Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer plädiert für mehr Verantwortung Europas in der Welt, hält zugleich eine Unabhängigkeit von den USA in Sicherheitsfragen aber für nicht absehbar. "Die Idee einer strategischen Autonomie Europas geht zu weit, wenn sie die Illusion nährt, wir könnten Sicherheit, Stabilität und Wohlstand in Europa ohne die NATO und ohne die USA gewährleisten", sagte die CDU-Vorsitzende in einer Grundsatzrede an der Bundeswehr-Universität in Hamburg am heutigen Dienstag. Sie reagierte damit auch auf Kritik von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der Europas Verhältnis mit den USA (das Macron als "Abhängigkeit" bezeichnet) infrage stellt.
Was Kramp-Karrenbauer sagt
Kramp-Karrenbauer sagte, es sei gut, "dass es heute über die politischen Lager hinweg einen Konsens für mehr Verantwortung Deutschlands und Europas gibt". Der Ausgang der US-Wahl mit dem Sieg des Demokraten Joe Biden eröffne Europa neue Chancen, stelle zugleich aber auch neue Herausforderungen dar, auch in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik. "Jetzt können wir Europäer zeigen, dass wir und wie wir diese Chance nutzen wollen", betonte die Ministerin. Wichtigster Verbündeter in diesen Fragen blieben aber die USA. "Und sie werden es auf absehbare Zeit auch bleiben. Ohne die nuklearen und konventionellen Fähigkeiten Amerikas können Deutschland und Europa sich nicht schützen. Das sind die nüchternen Fakten."
Macrons Meinung
Macron hatte in einem am Montag veröffentlichten Interview mit der Zeitung "le grand continent" gesagt, er teile die Meinung Kramp-Karrenbauers bei Sicherheitsfragen "ganz und gar nicht" - ihre Aussagen kämen einer "Fehlinterpretation der europäischen Geschichte" gleich (Macron bezog sich auf einen Gastbeitrag der Verteidigungsministerin im amerikanischen Politikmagazin "Politico"). In dem Interview sprach Macron (der ein vehementer Verfechter einer eigenen europäischen Armee ist) ausführlich über eine europäische Souveränität, erwähnte dabei die Zusammenarbeit mit den USA aber kaum.
Gemeinsame Linie - oder weiterer Schlagabtausch?
Es sei kein Widerspruch, eng mit den USA zusammenzuarbeiten und gleichzeitig die EU zu einem "eigenständigeren Handeln" zu befähigen, so Macron. Kramp-Karrenbauer stimmte diesem Punkt am Dienstag zu: "Wir wollen, dass Europa für die USA starker Partner auf Augenhöhe ist und kein hilfsbedürftiger Schützling", sagte sie. Und weiter: "Der neue amerikanische Präsident Joe Biden muss sehen und spüren, dass wir genau das anstreben." Gibt es also doch eine gemeinsame Linie der beiden Kontrahenten?
Sollte der Schlagabtausch allerdings weitergehen, ist jetzt Macron wieder am Zug.