Finanzen

AUSBLICK AUFS ANLEGER-JAHR 2021: Warum unsere Finanz-Systeme für Krisen nicht geschaffen sind

Lesezeit: 7 min
09.01.2021 11:10
Im ersten Teil seines Anlage-Ausblicks auf das Jahr 2021 analysiert DWN-Autor Marc Friedrich das wirtschaftliche Umfeld, in dem sich potentielle Investoren im neuen Jahr bewegen.
AUSBLICK AUFS ANLEGER-JAHR 2021: Warum unsere Finanz-Systeme für Krisen nicht geschaffen sind
Dieser Zombie in Sankt Englmar im Bayerischen Wald ist natürlich nicht echt und daher vollkommen harmlos. Dass die Zahl der Zombie-Unternehmen immer weiter anschwillt, ist dagegen für die wirtschaftliche Entwicklung eine reale Bedrohung. (Foto: dpa)
Foto: Armin Weigel

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„Die Welt wird nie gut, aber sie könnte besser werden“

Carl Zuckmayer

2020 war ein turbulentes Jahr und hat unser Leben für immer verändert. Der Internationale Währungsfonds (IWF) sprach von einer Krise wie keine jemals zuvor. Niemand wird das letzte Jahr vermissen, und alle hoffen auf ein besseres neues Jahr. Ich bin da skeptisch und gehe davon aus, dass 2021 dem Vorjahr in nichts nachstehen wird.

Wie von mir immer wieder aufgeführt, befinden wir uns inmitten einer historischen Zeitenwende, die nicht gestoppt werden kann und uns in allen Bereichen große Veränderungen beschert - nicht nur wirtschaftlich und finanziell, sondern auch politisch und gesellschaftlich. Dieser von mir prognostizierte Paradigmenwechsel wurde durch die Ereignisse des letzten Jahres unterstrichen und bestätigt. Was viele nicht wissen: Schon vor Corona war dies der Fall. Die Pandemie hat diese Entwicklung lediglich massiv beschleunigt und die Schwächen und Sollbruchstellen in unserem jetzigen System herausgearbeitet und schmerzhaft verdeutlicht. Für viele unbekannt: Die Eingriffe der Notenbanken begannen schon im September 2019. Schon damals wurden die Zinsen weltweit gesenkt, war die Rezession schon im vollen Gange.

Nicht für Krisen geschaffen

Corona hat uns aufgezeigt, dass unsere Systeme nicht für Krisen geschaffen sind und mit jeder Krise näher an ihr Ende kommen. Der erste Lockdown führte uns deutlich vor Augen, wie abhängig wir von den globalen Produktions- und Lieferketten sind, wie wenig autark der Exportweltmeister Deutschland ist und wie fragil unser so stabil geglaubtes System in Wirklichkeit ist. Innerhalb kürzester Zeit waren Millionen Menschen in Kurzarbeit, die Arbeitslosenzahlen stiegen stark an, und Staaten und Notenbanken mussten Hand in Hand Billionen mobilisieren, um die wankenden Systeme zu stabilisieren.

Viele haben die Hoffnung, dass wir mit Hilfe des Impfstoffs und nach Beendigung der Pandemie wieder in unsere alte, vertraute Welt zurückkehren werden, aber ich muss Sie leider enttäuschen: Wir werden nicht mehr in der alten Welt aufwachen! Alles wird in Zukunft anders sein: die Art wie wir reisen, wie wir arbeiten, wie wir uns treffen und begegnen, wie wir einkaufen und leben. Das alles ist geprägt durch einen weiter wachsenden Vertrauensverlust in die Institutionen und die Politik - weltweit!

Das Versagen der Politik

„Die Dummheit von Regierungen sollte niemals unterschätzt werden.

Helmut Schmidt

In Deutschland haben wir letztes Jahr chaotisch, kopflos agierende Politiker erlebt, die ihrer Rolle als kompetente Lenker des Gemeinwesens niemals gerecht wurden – im Gegenteil: Sie haben versagt, sich jedoch durch – man mag es kaum glauben - steigende Popularität und immer bessere Umfragewerte in den Wahlprognosen bestätigt gesehen. Mit diesem Rückenwind haben sie sich fortlaufend mit immer härteren Maßnahmen gegenseitig übertrumpft, um sich in der Öffentlichkeit zu profilieren. Während Anfang des Jahres 2020 sie das Virus noch herunterspielten und auf einen Lockdown verzichteten, war wenige Monate später das Maskentragen Pflicht, begann der Lockdown und wurden Befürchtungen laut, es könne Millionen von Toten geben. Nach Beendigung des ersten Lockdowns hieß es dann, Friseurläden und den Einzelhandel zu schließen, wäre ein Fehler gewesen, und es werde keinen zweiten Lockdown geben. Kurz darauf hieß es dann: „Was schert mich mein Geschrei von gestern“, und es wurde ein noch härterer und längerer zweiter Lockdown initiiert. Mittels Salamitaktik werden jetzt immer neuere Maßnahmen durchgeboxt und die Lockdowns verlängert. Ich hatte bereits im April letzten Jahres vorhergesagt, dass ein zweiter Lockdown im Herbst definitiv kommen wird, und dass er viel länger dauern wird als der erste. Ich gehe nach wie vor davon aus, dass dieser zweite Lockdown vor April/Mai nicht beendet sein wird, und dann – wenn im Herbst die Temperaturen wieder sinken – werden wir einen dritten bekommen.

Das Impf-Fiasko ist ein weiteres skandalöses Versagen unserer Politiker. Die Kombination aus einem Impfstoff, der aus Deutschland kommt, der der Bevölkerung aber nicht in ausreichender Menge für zur Verfügung steht, plus die Interessenskonflikte einer wieder mal völlig überforderten EU, die mit ihrer Unfähigkeit und Klientelpolitik Menschenleben gefährdet: Das ist nicht mehr und nicht weniger als eine glasklare Bankrotterklärung. Ein Politiker wie Trump, der in Deutschland verachtet wird, ja, der schon fast als Paria gilt, hat es dagegen geschafft, genügend Impfdosen für seine Bevölkerung heranzuschaffen. Germany first? Fehlanzeige! Ja, noch nicht mal Germany an zweiter Stelle oder auch nur an dritter. Und die Konsequenzen? Natürlich keine.

Konsequenzen zu erwarten haben die Vertreter der Politik natürlich auch nicht im Hinblick auf das Kompetenzgerangel zwischen Bund und den Ländern sowie zwischen den einzelnen Ländern. Da muss man sich doch folgende Frage stellen: Wenn wir es noch nicht mal in Deutschland schaffen, eine einheitliche Lösung zu finden und stattdessen die einzelnen Bundesländer ihr eigenes Ding durchziehen, aus der Gemeinschaft ausscheren und sich untereinander wie die Straßenkater fetzen, wie sollen es dann in der Europäischen Union mit ihren 27 unterschiedlichen Nationen zu einem Konsens kommen? Die Annahme, dass dies gelingen könnte, ist leider vollkommen naiv und der Grund, warum die EU jetzt nicht funktioniert und auch niemals funktionieren kann, sondern stattdessen in großem Stil scheitern wird.

Erst kommen die Zombies – dann kommt die Pleitewelle

Als alle bereits im Mai 2020 von einer V-förmigen Erholung der Wirtschaft schwadronierten und ich – als einer der wenigen Skeptiker – vor verfrühten Optimismus warnte, wurde ich als Pessimist beschimpft. Jetzt allerdings, etwas über ein halbes Jahr später, kommt die Realität auch bei den Ökonomen langsam an – und damit auch in der Politik. Die Illusion eines raschen „Zurück zum Alten“ ist ein für alle Mal vom Tisch. Umso länger die Lockdowns andauern, umso größer werden die Kollateralschäden in der Wirtschaft, im Arbeitsmarkt, bei den Steuereinnahmen und natürlich auch bei den Insolvenzen. Durch die Konjunktur-Programme und Aufkauforgien der Notenbanken schwillt die Zahl der Zombie-Unternehmen immer weiter Richtung neue Rekordhöhen an. Die Creditreform geht von circa 800.000 solcher Firmen in Deutschland aus; weltweit, so Experten, wären circa 15 bis 20 Prozent aller Unternehmen unter normalen Umständen schon längst über die Wupper gegangen. Die Staaten und Zentralbanken sind in einer gefährlichen Zwickmühle, denn wenn diese lebenden Toten tatsächlich bankrottgehen, werden die Kreditausfälle eins zu eins in den Bilanzen der schwach kapitalisierten Banken durchschlagen und die Geldhäuser mit in den Abgrund reißen, was dann wieder zu einer weiteren Bankenrettung führen würde, für die selbstverständlich wer wieder aufkommen müsste? Natürlich, der Steuerzahler. Aus diesem Grund spielen die Verantwortlichen ein Spiel auf Zeit – die Insolvenzverschleppung geht also erstmal weiter, aber irgendwann ist Schicht im Schacht, und dann wird der maßlos aufgeblähte Ballon mit einem lauten Knall platzen.

Unsichtbare Mauern - finanzielle Repression

Eines ist so sicher wie das Amen in der Kirche: Die ganze Party muss bezahlt werden muss. Aus diesem Grund werden wir weitere Steuer- und Abgabenerhöhungen und finanzielle Repression erleben. Deutschland hat jetzt schon das bislang führende Belgien überholt und bürdet seinen Bürgern nunmehr die größte Steuerlast weltweit auf. Populistisch wird jetzt eine Vermögensabgabe der Reichen propagiert. Wenn man allerdings schon bei einem Einkommen von 57.052 Euro brutto den Spitzensteuersatz von 42 Prozent bezahlt, darf man sich zurecht die Frage stellen, was als „reich sein“ definiert wird und vor allem, wie hoch wohl der Freibetrag sein wird, der verschont bleibt. Mit 57.000 Euro brutto macht man in Deutschland keine großen Sprünge - man rennt gegen eine unsichtbare Mauer.

Nach der drastischen Reduzierung des anonymen Tafelgeschäftes in den letzten Jahren von 15.000 Euro auf nur noch 2.000 Euro (mal schauen, wie lange letztere Summe Bestand hat, und ob sie nicht auch weiter reduziert wird), wird nun auch weiter gegen das Bargeld gepoltert. Im Zuge der Coronakrise wird das angeblich „dreckige, infizierte“ Bargeld verteufelt und das „saubere kontaktlose Bezahlen“ mit allen Mitteln propagiert. Wofür ein Virus doch alles gut ist …

Zeitgleich hat man – völlig unbemerkt von der Öffentlichkeit – eine weitere massive und unsichtbare Mauer gegen das Abfließen von Vermögen installiert. Sagt Ihnen ATAD was? Ich rede nicht von den Globalisierungs-Gegnern "Attac", sondern den Wegfall der Stornierung der Stundung der Wegzugsbesteuerung. Bisher gab es bei Wegzug innerhalb der EU eine zeitlich unbefristete und zinslose Steuer-Stundung. Dies soll nun klammheimlich ausgehebelt und geändert werden. Der Gesetzesentwurf ist weitaus enger gefasst, als von der EU vorgegeben. Wenn dieser verabschiedet wird, wird die Wegzugsteuer unmittelbar fällig oder kann auf Antrag mit einer Ratenzahlung der Steuer über sieben Jahre und regelmäßig gegen Sicherheitsleistung bezahlt werden. Besonders perfide ist, dass dieses Gesetz dann rückwirkend zum 1.1.2020 gilt. Offen bleibt, ob dies auch auf Fälle anwendbar sind, in denen der Wegzug vor 2020 erfolgt ist. Werden die Neuregelungen wie geplant umgesetzt, würde aufgrund drohender Steuerbelastungen die freie Mobilität für international agierende Unternehmer innerhalb der EU zukünftig stark beschränkt. Es ist mehr als zweifelhaft, ob das neue Gesetz mit der unionsrechtlichen Freizügigkeit vereinbar ist. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte im Februar 2019 in der Rechtssache Wächtler (C-581/17) noch entschieden, dass Wegzüge aus Deutschland in die Schweiz mit Wegzügen in den EU/EWR-Raum gleich behandelt werden müssen, wenn sie unter das Freizügigkeitsabkommen von Schweiz und EU fallen. Also sollte es in diesem Fall eigentlich genauso sein, wird aber trotzdem übergangen.

Eines muss jedem klar sein: Umso länger die Krise, umso nötiger hat der Staat das Geld, umso gieriger wird er agieren.

Keine Krise ungenutzt lassen!

„Man kann einen Teil des Volkes die ganze Zeit täuschen und das ganze Volk einen Teil der Zeit. Aber man kann nicht das gesamte Volk die ganze Zeit täuschen.“

Abraham Lincoln

Keine Krise ungenutzt lassen: Das scheint das Motto der Politik zu sein. Und sie hat die Gunst der Stunde weidlich genutzt, wie wir an den Lockdowns und den mit ihnen einhergehenden Freiheitsbeschränkungen nur zu deutlichen sehen können. Tatsache ist: Im Schatten der Coronakrise wurden Freiheitsrechte eingeschränkt und Entscheidungen getroffen, die zuvor unmöglich gewesen wären. Das sollte alle Demokraten und freiheitsliebenden Bürger alarmieren und aufschrecken. Wir alle sollten wachsam beäugen, was alles so in der Politik passiert und verabschiedet wird.

Ein paar Beispiele:

  • Die Schuldenunion, die vertraglich im Maastrichter Vertrag ausgeschlossen war, wurde nun durch die Hintertür eingeführt und uns als alternativlos vorgesetzt, und das von einer nicht zur Wahl gestellten und nie von uns gewählten EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
  • Deutsches Vertragsrecht wurde ausgehebelt, indem die Insolvenzantragspflicht ausgesetzt und zuletzt sogar bis Ende Januar 2021 verlängert wurde. Damit können die Zombies weiter vor sich hin vegetieren, und die Politik hat sich teuer wertvolle Zeit erkauft. Eine Lösung ist dies aber nicht. Damit werden die Probleme lediglich in die Zukunft verschoben, wo sie sich aber weiter stark potenzieren und ihre destruktive Zerstörungskraft maximal entfalten.
  • Notenbanken drucken weiter Geld als, ob es kein Morgen gäbe. Im Jahr 2020 haben die Zentralbanken weltweit 9,2 Billionen Dollar zur Stabilisierung „ins System gedruckt“. Das sind mehr als 10 Prozent des weltweiten BIP und dreimal mehr wie während der großen Finanzkrise 2008! Die weltweiten Schulden sind um 25 Billionen Dollar auf ein neues Allzeithoch von circa 280 Billionen Dollar oder 365 Prozent zum Welt-BIP gestiegen. Diese Entwicklung wird sich auch 2021 fortsetzen, ja sogar noch beschleunigen. Die Notenbanken werden weiter Geld drucken und die Zinsen im Keller lassen oder sogar weiter in den Minusbereich senken. Schon jetzt sind 30 Prozent aller Staatsanleihen mit negativen Zinsen verhaftet: 18 Billionen Dollar! Und auch hier leider: Tendenz steigend. Dies alles führt zu einem ganzen Rattenschwanz an weiteren enormen Problemen, die immer unmöglicher zu lösen sind. So kommen Lebensversicherungen damit immer weiter in die Bredouille, da sie in schlecht verzinste Staatsanleihen investieren müssen und damit die Altersversorgung der Versicherten weiter dahin schmilzt. Die Notenbanken können die Zinsen nicht erhöhen, da ansonsten ganze Länder unter ihrer immensen Schuldenlast kollabieren würden. Neben den steigenden Staatsschulden sind die Bilanzen der Notenbanken drastisch gestiegen.

Lesen Sie morgen den zweiten Teil des Ausblicks von Marc Friedrich aufs Anleger-Jahr 2021:

"Die goldenen Zwanziger gab es schon mal - wiederholt sich die Geschichte?"


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