachen. Diese Diskrepanz könnte sich in einem (vermeintlich) überraschenden Wahlergebnis entladen.
04.11.2020 00:40
Aktualisiert: 04.11.2020 00:40
Lesezeit: 2 min
Biden sollte sich nicht zu sicher sein: Mit Umfragen gewinnt man keine Wahlen
Wirkt inspirierender als sein Herausforderer Joe Biden: Der amtierende US-Präsident Donald Trump. (Foto: dpa)

Wenn man den Wahl-Umfragen Glauben schenkt, dann ist Joe Biden bei der Präsidentschaftswahl der deutliche Favorit. Die Quoten der Wettanbieter zeichnen ein ähnliches Bild.

Was überhaupt nicht in dieses Bild passt: Die Wahlkampf-Auftritte Trumps wurden begeistert aufgenommen, bei seinem Herausforderer Biden herrschte im Vergleich stets Totengräber-Stimmung. Zuletzt konnte sich Trump sogar die Unterstützung des berühmten afroamerikanischen Rappers Lil Wayne sichern.

Aber auch wenn diese Diskrepanz nicht vorherrschen würde: Selbst der Durchschnittswähler müsste eigentlich an der geistigen Tauglichkeit Bidens für ein Präsidentenamt zweifeln, und das sollte sich in einer gewissen Hemmschwelle an der Wahlurne äußern. In den vergangenen Wochen leistete sich der Kandidat der Demokraten unzählige Aussetzer, wollte zum Beispiel für den Senat antreten oder verwechselte den Namen seines Kontrahenten Trump mit dem des früheren Präsidenten George Bush. Generell wirkte er eher fahrig und selten überzeugend. Zudem repräsentiert er den typischen Berufspolitiker und ist in der Wahrnehmung vieler Amerikaner ein Abziehbild des berüchtigten Washingtoner Polit-Sumpfes.

Trump sammelte bestimmt nicht bei allen Wählergruppen Sympathien, aber zumindest konnte man im bisherigen Wahlkampf keine heftigen Aussetzer feststellen.

Umfrageakrobatik

Zurück zu den Umfragen: Bekannterweise waren die im Jahr 2016 teils spektakulär falsch. Die meisten hatten Hillary Clinton deutlich vorne gesehen. Am Ende konnte sich Donald Trump knapp durchsetzen, obwohl Clinton insgesamt mehr Stimmen bekommen hatte.

Der Finanzblog „Zerohedge“ hat vor wenigen Tagen untersucht, was passieren würde, wenn dieselben Fehlerraten (Prognose bei den Stimmen versus tatsächliches Resultat) wie in der Wahl von 2016 auch in dieser Wahl auftreten würden.

Die aktuellen Durchschnittswerte für den prozentualen Stimmenvorsprung bei den Umfragen der als unentschlossen geltenden „Swing States“ sehen Stand 31. Oktober wie folgt aus:

  • Arizona: Trump plus 0,6 Prozent
  • Florida: Biden plus 1,2
  • Michigan: Biden plus 6,5
  • North Carolina: Biden plus 1,2
  • Pennsylvania: Biden plus 3,7
  • Wisconsin: Biden plus 6,4
  • Georgia: Biden plus 0,8
  • Iowa: Biden plus 1,2
  • Maine-2: Biden plus 2,7
  • Minnesota: Biden plus 4,7
  • Nebraska-2: Biden plus 7,8
  • Nevada: Biden plus 4,0
  • Ohio: Unentschieden
  • Texas: Trump plus 2,3

Adjustiert man diese Zahlen um die 2016 beobachteten Fehlerraten, ergibt sich folgendes Bild:

Unter dieser Annahme würden Florida, North Carolina, Pennssylvania, Georgia, Iowa und Maine entgegen der durchschnittlichen Prognosen republikanisch wählen.

Folglich würde Trump die Wahl mit 279 von 538 Wahlmännern gewinnen. Man sollte beachten, dass in dieser Betrachtung

  1. davon ausgegangen wurde, dass keiner der als klar demokratische respektive republikanisch geltenden Staaten kippt.
  2. der jeweilige Stimmenvorsprung teils sehr knapp ist.

Nichtsdestotrotz scheint ein Trump-Sieg alles andere als unwahrscheinlich. Umfragen können in bestimmten Situationen in ihrer Aussagekraft begrenzt sein. Zum Beispiel kann es schwierig sein, eine repräsentative Stichprobe zu erwischen. Oder im Falle dieser Wahl mit einem sehr kontroversen Amtsinhaber gibt es Verzerrungseffekte, wenn Trump-Wähler im Rahmen einer Befragung nicht immer zugeben wollen, wen sie zu wählen gedenken.

Robert Cahaly von der Trafalgar Group war einer der wenigen, der den Wahlausgang vor vier Jahren korrekt vorhergesagt hatte. Für diese Wahl prognostiziert Cahaly einen Trump-Sieg mit einer Wahlmänner-Anzahl im Bereich der hoher 270er, „eventuell sogar höher“. Das würde ziemlich genau zum Erwartungswert passen, den Zerohedge ermittelt hat. Food for thought!

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Jakob Schmidt

                                                                            ***

Jakob Schmidt ist studierter Volkswirt und schreibt vor allem über Wirtschaft, Finanzen, Geldanlage und Edelmetalle.

DWN
Finanzen
Finanzen Schott Pharma-Aktie: Zähe Nachfrage nach Glasspritzen – Pharmazulieferer Schott Pharma schaut vorsichtig auf 2026
04.12.2025

Die Schott Pharma-Aktie ist am Donnerstag nachbörslich unter Druck geraten, Anleger beäugen den Ausblick des Mainzer Pharmazulieferers...

DWN
Politik
Politik Die EZB blockiert: Streit um EU-Pläne für eingefrorene russische Vermögenswerte
04.12.2025

Die EU ringt um einen Weg, die finanziellen Belastungen des Ukrainekriegs abzufedern, doch zentrale Institutionen setzen klare Grenzen. Wie...

DWN
Politik
Politik Friedensverhandlungen in Moskau: Trump-Gesandte führen Gespräche mit Putin
04.12.2025

Die Gespräche zwischen Washington und Moskau rücken die Suche nach einer realistischen Friedenslösung wieder in den Mittelpunkt der...

DWN
Politik
Politik EU Ermittlungen: Staatsanwaltschaft nimmt Büros von Kaja Kallas ins Visier
04.12.2025

Die Ermittlungen der Europäischen Staatsanwaltschaft rücken den Umgang mit sensiblen EU-Mitteln und institutionellen Abläufen in...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Trade Republic Probleme: Kundenfrust wächst trotz neuer Produkte
04.12.2025

Trade Republic wirbt mit Innovationen, doch viele Kunden erleben etwas anderes. Die Beschwerden zu Ausfällen, Support und Handelbarkeit...

DWN
Politik
Politik G7? Nein danke, sagt Putin
04.12.2025

Russlands Präsident Wladimir Putin sorgt vor seinem Indien-Besuch für Aufsehen. Er kritisiert die G7 als "nicht groß" und verweist auf...

DWN
Finanzen
Finanzen Deutschland im Club der Superreichen vorn dabei
04.12.2025

Fast 3.000 Menschen weltweit besitzen mehr als eine Milliarde Dollar – und Deutschland spielt eine führende Rolle. Während...

DWN
Finanzen
Finanzen Silberpreis aktuell leichter: Kurspotenzial weiter hoch – jetzt Rücksetzer nutzen und Silber kaufen?
04.12.2025

Der Silberpreis hat am Mittwoch ein Rekordhoch erreicht. Doch der starke Anstieg des Silberpreises in den vergangenen Monaten stellt die...