Deutschland

Corona-Chaos: Merkel spricht von "Monat zu Monat", Söder will Lockdown "vertiefen" und Spahn verkündet, was nicht möglich ist

Jeder deutsche Politiker hat etwas zu Corona zu sagen.
09.01.2021 17:46
Lesezeit: 3 min
Corona-Chaos: Merkel spricht von "Monat zu Monat", Söder will Lockdown "vertiefen" und Spahn verkündet, was nicht möglich ist
Gäbe es unsere Politiker wirklich in zweifacher Ausfertigung, könnten sie auch doppelt so viel reden. (dpa) Foto: Kay Nietfeld

Trotz Fortschritten bei der schleppenden Impfkampagne geht der Streit darüber innerhalb der großen Koalition weiter. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil erneuerte die Kritik seiner Partei an Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU). «Es war von Anfang an klar, dass Impfen unser Ausweg aus der Pandemie ist und deswegen im Detail vorbereitet werden muss. Das hat Spahn nicht getan», sagte Klingbeil der «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung». CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer bescheinigte der SPD in der «Saarbrücker Zeitung» (Samstag), «anscheinend den Weg der Vernunft verlassen» zu haben. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) stellt die Bürger derweil auf eine mögliche weitere Verlängerung des Lockdowns ein. Mittlerweile sind laut Spahn mehr als 500 000 Menschen in Deutschland gegen Corona geimpft.

Der Impfstart in Deutschland ist aus Sicht der SPD zu schleppend verlaufen. Mehrere Sozialdemokraten, darunter Klingbeil, hatten Bundesgesundheitsminister Spahn dafür verantwortlich gemacht, dass einige andere Länder beim Impfen weiter sind als Deutschland. Die SPD-geführten Bundesländer hatten zudem einen Fragenkatalog zu den Problemen bei der Impfung an Spahn geschickt.

Inmitten der Pandemie mache die Partei mit der Debatte um das Impfen Wahlkampf, so Kramp-Karrenbauer. «Das hilft ihr nicht, schadet aber bei der Bekämpfung von Corona, weil es die Verunsicherung schürt.» Die Sozialdemokraten sollten sich wieder auf ihre Verantwortung für das Land konzentrieren. Auch CSU-Generalsekretär Markus Blume sagte in der «Rheinischen Post», die SPD übe sich als Regierungsteil in Opposition. «Wer mitten in der größten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg von Corona-Kampf auf Wahlkampf umschaltet, der muss sich fragen lassen, ob er das Format für größere Aufgaben hat.»

Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) hingegen warb um Transparenz in der Krise: «In Zeiten von großer Unsicherheit ist Vertrauen eine ganz zentrale Kategorie des Regierens», sagte er. Deshalb müsse der Grundsatz gelten: «Wenn sich Fragen aufdrängen, werden sie gestellt». «Sonst entsteht leicht Misstrauen», mahnte Scholz.

CDU-Vorsitzkandidat Norbert Röttgen zeigt sich verwundert. «Bei Vizekanzler Scholz bin ich immer davon ausgegangen, dass er in alle Vorgänge der Bundesregierung eingeweiht ist», sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Und auch: «Außerdem rühmt sich Olaf Scholz stets, alles immer ein bisschen besser zu wissen. Dass er ausgerechnet jetzt auf seiner Unwissenheit beharrt, ist schon komisch.»

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zeigte sich mit Blick auf die Impfkampagne zuversichtlich. «Es ist ein langsamer Start. Ein paar Hunderttausend sind geimpft, und jeden Tag werden es mehr. Das Tempo wird zunehmen», sagte sie in ihrem am Samstag veröffentlichten Podcast. «Wir werden in Deutschland genügend Impfstoff für alle verfügbar haben. Wir werden Monat für Monat mehr Menschen und schließlich jedem, der es möchte, ein Impfangebot machen können.»

In den vergangenen Tagen hatte es mehrere gute Nachrichten gegeben, um beim Impfen voranzukommen. Seit Freitag kann aus den gelieferten Ampullen der Mainzer Firma Biontech und ihres US-Partners Pfizer mehr Impfstoff entnommen werden als bisher. Mengensteigerungen um bis zu 20 Prozent sollen möglich sein. EU-weit gibt es zudem eine neue Vereinbarung über bis zu 300 Millionen weiteren Biontech/Pfizer-Dosen. Zudem soll der zweite in Europa zugelassene Impfstoff, der des US-Herstellers Moderna, ab Dienstag an die Bundesländer geliefert werden.

Klingbeil sagte in der «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung»: «Ich bin sehr froh, dass unsere Kritik der letzten Tage schon zu wichtigen Veränderungen geführt hat. Es hat Nachbestellungen beim Impfstoff gegeben, die Produktionskapazitäten von Biontech werden ausgebaut, Spahn hat nun alle Pharmaunternehmen angeschrieben», und Merkel habe das Thema zur Chefsache gemacht. «Alles das hilft, dass wir schneller einen endgültigen Weg aus der Krise finden.»

Wie Gesundheitsminister Spahn am Samstag in einer Online-Diskussionsrunde erklärte, kann sich wer vom Staat eine Impfung gegen Covid-19 angeboten bekommt, den Impfstoff vorerst nicht aussuchen. Eine solche Auswahl zu treffen, sei aufgrund der derzeit noch herrschenden Knappheit «im Moment und auch absehbar» nicht möglich, betonte er. Laut Spahn wurden seit dem Impfstart in Deutschland Ende Dezember über eine halbe Million Menschen ein erstes Mal gegen Covid-19 geimpft.

Unterdessen bewegen sich die Corona-Zahlen auf hohem Niveau. Die deutschen Gesundheitsämter meldeten dem Robert Koch-Institut (RKI) 24 694 Corona-Neuinfektionen binnen eines Tages. Außerdem wurden 1083 neue Todesfälle innerhalb von 24 Stunden verzeichnet, wie das RKI am Samstagmorgen bekanntgab.

Bayerns Ministerpräsident Söder geht bereits von einer Verlängerung des derzeit bis 31. Januar befristeten Corona-Lockdowns aus. «Wir müssen den Lockdown, den wir jetzt haben, verlängern und an einigen Stellen auch noch vertiefen», sagte Söder am Samstag beim digitalen Neujahrsempfang der nordrhein-westfälischen CDU. Das Landeskabinett vom derzeit besonders stark von der Pandemie betroffenen Sachsen hat bereits beschlossen, den Lockdown bis zum 7. Februar zu verlängern.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Panorama
Panorama Einbruchschutz: So sichern Sie Ihr Zuhause wirksam
22.04.2025

Die Zahl der Wohnungseinbrüche in Deutschland steigt wieder, bleibt aber unter dem Vor-Pandemie-Niveau. Die meisten Täter geben nach...

DWN
Finanzen
Finanzen Gold erreicht erstmals 3.500 Dollar
22.04.2025

Ein turbulenter Präsident, ein unter Druck stehender Notenbankchef – und Anleger, die das Vertrauen verlieren. Während Donald Trump...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Attacke auf Fed: Wenn Trump Powell unter Druck setzt, drohen wirtschaftliche Turbulenzen
22.04.2025

Am Gründonnerstag senkte die Europäische Zentralbank (EZB) erneut die Leitzinsen – ein Schritt, der unter normalen Umständen das...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft USA: Höchste Zahl an Firmeninsolvenzen seit der Finanzkrise
22.04.2025

Zinsdruck, Konsumflaute, Strukturprobleme: Immer mehr US-Unternehmen gehen pleite – ein wirtschaftlicher Selbstreinigungsprozess mit...

DWN
Politik
Politik Friedensgespräche in Sicht? Putin macht Ukraine Angebot
22.04.2025

Nach dem Oster-Waffenstillstand fordert der Kreml direkte Gespräche mit Kiew – ein diplomatisches Tauziehen beginnt.

DWN
Panorama
Panorama Papst Franziskus aufgebahrt: Vatikan nimmt Abschied
22.04.2025

Der Tod von Papst Franziskus markiert das Ende einer Ära im Vatikan. Während in der Kapelle seiner Residenz bereits der Abschied beginnt,...

DWN
Panorama
Panorama Mehr Druck auf Hegseth nach neuen Chat-Enthüllungen
22.04.2025

Die neue Chat-Affäre um US-Verteidigungsminister Pete Hegseth spitzt sich weiter zu, die Kritik wächst. Das Weiße Haus betont jedoch,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Bombardiers Global 8000: Das schnellste Zivilflugzeug seit der Concorde wird noch in diesem Jahr abheben
22.04.2025

Kanadas Bombardier setzt mit dem Global 8000 auf Geschwindigkeit, Reichweite und Luxus – der Konkurrenzkampf im Überschallmarkt spitzt...