Polens Regierung hat den Vorschlag von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zurückgewiesen, den Rechtsstaatsmechanismus vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) prüfen zu lassen. Die EU-Verträge würden klar regeln, dass der EuGH dazu keine Kompetenz habe, sagte Justizminister Zbigniew Ziobro am Mittwoch in Warschau. Der Vorschlag der EU-Kommissionspräsidentin sei daher „demagogisch“. Er habe den Eindruck, von der Leyen handele in „böser Absicht“.
Von der Leyen hatte Polen und Ungarn zur Aufgabe der Blockade der milliardenschweren Corona-Konjunkturpakete und des langfristigen EU-Haushalts aufgefordert. Im Zweifelsfall sollten die Länder lieber vor den Europäischen Gerichtshof ziehen und dort den von ihnen kritisierten Rechtsstaatsmechanismus auf Herz und Nieren prüfen lassen, sagte sie am Mittwoch im Europäischen Parlament.
Der Ton wird rauer
Ziobro sagte weiter, als „Vertreterin des deutschen Volkes“ müsse von der Leyen besonders darauf achten, dass die Handlungen mit dem Buchstaben des Gesetzes übereinstimmen. „Die nicht so weit zurückliegende Geschichte zeigt, dass diejenigen, die das Recht brachen - wobei sie auch im Rahmen demokratischer Mechanismen handelten - Konsequenzen herbeiführten, die Europa bis heute sehr schmerzhaft erinnert“, sagte Ziobro in Anspielung auf die Nazi-Zeit und den Zweiten Weltkrieg.
Ungarn und Polen hatten in der vergangenen Woche aus Protest gegen ein neues Verfahren zur Ahndung von angeblichen Verstößen gegen die „Rechtsstaatlichkeit“ mit einem Veto verhindert, dass der politische Entscheidungsprozess für das EU-Finanzpaket wie geplant fortgesetzt werden kann. Betroffen ist neben den geplanten Corona-Schulden- und Zuschusspaketen im Umfang von bis zu 750 Milliarden Euro auch der langfristige EU-Haushalt. Er umfasst für die nächsten sieben Jahre Mittel in Höhe von knapp 1,1 Billionen Euro.
Scharfe Replik auch aus Ungarn
Bemerkenswert sind auch Stimmen aus Ungarn. Zu der auch von Ungarn abgelehnten Verknüpfung von EU-Auszahlungen mit dem schwammigen Begriff des „Respekts vor dem Rechtsstaat“ schreibt die regierungsnahe Budapester Tageszeitung Magyar Nemzet am Samstag:
„Die Rechtsstaatlichkeit ist der Union zufolge irgendein nicht fassbarer, abstrakter Begriff, eine Art Knüppel, ähnlich wie die nirgendwo niedergeschriebenen, ständig sich ändernden Gemeinschaftsrichtlinien bei Facebook. Es ist eine Waffe, die man zur Reglementierung der Rechten erfunden hat und die man ausschließlich zur Mundtotmachung und Bestrafung rechts-konservativ eingestellter Menschen verwendet.
Es wird immer deutlicher, dass in den Augen der linken Unionspolitiker heutzutage der Rechtsstaat nur dort ist, wo die LGBTI-Rechte (von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender und intergeschlechtlichen Menschen) ausgeweitet, wo Migranten unbegrenzt aufgenommen, wo für die aus Schwarzafrika und dem Nahen Osten kommenden Eroberer und Glücksritter legale Migrationswege eingerichtet werden. Das war aber nicht immer so. Als wir der EU (im Jahr 2004) beitraten, waren die Definitionen des Rechtsstaates bestimmt ganz andere.“
Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban regt an, die Frage der Rechtsstaatlichkeit unabhängig zu behandeln. „Die in Not geratenen Länder wollen schnell Geld – geben wir das Geld“, sagte Orban in einem am Mittwoch veröffentlichtem Interview mit der Zeit. „Andere Länder wollen neue Rechtsstaatlichkeitsregeln – in Ordnung, diskutieren wir darüber. Die erste Sache müssen wir sofort machen, die zweite Sache ist weniger eilig.“ Deutschland trage als amtierende EU-Ratspräsidentschaft die Verantwortung für die gegenwärtige Blockade, von der auch die Auszahlung von Milliardenhilfen zur Überwindung der Folgen der Coronavirus-Pandemie betroffen ist.