Deutschland

Kassenärzte melden massive Zunahme verhaltensauffälliger Kinder

Lesezeit: 3 min
30.01.2021 10:46  Aktualisiert: 30.01.2021 10:46
Die Kassenärzte warnen vor den Folgen des wochenlangen Corona-Lockdowns für Kinder. Indes bittet Bundeskanzlerin die Eltern um Geduld.
Kassenärzte melden massive Zunahme verhaltensauffälliger Kinder
Den Kindern fehlen die Spielgefährten. (Foto: dpa)

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Die Kassenärzte warnen vor den Folgen des wochenlangen Corona-Lockdowns für Kinder und fordern, die Schulen so rasch wie möglich wieder zu öffnen. «Schon jetzt berichten Kinderärzte und Jugendtherapeuten über eine massive Zunahme von Kindern, die verhaltensauffällig sind», sagte der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, der Düsseldorfer «Rheinischen Post» (Samstag). «Kein Wunder, wenn sie über Wochen keine anderen Kinder zum Spielen und keine strukturierten Tage mehr haben.»

Gassen bekräftigte seine Forderung, die strengen Einschränkungen bald zu lockern: «Schulen sollten so schnell wie vertretbar wieder geöffnet werden. Wir vernichten sonst Bildungschancen der Kinder.» In Schulen kämen zwar viele Menschen zusammen, als «Infektionstreiber» seien sie bisher aber nicht wirklich aufgefallen. Ähnliches gelte für den Handel: «Geschäfte und Restaurants mit guten Hygienekonzepten wird man bald öffnen können», meinte Gassen.

«Unverändert gilt, was wir schon im letztes Jahr gefordert hatten: Wichtig bleiben bis zur Durchimpfung Abstandsregeln und medizinische Masken sowie der Schutz von Risikogruppen statt pauschale Schließungen», so der KBV-Chef. «Wenn wir genug Impfstoff haben, bekommen wir die Pandemie in den Griff. Schon im Sommer wird sich die Lage entspannen, Corona ist ein saisonales Virus.»

Merkel wirbt bei Familien um Geduld in der Corona-Krise

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die Corona-Krise angesichts des wochenlangen Lockdowns als "gewaltigen Kraftakt" für Familien bezeichnet und um Geduld geworben. "Noch sind wir nicht so weit, Kitas und Schulen wieder öffnen zu können", sagte sie in ihrem am Samstag veröffentlichten Video-Podcast. Aber: "Je konsequenter wir uns jetzt verhalten, auf Kontakte verzichten und da, wo sie unumgänglich sind, Abstand halten, Hygieneregeln beachten und Masken tragen, desto schneller wird das wieder möglich sein."

Unterdessen wollten die Gesundheitsminister von Bund und Ländern am Samstag über den Fortgang der Impfkampagne beraten. Die Bundesregierung ist wegen der schleppend angelaufenen Covid-19-Impfungen in die Kritik geraten. Daneben gibt es Lieferengpässe von Herstellern.

Wie aus Daten des Robert Koch-Institut s(RKI) am Samstagmorgen hervorging, haben deutschen Gesundheitsämter 12 321 Corona-Neuinfektionen binnen eines Tages gemeldet. Am Samstag vor einer Woche hatte das RKI 16 417 Neuinfektionen verzeichnet. Die Zahl der binnen sieben Tagen gemeldeten Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner (Sieben-Tage-Inzidenz) lag laut RKI am Samstagmorgen bei 90,9 - Ziel der Bundesregierung ist ein Wert von 50.

Vor diesem Hintergrund ist der Lockdown mit der Schließung von Kneipen und Restaurants, vieler Geschäfte sowie Schulen und Kitas derzeit bis Mitte Februar befristet. Merkel sagte in ihrem Podcast: "Wir setzen alles daran, Kitas und Schulen als erstes wieder öffnen zu können, um den Kindern ein Stück ihres gewohnten Alltags wiederzugeben und um Familien zu entlasten."

Merkel warnte zugleich vor übereilten Schritten: Zwar gingen die Infektionszahlen zurück - gleichzeitig gebe es aber eine sehr reale Gefahr durch die hochansteckenden Virusmutationen. "Deshalb müssen wir auf unserem Weg durch die nächsten Wochen vorsichtig und behutsam handeln."

Es sei ein gewaltiger Kraftakt für Eltern, Kita- und Grundschulkinder zu Hause zu betreuen und zu unterrichten, sagte Merkel. "In der Bundesregierung sind wir uns sehr bewusst, wie hart der Alltag für viele Eltern und Kinder zurzeit ist. Das unterschätzt niemand von uns." Es sei "bitter", dass Kinder und Jugendliche derzeit auf vieles verzichten müssten, was in dieser Lebensphase sonst so wichtig sei und Freude mache: Freunde treffen, Hobbys nachgehen, feiern oder einfach nur unbeschwert in den Tag hineinleben.

FDP-Fraktionsvize Michael Theurer mahnte dagegen einen klaren Fahrplan an: "Diese Durchhalteparolen sind eine lebensfremde Elfenbeinturm-Politik aus dem Kanzleramt, die den Familien mit Kindern im Alltag nichts bringt."

Hoffnungen auf den Impfstoff

Hoffnung setzen viele Menschen auf den Impfstoff. Wie das Gesundheitsministerium am Samstag auf Twitter mitteilte, werden bis zum 22. Februar laut der Hersteller Biontech, Moderna und Astrazeneca mindestens weitere 5 Millionen Impfdosen an die Länder geliefert. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sprach auf Twitter von guten Nachrichten nach einem schwierigen Start.

Nach Angaben des Ministeriums wurden seit Beginn der Impfkampagne vor fünf Wochen in Deutschland über 3,5 Millionen Impfdosen ausgeliefert und 2,2 Millionen verimpft. "Der Start der Impfkampagne war schwierig", hatte Spahn am Freitag in Berlin gesagt. Es habe weniger Impfstoff gegeben als aus EU-Bestellungen erwartet.

Bei den Beratungen der Gesundheitsminister von Bund und Ländern am Samstag dürfte es vor allem um den Impfstoff von Astrazeneca geben. Nach der europäischen Zulassung des Impfstoffes hatte der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission (Stiko) die von seinem Gremium empfohlene Altersvorgabe verteidigt.

Die Daten von Astrazeneca seien nicht ausreichend, um die Wirksamkeit der Impfung in der Altersgruppe ab 65 Jahre beurteilen zu können, sagte Thomas Mertens am Freitagabend bei einer Videoschalte des Science Media Center. Man brauche weitere Informationen dazu, wie gut der Impfstoff auch ältere Menschen vor Covid-19 schütze. Das Präparat von Astrazeneca werde "aktuell aufgrund der derzeit verfügbaren Daten nur für Personen im Alter von 18 bis 64 Jahren empfohlen", hatte die am RKI angesiedelte Impfkommission zuvor erklärt.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Die Edelmetallmärkte

Wegen der unkontrollierten Staats- und Unternehmensfinanzierung durch die Zentralbanken im Schatten der Corona-Krise sind derzeitig...

DWN
Politik
Politik DWN-Kommentar: Deutsche müssen über Abschiebungen diskutieren - mit aller Vorsicht
26.04.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...

DWN
Politik
Politik Tourismus-Branche: „In Hotellerie und Gastgewerbe ist noch nichts wieder in Ordnung“
26.04.2024

Die deutsche Tourismus-Branche, also Hotellerie und Gastronomie, firmiert neuerdings unter dem neuen Sammelbegriff „Gastwelt“ - auch um...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Bürokratieabbau: Ministerin fordert mehr Widerstandsfähigkeit und Effizienz
26.04.2024

Rheinland-Pfalz ist ein mittelständisch geprägtes Land. Gerade kleinere Betriebe hadern mit zu viel bürokratischem Aufwand.

DWN
Politik
Politik Hybride Bedrohungen: Drohnen-Flüge und psychologische Kriegsführung
26.04.2024

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius hat eindringlich vor hybriden Bedrohungen in Deutschland gewarnt. Gegen den Einsatz von...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Gallup-Studie: Globale Führungsbewertung 2024 - wie Deutschland unter Großmächten abschneidet
26.04.2024

Die Gallup-Studie 2024 zeigt die Stabilität und Herausforderungen in der globalen Führungsbewertung für Länder wie USA, Deutschland,...

DWN
Politik
Politik Habeck kontert Kritiker: „Energiekrise gemeistert und Strompreise gesenkt“
26.04.2024

Nach Kritik an Atomausstieg: Habeck und Lemke bestätigen, die Energieversorgung sei gesichert und nukleare Sicherheit gewährleistet.

DWN
Technologie
Technologie Künstliche Intelligenz: Wie sich Deutschland im internationalen Rennen positioniert
26.04.2024

Die Deutsche Industrie macht Tempo bei der KI-Entwicklung. Das geht aus einer kürzlich veröffentlichten Analyse des Deutschen Patent- und...

DWN
Immobilien
Immobilien Commerzbank-Studie: Immobilienpreise könnten weiter fallen
26.04.2024

Deutsche Wohnimmobilien verlieren weiter an Wert. Die Commerzbank sieht ein Abwärtspotenzial von 5 bis 10 Prozent, abhängig von...