Die Europäische Union und China stehen offenbar kurz vor einem Durchbruch in ihren seit sieben Jahren andauernden Verhandlungen über ein Investitionsabkommen. Die europäische Handelskammer in China zeigte sich am Freitag in Peking «sehr hoffnungsvoll», dass «eine politische Vereinbarung in den nächsten Tagen abgeschlossen werden kann». China bestätigte «wichtige Fortschritte». «Die Verhandlungen haben die letzte Phase erreicht», sagte Außenamtssprecher Wang Wenbin vor der Presse in Peking.
Ziel sind vor allem eine größere Marktöffnung und gerechte Wettbewerbsbedingungen in China. Der Kammervorsitzende Jörg Wuttke sagte der Deutschen Presse-Agentur: «Wir müssen auf die Details warten, aber ich kann nur annehmen, dass es robust sein wird und viele Punkte anspricht, die die EU-Kammer in den vergangenen Jahren vorgebracht hat.» Für die europäischen Unternehmen sei das Investitionsabkommen «von sehr großer Bedeutung».
Ein «ideales» Abkommen sollte den Zugang europäischer Unternehmen zu dem am schnellsten wachsenden Markt der Welt verbessern, sagte Wuttke. Auch sollte es einen Rahmen schaffen, der ihnen erlaubt, in China gleiche Wettbewerbsbedingungen zu haben, wie sie auch für chinesische Unternehmen in der EU gelten und geschützt werden.
Aus den USA kommen neue Sanktionen und Schwarze Listen
Die Annäherung kommt vor dem Hintergrund des Handelskrieges zwischen den USA und China, den beiden größten Volkswirtschaften der Welt. Der künftige US-Präsident Joe Biden will an dem harten Kurs gegenüber China festhalten und die vom scheidenden Amtsinhaber Donald Trump eingeführten Zusatzzölle vorerst beibehalten, um seine Optionen nicht einzuschränken. Auch will Biden eine breite internationale Koalition mit Verbündeten wie den Europäern gegen China schmieden.
Die USA setzen nun Dutzende weitere chinesische Firmen auf die Schwarze Liste des Handelsministeriums. Dazu gehöre auch der größte Chiphersteller des Landes, Semiconductor Manufacturing International (SMIC), sagte Handelsminister Wilbur Ross am Freitag in einem Fernsehinterview. Damit bestätigte er entsprechende Insiderberichte von Reuters. Der Schritt gilt als weitere Maßnahme des scheidenden US-Präsidenten Donald Trump, um seine harte Handelspolitik gegenüber China vor dem Amtsantritt seines demokratischen Herausforderers Joe Biden im Januar zu zementieren. Ross sprach im TV-Sender Fox von 77 weiteren Firmen und Tochterfirmen, die sogenannte "Entity List" wächst damit auf mehr als 275 Unternehmen an.
Das chinesische Außenministerium rief die USA dazu auf, das "unberechtigte" harte Vorgehen gegen chinesische Unternehmen zu beenden. Die US-Regierung setzt die schwarze Liste häufig ein, um chinesische Industrien zu treffen. Für besonders viele Schlagzeilen hatten die Maßnahmen gegen die Netzwerkanbieter Huawei und ZTE wegen Sanktionsverstößen und gegen den Überwachungskamera-Anbieter HikVision wegen angeblicher Unterdrückung der uigurischen Minderheit gesorgt. SMIC fertigt auch für Huawei.
Anfang Dezember war SMIC wegen angeblicher Verbindungen zum chinesischen Militär bereits auf eine Schwarze Liste gesetzt worden, die es US-Investoren ab November 2021 untersagt, Wertpapiere von den dort aufgeführten Firmen zu kaufen. Wer wiederum auf der Schwarzen Liste des Handelsministeriums steht, benötigt spezielle Lizenzen, um von US-Zulieferern Produkte erhalten zu können. SMIC ist dabei stark von den USA abhängig. Handelsminister Ross begründete den Schritt nun auch damit, SMIC von "moderner US-Technologie" fernhalten zu wollen. SMIC war zunächst nicht für eine Stellungnahme erreichbar.
Annäherung zwischen China und der EU
Die EU und China hatten immer ihre Absicht bekräftigt, bis Jahresende eine Einigung in den schwierigen Verhandlungen zu erreichen. Im Mittelpunkt stehen ein besserer Marktzugang und faire Bedingungen im Wettbewerb mit chinesischen Unternehmen, wobei sich vor allem China bewegen muss. Eine politische Einigung auf das Abkommen wäre eine Art Grundsatzvereinbarung, der noch weitere Prüfungen des genauen Vertragstextes durch Juristen beider Seiten folgen müssen.
Auch ein hoher EU-Diplomat in Peking zeigte sich «zuversichtlich», dass es bald einen Durchbruch geben werde. EU-Kammerpräsident Wuttke hob hervor, dass es zwischen zwei großen Wirtschaftsmächten eigentlich normale Praxis sein sollte, gleichen Marktzugang zu haben und nicht Unausgewogenheit. Insofern sei das Abkommen «kaum revolutionär». Trotzdem müsse das Motto lauten: «Jetzt oder nie.» Bei einem Abschluss wäre es erst das zweite große Wirtschaftsabkommen zwischen der EU und China nach der Vereinbarung über die geografischen Herkunftsbezeichnungen von Waren vom Juli.
Innerhalb der Europäischen Union gibt es nach Informationen der South China Morning Post» (SCMP) eine «grundsätzliche» Einigung auf das Investitionsabkommen mit China. Die Hongkonger Zeitung berief sich dabei auf eine diplomatische Quelle in Brüssel. Unter Hinweis auf einen weiteren Informanten schrieb das Blatt zudem, es werde davon ausgegangen, dass sich Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron einig seien, das Abkommen abzuschließen.
China habe Zugeständnisse bei der Marktöffnung in mehreren Bereichen gemacht. Es werde davon ausgegangen, dass darunter Finanzdienste und die Sektoren Produktion und Immobilien seien. Im Gegenzug öffne die EU erneuerbare Energien für chinesische Investitionen, schrieb die Zeitung. Das stoße auf Widerstand osteuropäischer Länder wie Litauen und Polen, die auf Unterstützung der USA gegenüber Russlands Bedrohung angewiesen seien.
«Es wurde debattiert, ob es der richtige Moment ist, ein Abkommen mit China zu besiegeln - angesichts der beginnenden Präsidentschaft von Joe Biden, die sich wahrscheinlich auf eine transatlantische Allianz konzentriert, um dem Aufstieg Chinas zu behindern», sagte die Quelle laut «SCMP». «Aber allgemein gab es Einigung, dass die EU-Verhandlungsführer erreicht haben, was die EU seit sieben Jahren fordern, was China tun soll. China hat große Zugeständnisse gemacht.» Deswegen habe die Europäische Kommission die «politische Grundsatzentscheidung» getroffen, die Verhandlungen abzuschließen.
Strategie der Öffnung
Die Bereitschaft der Regierung in Peking, Zugeständnisse beim Marktzugang sowie in anderen Bereichen zu machen, deckt sich mit der grundlegenden Strategie der wirtschaftlichen Öffnung. Diese äußert sich beispielsweise auch in der stufenweisen Liberalisierung der chinesischen Finanzmärkte (insbesondere der Anleihen- und Aktienmärkte), welche in den vergangenen Monaten verstärkt Kapital aus dem Ausland anziehen konnten.