Die Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft von Importen aus China schnellt im Corona-Jahr 2020 auf Rekordhöhe. Von Januar bis September wuchs ihr Anteil an den gesamten Einfuhren auf gut 11,3 Prozent, wie aus Daten des Statistischen Bundesamtes hervorgeht. Der bisherige Rekordwert wurde 2019 erreicht, als im Gesamtjahr knapp zehn Prozent der Warenlieferungen aus der Volksrepublik kamen. In den ersten neun Monaten 2020 wuchsen die Einfuhren aus China gegen den Trend um mehr als fünf Prozent auf 85,2 Milliarden Euro. Dagegen brachen die gesamten deutschen Importe wegen der schwächeren Nachfrage aufgrund der Corona-Rezession um 9,3 Prozent auf 751,1 Milliarden Euro ein.
"Der Importzuwachs aus China liegt zum einen an einer erhöhten Nachfrage nach medizinischer Ausrüstung, die im Zuge der Pandemie-Bekämpfung benötigt wurde und wird", sagte der Chefvolkswirt des Mercator Institute for China Studies (Merics), Max Zenglein. "Ein weiterer wesentlicher Grund ist der gestiegene Bedarf an Elektronik, weil so viele Arbeitnehmer ins Homeoffice gewechselt sind."
Der Außenhandelsverband BGA befürwortet eine stärkere Diversifizierung. "Es bleibt abzuwarten, wie sich die Importzahlen entwickeln, wenn die Pandemie vorbei ist und die Lieferketten weltweit wieder funktionieren", sagte BGA-Präsident Anton Börner, der Warnungen vor einer verstärkten Abhängigkeit von China aktuell für übertrieben hält. "Gleichwohl haben die Corona-Pandemie und der Handelskonflikt zwischen den USA und China gezeigt, dass eine stärkere Diversifizierung von Lieferketten unbedingt notwendig ist." Dies heiße aber nicht zwangsläufig Europäisierung oder gar Nationalisierung, sondern Vielfalt. Dazu sollte das europäische Netz von Freihandelsabkommen ausgebaut werden.
Ähnlich sieht das Merics-Experte Zenglein. "Disruptionen von globalen Lieferketten stellen jedes Unternehmen vor Herausforderungen, aber insgesamt gesehen ist die Abhängigkeit Deutschlands von Warenlieferungen aus China eher gering", sagte der Chefvolkswirt. Zwar gebe es Ausnahmen - etwa bei einigen Zwischenprodukten wie pharmazeutischen Vorprodukten oder elektronischen Bauteilen. Im Wesentlichen aber würden vor allem Konsumgüter und Elektronik importiert.
Dennoch rät der Experte der Bundesregierung, die Entwicklung des China-Geschäfts im Auge zu behalten. "In Anbetracht der wachsenden politischen Risiken, denen globalen Lieferketten ausgesetzt sind, ist es ratsam, ein wachsames Monitoring der möglichen Schwachstellen zu haben", sagte Zenglein. Dazu gehöre die Klassifizierung von Waren, die für Industrie, Sicherheit und Gesundheitswesen besonders wichtig seien. "Insbesondere für diese kritischen Güter sollte zwingend auf eine Lieferketten-Diversifikation hingearbeitet werden."