Politik

Die Türkei lässt sich von China in die Falle locken - schuld ist die EU

Nicht nur das World Economic Forum und westliche Investoren, sondern auch die Türkei klüngelt mit der Kommunistischen Partei Chinas. An dieser Entwicklung trägt die EU eine gehörige Mitschuld - indem sie die Türkei von oben herab behandelt, treibt sie das Land geradezu in die Arme der Volksrepublik und setzt damit ihre eigene Zukunft aufs Spiel. Ein meinungsstarker Kommentar von Georg F. Colin - über den sich trefflich streiten lässt.
16.12.2020 15:08
Aktualisiert: 16.12.2020 15:08
Lesezeit: 2 min
Die Türkei lässt sich von China in die Falle locken - schuld ist die EU
Chinas Präsident Xi Jinping (r) begrüßt am 13.05.2017 in Peking den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan im Vorfeld des Gipfeltreffens zur «Neuen Seidenstraße». (Foto: dpa)

China ist ein Land, in dem es zwar keine Freiheits- und Menschenrechte gibt, das jedoch über Unmengen an Dollars verfügt, die weltweit investiert werden können. Die Volksrepublik will im Rahmen ihres Projekts der Neuen Seidenstraße Asien, den Nahen Osten und Europa miteinander verbinden - angeblich, um in all diesen Regionen „Frieden und Wohlstand“ zu schaffen. In Wahrheit liegen der Handels- und Infrastruktur-Route jedoch knallharte imperiale Ambitionen zugrunde - doch das verschweigt Peking wohlweislich.

Eine wichtige Rolle bei dem Projekt soll die Türkei spielen. Tatsächlich ist die aktuelle Regierung in Ankara dabei, sich China zuzuwenden, um gemeinsam mit Großbritannien am Aufbau der Neuen Seidenstraße mitzuwirken. Dieser Ansatz hat einen finanziellen Hintergrund. Die türkische Regierung versucht, chinesische Investitionen in Milliardenhöhe anzuziehen, um das türkische BIP anzukurbeln. Die neue geopolitische Ausrichtung der Türkei lässt sich auch an der Tatsache erkennen, dass die türkische Regierung auf den Corona-Impfstoff aus China setzt.

Die Hinwendung nach China hat allerdings nicht nur wirtschaftliche, sondern auch politische Hintergründe. Die Türkei wird von ihren westlichen Verbündeten sehr stiefmütterlich behandelt. Bei den Streitpunkten um das östliche Mittelmeer, um Zypern, um Syrien und bei allen anderen Fragen der Energie- und Außenpolitik verfolgt die EU eine Politik der Eindämmung gegenüber dem Land am Bosporus. Dies wird in der Türkei als mehr oder minder offene Feindseligkeit empfunden, was zwangsläufig dazu führt, dass sie sich politisch anderweitig orientiert – nämlich in Richtung Peking. China nutzt das gestörte Verhältnis zwischen der EU und Ankara geschickt dergestalt aus, um seinen Einfluss in der gesamten Region rund um die Türkei auszuweiten.

Vorwerfen muss man Ankara, dass es seine Beziehungen zu Peking auf Kosten der Uiguren ausbaut. Die Uiguren sind ein Turkvolk mit engen kulturellen und sprachlichen Beziehungen in die Türkei. Ihre Heimat befindet sich im Westen Chinas. All die Menschenrechtsverletzungen und repressiven Maßnahmen gegen das Brudervolk lassen die Türkei jedoch kalt, weil ihr mittlerweile die Optionen ausgegangen sind. Wobei eine große Schuld an dieser Misere, die den Aufstieg Chinas beschleunigen wird, die EU trägt - sie hat nämlich immer noch nicht verstanden, dass sie es mit einer anderen Türkei als vor 57 Jahren zu tun hat (im Jahr 1963 wurde das Ankara-Abkommen zwischen der Türkei und der EWG unterzeichnet).

Die Häme, mit der die EU die Türkei - genau wie übrigens auch eine Reihe von europäischen Staaten - behandelt, könnte sich in wenigen Jahren sehr negativ auf die Union auswirken. Denn der Dissens zwischen ihr und der Türkei eröffnet dem Reich der Mitte im Südosten Europas eine Flanke, in die es hineinstoßen kann. Und dort, wo sich der asiatische Riese erst einmal festgesetzt hat, kann er kaum noch vertrieben werden.

Auffällig ist übrigens dies: Die europäischen Politiker, die der Türkei vorwerfen, eine Autokratie zu sein, halten sich bedeckt, wenn das kommunistische Regime in Fernost mal wieder schamlos jedwede Rechtsstaatlichkeit vermissen lässt. Mit dem Regime in Peking will man es sich schließlich nicht verderben, hält daher liebdienerisch den Mund und übt sich im Kotau.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Friedland: Abgelehnte Asylbewerber stößt 16-Jährige vor einen Zug – Gericht wirft Ausländerbehörde Fehler vor
03.09.2025

Ein 31-jähriger Iraker soll ein 16-jähriges Mädchen in Niedersachsen getötet haben. Die Behörden wollten den abgelehnten Asylbewerber...

DWN
Finanzen
Finanzen Altersvorsorge: Selbstständige zweifeln an finanzieller Absicherung fürs Alter
03.09.2025

Gut abgesichert im Alter? Mehr als die Hälfte der Solo-Selbstständigen und Kleinstunternehmer in Deutschland haben Zweifel, ob ihre...

DWN
Technologie
Technologie ChatGPT-Störung: Das KI-Chatmodell von OpenAI ist down – das können Sie tun
03.09.2025

Eine ChatGPT-Störung macht die Nutzung des KI-Sprachmodells von OpenAI aktuell nicht möglich. ChatGPT reagiert weder auf Eingaben noch...

DWN
Politik
Politik Nawrocki trifft Trump: Polens Präsident reist zu Trump - Sorge um Kurs in Europa
03.09.2025

Seine erste Auslandsreise im neuen Amt führt Polens Staatschef Karol Nawrocki zu US-Präsident Donald Trump ins Weiße Haus. Wichtigstes...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis erreicht historisches Rekordhoch: Was treibt den Kurs und wie sollten Anleger reagieren?
03.09.2025

Der Goldpreis klettert unaufhaltsam auf neue Rekordhöhen und fesselt die Anleger. Doch was treibt den Kurs des gelben Edelmetalls wirklich...

DWN
Politik
Politik Netzentgelte: Strompaket im Kabinett - Spüren Verbraucher bald Entlastungen?
03.09.2025

Das Bundeskabinett will wichtige Vorhaben in der Energiepolitik beschließen. Eine Senkung der Stromsteuer für alle soll es aber vorerst...

DWN
Politik
Politik AfD-Todesfälle vor der NRW-Wahl: Polizei schließt Straftaten aus
03.09.2025

Mittlerweile sechs AfD-Kandidaten sterben kurz vor der NRW-Wahl am 14. September. Die Polizei hat die Fälle untersucht – und schließt...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Inflation in der Eurozone steigt im August auf 2,1 Prozent
03.09.2025

Die Inflation in der Eurozone steigt im August auf 2,1 Prozent. Für Deutschland könnte das höhere Zinsen bedeuten – mit Folgen für...