Weltwirtschaft

Großkonzerne profitieren von Corona-Krise, während der Mittelstand ausblutet

Lesezeit: 3 min
22.01.2021 12:16  Aktualisiert: 22.01.2021 12:16
Während der Mittelstand in Deutschland vor dem Aus steht, haben Großkonzerne während der Corona-Krise sogar profitiert.

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Jahrelang hatte Siemens-Vorstandschef Joe Kaeser auf die Anerkennung seines Kurses am Aktienmarkt gehofft - kurz vor seinem Abschied kann er die Börsianer endlich überzeugen. Ein nach Ansicht von Analysten überragendes erstes Quartal ließ die Aktie des Münchner Technologiekonzerns am Freitag um bis zu sechs Prozent auf ein Rekordhoch von 131,34 Euro steigen. Trotz der Corona-Pandemie steigerte Siemens in den beiden Kernsparten von Oktober bis Dezember den operativen Gewinn (Ebita), und zwar deutlich stärker als von Analysten erwartet. Gut zwei Milliarden Euro Ebita dürften im Industriegeschäft zu Buche stehen, wenn auch die Medizintechnik-Sparte Siemens Healthineers die Erwartungen erfüllt. Dabei half die Krise dem Konzern sogar beim Sparen: Reisekosten fielen weg, das Marketing wurde eingedampft.

Dass die Zahlen „deutlich besser als erwartet“ ausgefallen seien, wie Siemens am Donnerstagabend erklärt hatte, sei noch untertrieben, schrieb Berenberg-Analyst Philip Buller - zumal Siemens in der Vergangenheit nicht selten enttäuscht habe. Der Auftragseingang sei um acht Prozent, der Umsatz um drei und das Ergebnis vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen (Ebita) sogar um 30 Prozent besser gewesen als der Durchschnitt der Schätzungen. Die Gewinnmargen seien „überragend“. Siemens habe damit gezeigt, dass die ehrgeizigen Renditeziele tatsächlich erreichbar seien. Das sei ein gutes Omen für die Berichtssaison in der gesamten Elektronik- und Automatisierungsbranche.

Kaeser nimmt auf der Hauptversammlung am 3. Februar nach mehr als sieben Jahren an der Spitze von Siemens den Hut. Dort kann er sich noch einmal für die Zahlen feiern lassen - auch wenn er die operative Führung im Oktober an seinen Nachfolger Roland Busch übergeben hat. Sein radikaler Konzernumbau trägt aus Sicht der Anleger Früchte: Nach der Abspaltung der Energie-Sparte konzentriert sich die Börse auf das Geschäft mit Industrie-Automatisierung, Infrastruktur-Technik und Zügen.

Konsolidierte Zahlen - einschließlich der börsennotierten Siemens Healthineers - will Siemens erst zur Hauptversammlung nennen. Doch wenn die Medizintechnik-Tochter im ersten Quartal nicht hinter den Erwartungen zurückbleibt, winkt dem Konzern im Industriegeschäft ein operatives Ergebnis (Ebita) von mehr als zwei (Vorjahr: 1,53) Milliarden Euro und ein stabiler Umsatz von 13,0 (13,1) Milliarden Euro. Analysten trauten Siemens bisher nur 1,67 Milliarden Euro Ebita und 12,7 Milliarden Umsatz zu.

Getrieben wurde Siemens von der Nachfrage aus China, das die Krise als Ursprungsland der Pandemie weitgehend überstanden hat. Dort sei das Geschäft „signifikant gewachsen“. Am besten lief es bei Digital Industries: Das Ebita des Aushängeschildes schnellte um 57 Prozent auf 848 Millionen Euro, nachdem sich das lukrative Software-Geschäft schnell wieder erholt hat. Das trieb die Marge auf 22,5 (14,4) Prozent. In der Sparte Smart Infastructure, die sich mit Bau- und Infrastruktur-Technik befasst, stieg das Ebita um 39 Prozent. Beide Kernsparten legten währungsbereinigt auch beim Umsatz zu.

Die Verkehrstechnik-Sparte Mobility blieb beim Umsatz zwar leicht hinter den Analystenschätzungen zurück, hielt das Ebitda aber auf dem Niveau vom Vorjahr - vor dem Corona-Ausbruch. Dank einiger Großaufträge schnellten die Orders des Alstom-Konkurrenten um zwei Drittel nach oben. Siemens Healthineers, das auch ins Geschäft mit Corona-Tests eingestiegen ist, könnte die Pandemie sogar Rückenwind geben.

Nach dem gelungenen Jahresstart überlegt Siemens offenbar, die Prognosen für 2020/21 nach oben zu schrauben. Bis 3. Februar werde man „den Ausblick überprüfen“, hieß es in der Mitteilung. Bisher erwartete Finanzvorstand Ralf Thomas, dass das Geschäft erst in der zweiten Hälfte des Geschäftsjahres wieder anziehen werde. Das sollte Siemens zu einem „moderaten“ Umsatzzuwachs von drei bis fünf Prozent verhelfen. Der Nettogewinn sollte im gleichen Maß zulegen.

Volkswagen hat sich in der Corona-Krise als robust erwiesen. Der Betriebsgewinn halbierte sich zwar zum Vorjahr auf rund zehn Milliarden Euro. Zum Jahresende hin habe sich das Geschäft aber erholt, teilte der Konzern am Freitag mit. Im Jahr davor hatte der weltgrößte Autokonzern einen vergleichbaren Gewinn von 19,3 Milliarden Euro ausgewiesen. Die Auslieferungen an Kunden hätten sich im vierten Quartal weiter erholt und sogar die Auslieferungen des dritten Quartals übertroffen, was zu einem starken Konzernumsatz geführt habe. Der Barmittelzufluss (Nett-Cash-flow) habe sich sehr positiv entwickelt und im Automobilgeschäft bei rund sechs Milliarden Euro gelegen. Einen Ausblick für das laufende Jahr will VW Ende Februar veröffentlichen, weitere Details sollen auf der Bilanzpressekonferenz am 16. März folgen.

Die Aktien von Volkswagen machten nach der überraschend veröffentlichten Ad-Hoc-Mitteilung ihre anfänglichen Verluste von gut zwei Prozent wett und notierten rund ein Prozent im Plus.

Die mehrheitlich an Volkswagen beteiligte Holding der Familien Porsche und Piech, Porsche SE, erklärte, sie erwarte angesichts des Gewinns des Wolfsburger Konzerns ein deutlich positives Ergebnis nach Steuern. Details könnten noch nicht genannt werden.

DWN-Kolumnist Christian Kreiß führt in einer Analyse aus: „Die Lockdowns arbeiten den Großunternehmen – Stichwort Amazon -, den Milliardären, den großen Kapitalien, Hedge-Fonds und denjenigen, die jetzt auf viel Liquidität sitzen, in die Hände. Dazu kommt: Die Großunternehmen wissen ganz genau, dass sie im Zweifelsfall von der Regierung gerettet werden, nach dem Motte „too big to fail“, zu groß, um pleitezugehen, Beispiel Lufthansa. Die Fluggesellschaft wurde mit etwa 10 Milliarden Euro Staatsgeldern gerettet. Allein im dritten Quartal 2020 verbrannte sie davon zwei Milliarden Euro. Man kann davon ausgehen, dass die Lufthansa, auch nachdem sie ihre Finanzreserven verbrannt hat, nicht pleitegehen wird. Summa summarum: Für Großkonzerne gibt also kaum Grund, gegen Lockdowns zu protestieren.“


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