Wirtschaft

Chaos in den Häfen, höhere Preise: Großbritannien spürt die ersten Auswirkungen des Brexit

Das derzeitige Chaos in den Häfen des Landes dürfte sich legen, mit höheren Preisen müssen die Briten aber dauerhaft rechnen.
18.12.2020 09:00
Lesezeit: 3 min
Chaos in den Häfen, höhere Preise: Großbritannien spürt die ersten Auswirkungen des Brexit
Lastwagen stehen Schlange, um in den Hafen von Dover in Kent einzufahren. (Foto: dpa) Foto: Gareth Fuller

Wegen der chaotischen Zustände in den britischen Häfen warnen Handelsverbände vor höheren Preisen sowie verzögerten Lieferungen vor Weihnachten. Nach einem herausfordernden Jahr seien die Unternehmen nicht in der Lage, höhere Lieferkosten auszugleichen, sagte die Chefin des Handelsverbandes BRC, Helen Dickinson, einer Mitteilung vom Donnerstag zufolge. "Die Zeche zahlen die Verbraucher." Weihnachtspakete könnten sich verspäten und Händlern bleibe keine andere Wahl, als die Preise zu erhöhen. Gemeinsam mit dem Verband der Lebensmittel- und Getränkehersteller FDF forderte der BRC das Parlament zu einer Untersuchung der Lage auf.

An den britischen Häfen wie dem wichtigen Containerhafen Felixstowe an der Nordsee und Southampton am Ärmelkanal stauen sich seit Wochen die Container. Der Grund sind einerseits Verzögerungen wegen der Corona-Krise. Andererseits versuchen viele Unternehmen, vor Ablauf der Brexit-Übergangsphase am 31. Dezember ihre Lagerbestände aufzufüllen. Auf den Autobahnen kommt es zu langen Lastwagen-Staus. Auch die Spielzeughersteller hatten vor Lieferproblemen vor Weihnachten und höheren Preisen gewarnt.

Der Hafenverband BPA betonte hingegen, es handele sich nicht um eine rein britische Problematik. Es gebe keinen Grund für die Regierung, sich einzuschalten. "Die Häfen, die Container und Lastwagen abfertigen, sind zu dieser Jahreszeit immer schwer beschäftigt, und derzeit bewältigt der Mehrheit höhere Mengen", so der Verband.

Hingegen betonten BRC und FDF, Händler hätten es schwer, ihre Lagerbestände für die Weihnachtszeit und für das Ende der Brexit-Übergangszeit aufzubauen, so die Verbände. Teilweise würden Sendungen in andere Häfen umgeleitet. "Einige Verzögerungen sind jedoch unvermeidlich." Nach Ablauf der Brexit-Übergangszeit werde der Druck auf die britischen Häfen noch weiter zunehmen.

Zudem schießen die Transportkosten in die Höhe: Teilweise würden für Container 25 Prozent mehr verlangt als eine Woche zuvor, Häfen verlangten zudem Staugebühren. Unternehmen hätten bereits Hunderttausende Pfund verloren. "Diese Probleme müssen dringend angegangen werden. Eine Untersuchung würde die notwendige Kontrolle liefern, um unsere Häfen wieder frei fließen zu lassen", sagte BRC-Chefin Dickinson.

Der Hafenverband forderte seinerseits mehr Geld, um rechtzeitig die nötige Grenzinfrastruktur sicherzustellen. "Diese Infrastruktur wird benötigt, unabhängig davon, ob es zu einem Brexit-Handelspakt kommt oder nicht", sagte BPA-Chef Richard Ballantyne. "Wir fordern die Regierung dringend auf, weitere Mittel bereitzustellen, damit alle Häfen im ganzen Land für den Brexit bereit sind."

Nicht nur die Häfen sind voll

Zwei Wochen vor dem endgültigen Austritt Großbritanniens aus den EU-Institutionen ist bereits der Druck an der wichtigen Handelsroute über den Ärmelkanal zu spüren. Auf Twitter kursierten Ende der Woche Videoaufnahmen von langen Lkw-Staus an der Zufahrt zum Eurotunnel im englischen Folkestone. Ein hohes Aufkommen an Frachtverkehr werde in beide Richtungen bis Weihnachten und dann wieder kurz vor Neujahr erwartet, teilte ein Sprecher der Eurotunnel-Betreiberfirma Getlink auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur am Freitag mit. Gründe dafür seien das Weihnachtsgeschäft, medizinische Lieferungen wegen der Coronavirus-Pandemie und die Aufstockung vieler Bestände vor dem Ende der Brexit-Übergangsphase.

Zusätzliche Lagerkapazität in dem Land zu bekommen, ist inzwischen so gut wie unmöglich. "Alles ist voll", sagte der Chef des britischen Logistikverbandes UK Warehousing Association, Peter Ward, der dpa. Zu den Mitgliedern des Verbandes gehören Logistikriesen wie Kühne und Nagel oder DHL, aber auch viele kleinere und mittlere Firmen. Viele Unternehmen - etwa aus dem Automobilsektor - hätten bereits lange vor Ende der Brexit-Übergangsphase zum Jahreswechsel Waren aus Europa eingelagert, so Ward.

Verantwortlich sei aber auch die Pandemie: Während des Teil-Lockdowns im November mussten in England auch nicht-essenzielle Geschäfte schließen - deren nicht-verkaufte Waren blockieren weiterhin viel Stauraum. Außerdem seien rund 300 000 Quadratmeter - etwa 2,5 Prozent der Gesamtkapazitäten - mit Corona-Schutzausrüstung wie Masken oder medizinischem Zubehör ausgefüllt, so Ward. Unternehmen, die sich erst kurzfristig vor dem Jahreswechsel auf die Suche nach Lagerflächen begeben, machte der Vertreter der Lager- und Logistikbranche keine großen Hoffnungen: "Es ist höchstwahrscheinlich zu spät."

Die Häfen in Großbritannien sind bereits seit Wochen überlastet. Einige Schiffe mussten bereits abgewiesen werden. Auch das führe zu mehr Verkehr am Eurotunnel, da Containerschiffe teilweise an Häfen auf dem Kontinent entladen würden und die Ware dann mit dem Lastwagen nach Großbritannien gebracht werde, sagte der Getlink-Sprecher.

Sollte bis Jahresende keine Einigung zwischen London und Brüssel bei den Gesprächen über einen Brexit-Handelspakt gelingen, drohen Zölle und andere Handelshemmnisse zwischen Großbritannien und der EU. Für diesen Fall wird mit zusätzlichen schweren Verzögerungen im Warenverkehr am Ärmelkanal gerechnet.

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