Finanzen

Wegen Devisenmangel: Iran zwingt Krypto-Miner zum Verkauf von geschürften Bitcoins

Anscheinend leidet der Iran unter akutem Devisenmangel. Wie sonst ist es zu erklären, dass neue Regularien Miner dazu bewegen sollen, geschürfte Bitcoins an die Regierung zu verkaufen? Der umstrittene Erlass könnte die Miner aus dem Land vertreiben.
06.11.2020 15:46
Aktualisiert: 06.11.2020 15:46
Lesezeit: 2 min
Wegen Devisenmangel: Iran zwingt Krypto-Miner zum Verkauf von geschürften Bitcoins
Inbegriff einer Weichwährung: Der iranische Rial. (Foto: dpa) Foto: Abedin Taherkenareh

Im Iran floriert das Krypto-Mining. Nach der im letzten Jahr erteilten Schürfungsgenehmigung von Kryptowährungen ist im Land eine große Industrie entstanden. Die IT-Firmen profitieren von den niedrigen Kosten für Strom im Iran, der ihnen teils exklusiv von den Gaskraftwerk-Betreibern zur Verfügung gestellt wird. Auch die Stromanbieter selbst betätigen sich dabei im digitalen Schürfungs-Geschäft.

Die Mining-Industrie einer der wenigen Lichtblicke in der iranischen Wirtschaft. Die leidet nicht erst seit der Corona-Krise an akuten Problemen wie einem enttäuschenden Wachstum, grassierender Inflation und sanktionsbedingt mangelnden ausländischen Investitionen. Schon 2018 und 2019 sank die Wirtschaftsleistung um jeweils rund 6 Prozent, dieses Jahr könnte es noch schlechter aussehen. Die Inflationsrate auf Jahresbasis lag im Oktober bei 41 Prozent, Tendenz steigend.

Aktuell gehen dem Land aufgrund von Importüberschüssen und Kapitalflucht zunehmend die Devisenreserven aus. Diese sind von 2018 bis zum Frühjahr 2020 um rund 40 Billionen Dollar beziehungsweise 34 Prozent zusammengeschmolzen. Die Devisenbewirtschaftung wird dadurch immer schwieriger. Denn um im übertragenen Sinne die „Importe zu bezahlen“ sind eigentlich auch entsprechende Exporte und damit Deviseneinnahmen nötig. Andernfalls werden Teile der Importe (vorwiegend Lebensmittel, Maschinen, Ausrüstung und hochwertige Industrieerzeugnisse) aus Makrosicht mit neu geschaffenen iranischen Rial gekauft und das drückt auf den Wechselkurs, sorgt für importierte Inflation und schwächt damit die Kaufkraft.

Um diese Teufelsspirale zu vermeiden, hält der Iran seine Währung seit über zwei Jahren in einem Währungsband um 42.000 Rial pro US-Dollar fest. Die Aufrechterhaltung dieses Kurses ist nur über Käufe von Rial (gegen Devisenreserven) an den internationalen Devisenmärkten möglich.

Anscheinend hat man ein interessantes Problemlösungs-Konzept gefunden beziehungsweise man meint, es gefunden zu haben. Laut einem Bericht der staatlichen „Iranian Students News Agency“ (ISNA) hat die Regierung neue Rahmenbedingungen geschaffen, die geschürfte Bitcoins in Staatshände umleiten sollen, um damit im übertragenen Sinne Importe zu bezahlen. Ein Erlass verpflichtet Miner dazu, ihre erarbeiteten Coins direkt an die Zentralbank zu verkaufen. Zu welchem Preis, das steht noch nicht fest.

Der Schachzug der iranischen Regierung erinnert stark an das Vorhaben des ebenfalls von einer schwachen Währung gebeutelten Venezuelas, die Devisenreserven über staatliche Kryptominen aufzustocken. Der Iran will offenbar die – aufgrund der immensen Öl- und Gasvorräte (also niedrigen Inputpreisen der Kraftwerke) und zusätzlichen staatlichen Subventionen – im weltweiten Vergleich extrem niedrigen Strompreise als Hebel nutzen, um indirekt Devisenreserven aufzubauen. Denn Elektrizität kann das Land nur in sehr begrenztem Maße an Nachbarländer verkaufen, Bitcoin könnten dagegen unbegrenzt an den Finanzmärkten der Welt in Hartwährungen wie Dollar und Euro getauscht werden.

Bei all dem bleibt aber die Frage, wie gut die Pläne in der Mining-Industrie des Landes ankommen werden. Um sämtliche digitalen Minen-Aktivitäten zu überwachen, ist ein hoher bürokratischer Aufwand nötig, durch den die Unternehmen gegängelt würden. Außerdem sind die Mining-Betreiber wahrscheinlich nicht sonderlich an einer Weichwährung wie dem Rial interessiert, sondern würden selbst nur Hartwährungen im Austausch für ihre geschürften Coins akzeptieren. Im Endeffekt könnte die Maßnahme nach hinten losgehen und die gerade erst in der Entstehung befindliche Industrie schlichtweg aus dem Land vertreiben.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Panorama
Panorama 100 Jahre Rolltreppe: Aufstieg in 30 Sekunden
13.07.2025

Die Rolltreppe ist allgegenwärtig – und doch übersehen wir oft ihre faszinierende Geschichte. Seit 100 Jahren bewegt sie Menschen durch...

DWN
Technologie
Technologie The bright, bright future ahead (AI): Bringt künstliche Intelligenz uns eine bessere Zukunft?
13.07.2025

Es geht Schlag auf Schlag. Bald, so hört man, haben wir die AGI (artificial general intelligence) und danach kommt die Superintelligence....

DWN
Unternehmen
Unternehmen Geschäftsideen schützen: Mehr Umsatz für Unternehmen mit Patenten und Marken
13.07.2025

Mehr als 50-Prozent mehr Umsatz für kleine und mittlere Unternehmen (KMU), die ihre Innovationen schützen – warum cleverer Schutz der...

DWN
Politik
Politik Patient Pflegeversicherung: Es fehlen Milliarden in den Kassen
13.07.2025

Immer mehr Pflegebedürftige in Deutschland – und die Finanzierungslücke wächst. Der Bundesrechnungshof warnt und spricht von über 12...

DWN
Technologie
Technologie KI als Mobbing-Waffe: Wenn Algorithmen Karrieren zerstören
13.07.2025

Künstliche Intelligenz soll den Arbeitsplatz smarter machen – doch in der Praxis wird sie zum Spion, Zensor und Karriere-Killer. Wer...

DWN
Finanzen
Finanzen Geldanlage: Keine reine Männersache – Geschlechterunterschiede beim Investieren
13.07.2025

Obwohl Frauen in sozialen Medien Finanzwissen teilen und Banken gezielt werben, bleibt das Investieren weiterhin stark männlich geprägt....

DWN
Unternehmen
Unternehmen Renault: Globales KI-System soll helfen, jährlich eine Viertelmilliarde Euro einzusparen
13.07.2025

Produktionsstopps, Transportrisiken, geopolitische Schocks: Renault setzt nun auf ein KI-System, das weltweite Logistik in Echtzeit...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Kaffeepause statt Burn-out: Warum Müßiggang die beste Investition ist
12.07.2025

Wer glaubt, dass mehr Tempo automatisch mehr Erfolg bringt, steuert sein Unternehmen direkt in den Abgrund. Überdrehte Chefs,...