Finanzen

Geldpolitik der EZB zwingt Lebensversicherer, den Garantiezins deutlich zu senken

Lesezeit: 3 min
02.12.2020 12:08  Aktualisiert: 02.12.2020 12:08
Verbraucher, die in Zukunft eine Lebensversicherung abschließen wollen, werden einen deutlich geringeren Garantiezins erhalten. Denn die Versicherer haben ihren alten Kunden zu viel versprochen, und auch die Politik trägt einen erheblichen Teil der Verantwortung.

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Sinkende Zinsen und abschmelzende Garantien: Die Zinsflaute hält den Altersvorsorgeklassiker Lebensversicherung fest im Griff. Im kommenden Jahr dürfte die laufende Verzinsung Branchenexperten zufolge im Schnitt weiter sinken. Verbraucher müssen sich darauf einstellen, am Ende weniger herauszubekommen, als sie zunächst erhofft hatten. Für Neuverträge empfehlen Versicherungsmathematiker ab Anfang 2022 zudem eine Senkung des Garantiezinses. Das hätte auch Folgen für künftige Riester-Verträge.

Branchenexperte Lars Heermann von der Ratingagentur Assekurata rechnet im kommenden Jahr mit einem Rückgang der laufenden Verzinsung bei Kapitalebenversicherungen und privaten Rentenversicherungen mit Garantiezins auf durchschnittlich 2,10 bis 2,15 Prozent nach im Schnitt noch 2,29 Prozent in diesem Jahr. Bei Altersvorsorgeprodukten mit abgespeckter Garantie könnten es im kommenden Jahr durchschnittlich 2,15 bis 2,20 Prozent sein. Das ist allerdings immer noch mehr als bei vielen anderen Sparprodukten. Zum Teil müssen Verbraucher bei größeren Summen auf dem Girokonto sogar Negativzinsen zahlen.

Die ersten der rund 80 Lebensversicherer haben ihre Erklärungen für 2021 veröffentlicht. So senken der deutsche Branchenprimus Allianz Leben und die Axa die laufende Verzinsung. Andere wie die Alte Leipziger und die Nürnberger Lebensversicherungs AG halten sie im kommenden Jahr stabil.

Kunden mit alten Verträgen profitieren vielfach noch von einem Garantiezins von bis zu 4 Prozent. Für die Branche ist das ein Problem, weil sie in der Zinsflaute die hohen Versprechen der Vergangenheit erfüllen muss. Staatsanleihen mit guter Bewertung, die als sicher gelten, werfen jedoch so gut wie nichts mehr ab. Teilweise zahlen Anleger sogar drauf. "Durch die Geldflut von Notenbanken und Regierungen in der Corona-Krise wird das Zinsniveau auf dem historischen Vorjahrestiefpunkt zementiert", sagte Heermann.

Legen Versicherer das Geld in riskanteren Papieren mit höheren Zinsen an, müssen sie mehr Eigenmittel vorhalten. "Dazu ist aber eine gewisse finanzielle Stärke erforderlich", sagte Heermann. "Wir müssen uns an die neuen Zinsrealitäten gewöhnen. Die Branche braucht Produkte, die dem Rechnung tragen."

Lediglich 24 der rund 80 Unternehmen bieten dem Experten zufolge in diesem Jahr noch klassische Produkte mit Höchstrechnungszins im Neugeschäft an. Viele Assekuranzen setzen inzwischen auf Verträge, die lediglich den Erhalt der eingezahlten Beiträge ganz oder teilweise zusagen. Dafür sollen sie eine etwas höhere Rendite abwerfen.

Die laufende Verzinsung setzt sich aus dem Garantiezins und der Überschussbeteiligung zusammen. Über die Höhe der Überschussbeteiligung entscheiden die Versicherer je nach Wirtschaftslage und Erfolg ihrer Anlagestrategie jedes Jahr neu. Die laufende Verzinsung bezieht sich nur auf den Sparanteil, den der Versicherer nach Abzug von Abschluss- und Verwaltungskosten sowie dem Beitrag für einen Todesfallschutz anlegt.

Verbraucher, die in Zukunft eine Lebensversicherung abschließen wollen, müssen sich auf einen deutlich geringeren Garantiezins einstellen. "Wir schlagen dem Bundesfinanzministerium vor, den Höchstrechnungszins ab 1. Januar 2022 für Neuverträge auf 0,25 Prozent festzulegen", sagte der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV), Guido Bader. Seit 2017 liegt der Garantiezins - auch Höchstrechnungszins genannt - bei 0,9 Prozent.

Der Höchstrechnungszins soll verhindern, dass sich Versicherer mit Garantieversprechen übernehmen. Sie dürfen Neukunden weniger aber nicht mehr bieten. Die Anpassungen gelten jeweils nur für Neuverträge, die nach der Änderung abgeschlossen werden.

Die endgültige Entscheidung über den Garantiezins trifft das Bundesfinanzministerium auf Grundlage der DAV-Berechnungen und Empfehlungen der Finanzaufsicht Bafin. Folgen hätte eine Senkung vor allem für neue Riesterverträge. Eingezahlte Eigenbeiträge und staatliche Zulagen müssen bei dem Zusatzplus fürs Alter zu 100 Prozent garantiert werden. Dies ist Branchenexperten zufolge angesichts der Kosten für die Riester-Rente schon mit einem Höchstrechnungszins von 0,5 Prozent nicht mehr darstellbar.

Die Versicherungsmathematiker schlagen vor, den vollständigen Beitragserhalt bei der Riester-Rente sowie der Beitragszusage mit Mindestleistung in der betrieblichen Altersversorgung zu reformieren und die Garantien zu senken. "Wir appellieren eindringlich an das Bundesfinanzministerium, bis spätestens Ende März zu entscheiden", sagte Bader. "Je geringer die Garantien sind, desto stärker können Versicherer in etwas riskantere Kapitalanlagen investieren. Damit haben Versicherte Chancen auf eine höhere Verzinsung von Altersvorsorgeprodukten." Aus Sicht der Aktuare wäre eine Verringerung der Beitragsgarantie bei künftigen Riester-Verträgen auf 80 Prozent angemessen.

Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer des Versicherungsverbandes GDV forderte: "Der Gesetzgeber sollte nun schnell eine Riester-Reform auf den Weg bringen." Union und SPD hatten sich im Koalitionsvertrag darauf verständigt, die private Altersvorsorge weiterzuentwickeln. Finanzstaatssekretär Jörg Kukies hatte jüngst bei einer "Handelsblatt"-Tagung den Angaben zufolge angekündigt mit einem Reformvorschlag zu Riester sei in Kürze zu rechnen.


Mehr zum Thema:  

Jede Anlage am Kapitalmarkt ist mit Chancen und Risiken behaftet. Der Wert der genannten Aktien, ETFs oder Investmentfonds unterliegt auf dem Markt Schwankungen. Der Kurs der Anlagen kann steigen oder fallen. Im äußersten Fall kann es zu einem vollständigen Verlust des angelegten Betrages kommen. Mehr Informationen finden Sie in den jeweiligen Unterlagen und insbesondere in den Prospekten der Kapitalverwaltungsgesellschaften.

DWN
Unternehmen
Unternehmen Bosch kürzt 5.550 Stellen - 3.800 davon in Deutschland
22.11.2024

Bosch steht vor massiven Einschnitten: Bis zu 5.550 Stellen sollen wegfallen, davon allein 3.800 in Deutschland. Die Krise in der...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis-Prognose 2025: Nach Kurskorrektur steigt der Goldpreis aktuell - wohin geht die Reise?
22.11.2024

Der Goldpreis steht derzeit im Fokus von Anlegern und Edelmetallexperten. Gerade in unsicheren Zeiten wollen viele Investoren Gold kaufen,...

DWN
Politik
Politik Iranisches Atomprogramm: Teheran will mehr Uran anreichern
22.11.2024

Droht der Iran dem Westen mit neuen Atomwaffen? Die IAEA warnt, Teheran wehrt sich – und eskaliert die Urananreicherung. Jetzt könnten...

DWN
Politik
Politik Dauerbaustelle Autobahn: Sie stehen hier im Stau, weil sich Verkehrsminister Volker Wissing verrechnet hat
22.11.2024

Wenn man im Sommer entspannt durch Frankreich oder Italien über die Autobahnen gleitet, fragt man sich jedesmal aufs Neue: Warum müssen...

DWN
Politik
Politik Krankenhausreform kommt: Lauterbachs Reform passiert den Bundesrat
22.11.2024

Karl Lauterbach freut sich: Der Bundesrat hat das sogenannte "Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz" gebilligt, das Herzensprojekt des...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Rezession droht im Winter, Euro ist im Sinkflug: Was sind die Gründe?
22.11.2024

Stagnation der deutschen Wirtschaft, ein schwächelnder Euro, miese Stimmung in den Unternehmen: Ökonomen befürchten eine...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoins-Prognose: Kryptowährung mit Rekordhoch nahe 100.000 Dollar - wie geht's weiter?
22.11.2024

Ein Bitcoin-Rekordhoch nach dem anderen - am Freitagmorgen kletterte der Bitcoin-Kurs erstmals über 99.000 US-Dollar. Seit dem Sieg von...

DWN
Panorama
Panorama Merkel-Memoiren „Freiheit“: Wie die Ex-Kanzlerin ihre politischen Erinnerungen schönschreibt
22.11.2024

Biden geht, Trump kommt! Wer auf Scholz folgt, ist zwar noch unklar. Dafür steht das Polit-Comeback des Jahres auf der Tagesordnung: Ab...