Technologie

Die unbekannten deutschen Väter der Raumfahrt

Die Raumfahrt wurde in den Anfangsjahren maßgeblich von den USA und der Sowjetunion vorangetrieben. Ohne deutsche Vorarbeit wären die Durchbrüche aber nicht möglich gewesen.
28.11.2020 12:56
Aktualisiert: 28.11.2020 12:56
Lesezeit: 8 min
Die unbekannten deutschen Väter der Raumfahrt
Der Pionier des Apollo-Mondfahrtprogrammes, Wernher von Braun. (Foto: dpa) Foto: Bert_Reisfeld

Die Raumfahrt verfolgt heute zwei Ziele – ein wissenschaftliches und ein technologisch-militärisches. So treiben Staaten und Forschungseinrichtungen die Erkundung unseres Sonnensystems sowie weit entfernter Bereiche des Weltalls einerseits stetig voran, um das Verständnis des Menschen vom Kosmos zu vertiefen. Andererseits arbeiten staatliche und privatwirtschaftliche Akteure daran, die erdnahen Bereiche technologisch zu erschließen, um beispielsweise mithilfe von Satelliten Kommunikations-, Vermessungs- und Datenübertragungskapazitäten auf der Erde zu verbessern. Diesem Ziel inhärent ist eine explizit militärische Dimension.

Ein paar Beispiele aus der jüngsten Vergangenheit sollen die Bedeutung des Weltraums als strategisch wichtigen Bereich möglicher künftiger Auseinandersetzungen auf der Erde illustrieren.

So kündigte die NATO vergangenen Monat an, den US-Luftwaffenstützpunkt im pfälzischen Ramstein zu einem Weltraumzentrum auszubauen. Das „Space Center“ solle der Weltraumüberwachung dienen. So könnten künftig Informationen über mögliche Bedrohungen gegen Satelliten zusammenfließen. Denkbar ist auch, dass das Space Center später zu einem Kommandozentrum für Abwehrmaßnahmen ausgebaut werde, sagte Generalsekretär Stoltenberg. Die Planungen der NATO sind Folge der im vergangenen Jahr getroffenen Grundsatzentscheidung, das All zu einem eigenständigen Operationsgebiet zu erklären. Der Beschluss ermöglicht es der NATO zum Beispiel, bei Alliierten für Einsätze die Bereitstellung von Kapazitäten für Satellitenkommunikation oder Bilddatentransfers anzufordern. Zudem hat er dazu geführt, dass in der Allianz noch intensiver darüber diskutiert wird, in welchem Fall mögliche Angriffe aus oder im Weltraum künftig als Bündnisfall behandelt werden sollten.

Medienberichten zufolge will das westliche Militärbündnis darüber hinaus eine Denkfabrik für seine Weltraumaktivitäten aufbauen. „Die NATO hat nicht die Absicht, Waffen im Weltraum zu stationieren, aber wir müssen sicherstellen, dass unsere Missionen und Operationen die passende Unterstützung haben“, sagte Stoltenberg im vergangenen Jahr. Das All sei zum Beispiel für Frühwarnsysteme, die Kommunikation und Navigation von entscheidender Bedeutung. Der Norweger spielte damit darauf an, dass die NATO immer mehr von Technik im All abhängig ist. Über Satelliten läuft die Kommunikation bei Militäreinsätzen, sie werden zur Aufklärung und Spionage sowie für Navigationssysteme genutzt. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass ein Angriff auf Satelliten der NATO-Staaten deren Verteidigungsfähigkeit erheblich einschränken könnte.

Hinzu kommt, dass Angriffe auf Satelliten im Fall eines Krieges genutzt werden könnten, um Teile des öffentlichen Lebens lahmzulegen. So könnten zum Beispiel die Abwicklung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs oder Navigationssysteme für den Straßen-, See- und Luftverkehr schwer beeinträchtigt werden.

Bereits 2019 hatten die US-Streitkräfte ein neues Führungskommando für Einsätze im Weltraum in Betrieb genommen. „Wenn es darum geht, Amerika zu verteidigen, reicht es nicht, nur eine amerikanische Präsenz im Weltraum zu haben“, sagte US-Präsident Donald Trump damals. „Wir müssen amerikanische Vorherrschaft im Weltall haben.“ Die „Feinde der USA“ könnten in der Umlaufbahn der Erde mit neuer Technologie Satelliten angreifen, die „entscheidend sind für unsere Einsätze auf dem Schlachtfeld und für unser Leben zu Hause.“

Neben den USA hatten auch Russland, China und Indien ihre Fähigkeiten im Weltraum in den vergangenen Jahren erheblich ausgebaut. So sorgte Russland in diesem Jahr mit mehreren Tests von Anti-Satelliten-Waffen für Aufsehen, nachdem Indien im vergangenen Jahr durch das Abschießen eines eigenen Satelliten erfolgreich eine Anti-Satelliten-Rakete getestet hatte.

Auch die deutsche Luftwaffe hatte vor einigen Wochen im nordrhein-westfälischen Uedem ein neues Weltraumoperationszentrum in Dienst gestellt. Das sogenannte Air and Space Operations Centre (ASOC) soll vor allem helfen, Satelliten vor Störungen und Angriffen zu schützen und auch Flugkörper zu beobachten, die beim Wiedereintritt in die Atmosphäre zur Gefahr für besiedelte Gebiete werden können. Es beobachtet und katalogisiert dazu Weltraumobjekte und den sogenannten Weltraummüll. Europas Raumfahrtchef Jan Wörner warnte indes vor einer Aufrüstung im Weltraum. „Ich sehe größere militärische Bewegungen im All skeptisch“, sagte er. Eine Militarisierung des Kosmos sei kein Fortschritt – schon gar nicht für die Raumfahrt. „Das kann das Vertrauen zerstören, das im All für eine internationale Zusammenarbeit nötig ist“, sagte der Leiter der Europäischen Raumfahrtbehörde.

Die 1940er Jahre: Deutsche Technik initiiert die Raumfahrt

Blickt man zurück zu den Anfängen der Raumfahrt in den 1940er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, kommt man nicht umhin, die fundamentale Bedeutung deutscher Ingenieure und Techniker zu betonen. Denn die Weltraum-Pioniere Sowjetunion und USA griffen massiv auf das Wissen deutscher Ingenieure und auf technologische Konzepte und Baupläne zurück, welche in der Zeit des Nationalsozialismus in der Heeresversuchsanstalt Peenemünde entwickelt worden waren.

Die Amerikaner rekrutierten mit Wernher von Braun den späteren Hauptorganisator des Apollo-Mondfahrprogramms und brachten ihn zusammen mit wichtigen Mitarbeitern in die USA, wo die Gruppe und ihr Know-How zur Kernzelle des amerikanischen Weltraum-Programms wurde. Spiegelbildlich dazu rekrutierten auch die Sowjets zahlreiche Wissenschaftler und Ingenieure aus dem Standort Peenemünde und brachten sie in die Sowjetunion. Die in Peenemünde erarbeiteten technologischen Vorleistungen und Konzepte wurden in den folgenden Jahrzehnten von beiden Parteien des Kalten Krieges weiterentwickelt, wobei die deutsche Rakete Aggregat 4 (A4 – deren Technologie von den Nationalsozialisten in Form der V2-Rakete schon militärisch eingesetzt wurde) als Basis für die Raketentechnologien sowohl der Amerikaner als auch der Sowjets diente.

In die 1940er Jahre des 20. Jahrhunderts fällt der Beginn der Raumfahrt, als erstmals die Grenzen zum All überwunden wurden. Eine im Juni 1944 bei Peenemünde abgefeuerte A4-Rakete war mit einer maximalen Flughöhe von rund 175 Kilometern höchstwahrscheinlich das erste künstliche Objekt, welches jemals das All erreichte. Die Grenze zwischen Erdatmosphäre und freiem Weltraum (sogenannte Kármán-Linie) wird im Allgemeinen bei einer Höhe von 100 Kilometern verortet.

Ab Mitte der 40er Jahre feierten amerikanische und sowjetische Forscher dann schrittweise neue Durchbrüche:

1946: erste Fotographie der Erde aus dem All, erstellt an Bord einer amerikanischen A4-Rakete.

1947: ebenfalls mit einer auf deutscher Technologie basierenden amerikanischen A4-Rakete wurden im Februar Fruchtfliegen und damit die ersten irdischen Lebewesen überhaupt ins All gebracht.

1949: der an Bord einer amerikanischen Rakete ins All geschossene Rhesusaffe Albert II. war das erste Säugetier im All, erreichte aber noch nicht die Erdumlaufbahn.

Der „Sputnik-Schock“ und seine Folgen

Das Jahr 1957 markierte im Rückblick betrachtet einen Einschnitt der Entwicklung der Raumfahrt. Waren in den 1940er Jahren den Amerikanern die ersten Pionier-Erfolge vergönnt gewesen, so wendete sich – zumindest in der medialen Darstellung in den USA – nun das Blatt und das Land büßte den (angenommenen) technologischen Vorsprung gegenüber der Sowjetunion ein. Innerhalb weniger Wochen brachten die Sowjets im Herbst 1957 mit dem Satelliten „Sputnik I“ nicht nur den ersten künstlichen Erdtrabanten in die Erdumlaufbahn, sondern schossen mit der Hündin Laika auch das erste Lebewesen in die Umlaufbahn.

Am Beispiel des von amerikanischen Medien diagnostizierten „Sputnik-Schocks“ lässt sich gut darstellen, welche Stellung die Raumfahrt innerhalb des Kalten Krieges einnahm. Die amerikanischen Erfolge der späten 40er Jahre waren aus Sicht vieler Beobachter im Westen mehr oder weniger natürlicherweise eine Folge der generellen Überlegenheit des demokratischen und kapitalistischen Systems des Westens über den Sozialismus. Dieses sei aufgrund der freien Entfesselung der Kreativkräfte der Menschen eben auch im Bereich der Wissenschaft leistungsfähiger als das auf Zwang basierende Sowjet-System, so das Credo.

Die Sputnik-Episode und der damit erbrachte Beweis, dass auch das sozialistische Gesellschaftsmodell im Osten zu großen technologischen Leistungen fähig ist, wurde in den USA von vielen Medien in ihrer Bedeutung bewusst überdramatisiert und dazu genutzt, die Forderungen nach einer massiven Mobilisierung finanzieller und wissenschaftlicher Kapazitäten zu begründen. So war nicht nur von einem Rückstand im Bereich der Bildung und der Raketentechnologie die Rede, sondern der sowjetische Durchbruch im Bereich der Satellitentechnologie wurde auch häufig mit dem japanischen Überraschungsangriff auf die US-Pazifikflotte in Pearl Harbor Ende 1941 verglichen. Tatsächlich zeigte die Positionierung des rund 500 Kilogramm schweren Sputnik I in der Erdumlaufbahn, dass die UdSSR nun über die Möglichkeit verfügte, große Sprengköpfe über weite Strecken mithilfe von Interkontinentalraketen zu transportieren.

Die amerikanische Politik handelte mit einer großangelegten Initiative, von der Forschungseinrichtungen, Universitäten und nicht zuletzt die Streitkräfte massiv finanziell und organisatorisch profitierten. Bleibende Resultate der in den Jahren nach 1957 erfolgten Kraftanstrengung in Amerika sind beispielsweise die bis heute bestehenden (Weltraum- und Hochtechnologie-)Organisationen NASA und DARPA.

1960er Jahre: Aus dem Rennen ins All wird das Rennen zum Mond

Die durch den „Sputnik-Schock“ aufgezeigte Rückständigkeit schien sich aus Sicht der Amerikaner zu bewahrheiten, als im Jahr 1961 mit dem Russen Juri Gagarin zum ersten Mal überhaupt ein Mensch ins Weltall flog. Auffallend ist jedoch, dass jeweils von den Sowjets aufgestellte Pionierleistungen bis Mitte der 1960er Jahre schnell auch von den USA nachgeholt werden konnten, was auf eine Annäherung der Möglichkeiten beider Seiten hindeutet.

So wurde nur rund einen Monat nach Gagarin der Amerikaner Alan Shepard ins All geschossen, erreichte aber nicht wie Gagarin die Erdumlaufbahn. Dies gelang aber bereits im Folgejahr dem US-Astronauten John Glenn.

Den großen Erfolg des ersten Außenbordeinsatzes in der Geschichte (Verlassen des Raumschiffs und Sicherung durch eine Leine) feierte im Jahr 1965 dann mit Alexei Leonow wieder ein russischer Kosmonaut, drei Monate später führte der US-Astronaut Edward White aber bereits dasselbe Manöver durch.

Im Rückblick betrachtet ging die Initiative ab Mitte der 60er Jahre auf die Amerikaner über. So umrundeten im Dezember 1968 erstmals drei Astronauten mit der Raumfähre Apollo 8 den Mond und im Juli 1969 betrat mit Neil Armstrong erstmals ein Mensch den Erdtrabanten. Die Sowjetunion stellte ihre Pläne einer bemannten Mondlandung danach ein.

Die Landung auf dem Mond elektrisierte die Massen – und zwar weltweit. Bis zu 600 Millionen Menschen auf der ganzen Erde sollen die Landung Schätzungen zufolge live im Fernsehen verfolgt haben. Die berühmten Worte Armstrongs in Verbindung mit den unwirklichen schwarzweißen Livebildern vom Mond waren ein Medienspektakel erster Güte und wurden von Anfang an als Teil der amerikanischen Propaganda geplant und durchgeführt. So gab die NASA bereits 1964 den Bau jener Fernsehkamera in Auftrag, welche an der Mondfähre Eagle montiert war und die Bilder der Mondspaziergänge von Neil Armstrong und Buzz Aldrin aufnahm. Die Sowjetunion und ihr angeschlossene Staaten wie die DDR hielten sich bei der Berichterstattung der Mondlandung deutlich zurück.

Lesen Sie morgen:

"Der Weltraum - Experimentierfeld der Großmächte für Kooperation und Frieden"

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