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Experte: Parteien tun alles, um mit Corona-Hilfen Pleitewelle bis nach der Bundestagswahl hinauszuzögern

Laut Experten wird es 2021 eine Pleitewelle geben - nicht zuletzt wegen der neuen Regeln, die eine Sanierung in Eigenregie ermöglichen. Aber im Grunde sind viele Unternehmen nicht mehr zu retten. Bis zur Bundestagswahl wird die Politik allerdings alles daran setzen, sie am Leben zu halten - dann beginnt das große Sterben.
01.01.2021 11:27
Aktualisiert: 01.01.2021 11:27
Lesezeit: 1 min
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Experte: Parteien tun alles, um mit Corona-Hilfen Pleitewelle bis nach der Bundestagswahl hinauszuzögern
Andreas Gude, Meister im Bereich Formbau, steht in der Eisengießerei Torgelow. Das Unternehmen, das mit 320 Mitarbeitern zu den wichtigsten Arbeitgebern in Vorpommern gehört, hatte Mitte Juli 2020 Insolvenzantrag gestellt. (Foto:dpa) Foto: Jens Büttner

Neue Sanierungsregeln und die anhaltende Corona-Krise werden aus Sicht von Ökonomen und Praktikern dafür sorgen, dass im kommenden Jahr die Zahl der Firmeninsolvenzen deutlich steigt - allerdings erst nach den Bundestagswahlen. Nach den Rückgängen im Jahr 2020 werde es 2021 eine drastische Zunahme geben, sagte der Sanierungsexperte Lucas Flöther: „Wenn ganze Branchen betroffen sind und die Krise bei Vielen prinzipiell das Geschäftsmodell infrage stellt, dann entsteht ein Krater in den Bilanzen, der sich durch Liquiditätshilfen nicht wieder schließen lässt.»

Zuletzt verabschiedete der Bundestag neue Sanierungsregeln, die eine etwas andere Art der Insolvenz ermöglichen. Sie erlauben Corona-geschädigten Unternehmen im Jahr 2021 (und nicht darüber hinaus), sich mit dem Schutzschirmverfahren in Eigenregie zu sanieren, auch wenn sie zahlungsunfähig sind. Sonst sei dieses Verfahren nur bei drohender Zahlungsunfähigkeit möglich, sagte Flöther. «Und es ist eine Tatsache, dass viele coronageschädigte Unternehmen zahlungsunfähig sind.» Er gehe davon aus, dass die Insolvenzzahlen auch deshalb steigen werden, weil viele Firmen den Schutzschirm nutzen werden.

Auch der Insolvenzexperte des „Instituts für Wirtschaftsforschung in Halle“ (IWH), Steffen Müller, rechnet damit, dass die neuen Regeln das Geschehen beeinflussen. Es könne sein, dass vor allem Kleinunternehmer die Anmeldung ihrer Insolvenz hinausgezögert hätten, sagte Müller. Der Grund: Wer als Selbstständiger eine Privatinsolvenz durchläuft, muss jetzt nur noch drei Jahre warten, bis er von seiner Restschuld befreit wird. Bisher dauerte das doppelt so lange.

Insgesamt rechnet der IWH-Ökonom allerdings damit, dass die Zahl der Insolvenzen zunächst nur langsam ansteigt. Die Politik werde weiterhin versuchen, mit ihren Hilfen für Unternehmen eine Pleitewelle bis zur Bundestagswahl im Herbst zu verhindern, sagte Müller. «Das dürfte eines der stärksten Argumente sein.»

Schon im Jahr 2020 bremsten die staatlichen Hilfen und gelockerte Antragspflichten die Zahl der Pleiten in Deutschland trotz monatelanger Lockdowns und weltweiter Corona-Krise. Die Wirtschaftsauskunftei „Creditreform“ schätzte Anfang Dezember, dass nur rund 16.300 Betriebe insolvent gingen. Das wären 13,4 Prozent weniger als 2019. Dabei sorgten die staatlichen Rettungsprogramme auch für Mitnahmeeffekte bei echten Pleitekandidaten, hieß es.

Gab es 2020 vielleicht stille Pleiten, bei denen Unternehmer in Handel, Gastronomie und Verkehrsgewerbe einfach ihr Geschäft abmeldeten? Die bisherigen Zahlen sprechen dagegen: Laut Statistischem Bundesamt gab es in den ersten neun Monaten 16,5 Prozent weniger Abmeldungen als im Vorjahreszeitraum. Damit liege der Rückgang auf einem ähnlichen Niveau wie bei den Insolvenzzahlen, sagte IWH-Forscher Müller. «Das spricht klar gegen die Vermutung, dass wir bei den Insolvenzen deswegen keinen Anstieg sehen, weil Unternehmer im Stillen ihr Gewerbe abmelden.»

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