Deutschland

Schon wieder verfassungswidrig? Wie die GroKo mit der Bürgernummer den Datenschutz aushebelt

Lesezeit: 1 min
29.01.2021 03:10
Die Steueridentifikationsnummer soll zu einer umfassenden Bürgernummer werden, die den Behörden den Zugriff auf schon vorhandene Personendaten bei einer anderen Behörde ermöglicht. Zuvor hatte der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber das Vorhaben der Bundesregierung, eine allgemeine Bürgernummer einzuführen, als verfassungswidrig abgelehnt. 
Schon wieder verfassungswidrig? Wie die GroKo mit der Bürgernummer den Datenschutz aushebelt
Die Mitglieder der Bundesregierung stehen anlässlich der Klausurtagung des Bundeskabinetts im Gästehaus der Bundesregierung im Schloss Meseberg zum Gruppenbild zusammen. (Foto: dpa)
Foto: Monika Skolimowska

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Die Steueridentifikationsnummer soll zu einer umfassenden Bürgernummer werden, die den Behörden den Zugriff auf schon vorhandene Personendaten bei einer anderen Behörde ermöglicht. Trotz Bedenken von Datenschützern und Opposition verabschiedete der Bundestag am Donnerstagabend ein entsprechendes Gesetz. Wenn der Bundesrat der Neuregelung ebenfalls zustimmt, wird künftig an rund 50 Stellen zusätzlich die Steuer-ID der Betroffenen gespeichert - etwa im Melderegister, im Führerscheinregister und im Waffenregister sowie bei der Rentenversicherung und den Krankenkassen. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber hatte das Vorhaben der Bundesregierung, eine allgemeine Bürgernummer einzuführen, als verfassungswidrig abgelehnt.

Nach Angaben der großen Koalition sollen Verwaltungsvorgänge dadurch einfacher werden. Die Initiatoren möchten vermeiden, dass die gleichen Daten mehrfach von verschiedenen Behörden eingeholt oder identische Dokumente mehr als einmal eingereicht werden müssen. Erlaubt ist die gegenseitige Datenabfrage allerdings nur, wenn die betroffene Person zustimmt. Gleichzeitig kann jeder Bürger über einen sicheren Zugang - das „Datencockpit“ - selber einsehen, welche Behörden welche Daten zu ihm ausgetauscht haben.

Die Opposition stimmte geschlossen gegen das Gesetz, weil sie es für nicht vereinbar mit dem Grundgesetz hält. Der digitalpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Manuel Höferlin, sagte, die Nutzung der Steuer-ID als einheitlicher Personenkennung sei verfassungsrechtlich hochbedenklich. Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz warnte, wenn das Verfahren in einigen Jahren vor dem Bundesverfassungsgericht scheitern sollte, „dann haben wir ein Kosten- und Zeitproblem biblischen Ausmaßes“.

Die dpa meldet: „Schon nach dem Kabinettsbeschluss hatten zahlreiche Datenschützer jedoch erhebliche Kritik geäußert. Sie befürchten die Erstellung von umfassenden Persönlichkeitsprofilen. Diesen Bedenken schloss sich die Opposition im Bundestag an. Der AfD-Abgeordnete Uwe Schulz warnte vor dem ,gläsernen Bürger‘, bei dem der Staat als ,moderner Blockwart‘ zahllose Daten zusammenführen könne. Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz beklagte, der Einzelne dürfe nicht in seiner ganzen Persönlichkeit registriert und katalogisiert werden. Innenstaatssekretär Günter Krings widersprach den Bedenken und verwies auf die vorgesehenen Schutzmechanismen: ,Eine Profilbildung werden wir weiterhin wirksam ausschließen‘, versicherte der CDU-Politiker. Über eventuelle Änderungen am Gesetzentwurf wird jetzt in den parlamentarischen Fachausschüssen beraten.“

Unbemerkt von der Öffentlichkeit, hatte die Bundesregierung im vergangenen Jahr durch ein neues Patientenakten-Gesetz den Datenschutz ausgehebelt. In der Akte sollen alle relevanten Patientendaten gespeichert werden. Ein Widerspruchsrecht auf die Speicherung der Patientendaten gibt es nicht (Mehr HIER). Bundesgesundheitsminister Jens Spahn will der gewinnorientierten Gesundheitswirtschaft offenbar die geschützten Daten von 73 Millionen zur Verfügung stellen. Das erschließt sich zumindest aus einer Verordnung zur Neufassung der Datentransparenzverordnung (HIER).


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Preiskrieg in China: Volkswagen im harten Wettbewerb der Elektroauto-Branche
24.04.2024

Volkswagen, lange Zeit der unangefochtene Marktführer in China, sieht sich nun einem intensiven Wettbewerb um den Elektroautomarkt...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Frauen in Tech-Berufen: Deutliches Ungleichgewicht trotz wachsender Nachfrage
24.04.2024

Der Frauenanteil in Berufen in den Bereichen Bereich Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik ist laut einer Studie niedrig....

DWN
Technologie
Technologie Habeck sieht großes Potenzial in umstrittener CO2-Einlagerung
24.04.2024

Die Technologie "Carbon Capture and Storage" (CO2-Abscheidung und -Speicherung) ist in Deutschland ein umstrittenes Thema. Inzwischen gibt...

DWN
Unternehmen
Unternehmen EU-Lieferkettengesetz: Die neuen Regelungen und ihre Folgen
24.04.2024

Nach langem Ringen gibt es einen offensichtlich mehrheitsfähigen Kompromiss für ein abgeschwächtes europäisches Lieferkettengesetz. Das...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Tesla-Turbo: Elon Musk beschleunigt Pläne für günstige Modelle - doch ein Produkt wird viel wichtiger
24.04.2024

Tesla macht Tempo: Elon Musk verspricht, die günstigeren Modelle schneller als erwartet zu realisieren. Damit reagiert der Tesla-Chef auf...

DWN
Finanzen
Finanzen Die Vor- und Nachteile von Krediten: Was Anleger wissen müssen
24.04.2024

Kredite können eine wertvolle finanzielle Unterstützung bieten, bringen jedoch auch Risiken mit sich. Was sind die Vor- und Nachteile und...

DWN
Politik
Politik Europaparlament billigt neue EU-Schuldenregeln nach langwierigen Debatten
23.04.2024

Monatelang wurde über Europas neue Regen für Haushaltsdefizite und Staatsschulden diskutiert. Die EU-Abgeordneten sprechen sich nun für...

DWN
Immobilien
Immobilien Bauministerin: Innenstädte brauchen vielfältigere Angebote
23.04.2024

Klara Geywitz wirbt für mehr Vielfalt in den deutschen Innenstädten, um damit stabilere Immobilienmärkte zu unterstützen. Ein Mix von...