Finanzen

China und die USA: Unter dem Schleier geopolitischer Konflikte werden die Finanzbeziehungen deutlich vertieft

Unter der Ebene der geopolitischen Konfrontation ihrer Länder verstärken Investoren aus China und den USA ihre Zusammenarbeit auf den Finanzmärkten beträchtlich.
04.02.2021 14:24
Aktualisiert: 04.02.2021 14:24
Lesezeit: 3 min
China und die USA: Unter dem Schleier geopolitischer Konflikte werden die Finanzbeziehungen deutlich vertieft
Ein Mädchen in Peking betrachtet einen Goldfisch, welcher sich in der Wasseroberfläche spiegelt. (Foto: dpa) Foto: Diego Azubel

Zunehmender geopolitischer Spannungen zwischen beiden Ländern zum Trotz haben Investoren aus den USA und China ihre Beziehungen auf der Ebene der Finanzmärkte im vergangenen Jahr deutlich ausgebaut.

Daten des Anbieters Rhodium Group zufolge sind diese Beziehungen viel tiefer, als aus offiziellen Statistiken hervorgeht. So sollen US-amerikanische Investoren Ende des vergangenen Jahres beispielsweise Aktien chinesischer Unternehmen im Gesamtumfang von rund 1,1 Billionen Dollar besessen haben. Die Schätzung der Rhodium Group übertrifft damit den in offiziellen amerikanischen Statistiken für den September 2020 angegebenen Wert von 211 Milliarden Dollar um ein Vielfaches.

Die Diskrepanz zwischen beiden Zahlen lässt sich teilweise dadurch erklären, dass viele der an US-Börsen gelisteten chinesische Unternehmen ihren Firmensitz – beziehungsweise den Sitz ihrer amerikanischen Tochtergesellschaft oder Holding – in Steuerparadiesen wie den Cayman Islands haben. In der amerikanischen Statistik werden die entsprechenden Aktienbesitzverhältnisse den jeweiligen Steuerparadiesen und nicht China zugeordnet.

Die Investitionen der Chinesen in amerikanische Wertpapiere übersteigen jene der Amerikaner in China wiederum deutlich. Die Rhodium Group beziffert deren Umfang auf über 2 Billionen Dollar, während US-Statistiken von etwa 1,5 Billionen Dollar sprechen.

Geschäftliche Kooperation in Zeiten politischer Entfremdung?

„Statt sich finanziell voneinander zu entkoppeln verfügen die USA und China heute über eine der größten und am schnellsten wachsenden Investmentbeziehungen in der Welt“, zitiert die Financial Times einen Anlageberater des Hedgefonds Seafarer Capital Partners. „Trotz konzertierter Versuche der Trump-Administration, Investitionen in China zu reduzieren, ist der Besitz chinesischer Wertpapiere in den Händen von US-Investoren in den vergangenen Jahren förmlich explodiert.“

Als aktuelles Beispiel der verstärkten Zusammenarbeit verweist die Financial Times auf die Beteiligung der weltweit tätigen US-Investitionsvehikel BlackRock und Fidelity am Börsengang der chinesischen Videoplattform Kuaishou in Hongkong, welcher in der Zeichnungsfrist vor dem ersten Handelstag mit mehr als 4,5 Milliarden Dollar Volumen der größte Börsengang eines Technologie-Unternehmens seit dem Uber-Börsengang im Mai 2019 war. Bis zum Ende des ersten Handelstages am Freitag stieg der Aktienkurs des Unternehmens von 115 auf 300 Hongkong-Dollar (gut 32 Euro), ein Plus von rund 160 Prozent. Der Marktwert der Firma lag damit bei etwa 116 Milliarden Euro. Unmittelbar nach dem Handelsstart hatte sich der Kurs fast verdreifacht. Wie die South China Morning Post berichtet, hatten Investoren in der Zeichnungsfrist rund 1.200 Mal mehr Aktien nachgefragt, als zur Verfügung standen.

Im vergangenen Jahr konnten chinesische Unternehmen bei Börsengängen in den USA zudem rund 19 Milliarden Dollar einnehmen. Dieser Wert repräsentiert einen neuen Höhepunkt, nachdem im Jahr 2014 der chinesische Technologiekonzern Alibaba mit rund 25 Milliarden Dollar den bis dato größten Börsengang der Geschichte an der New York Stock Exchange hingelegt hatte.

Trumps Strategie der Abkopplung liegt auf Eis

Unter US-Präsident Donald Trump hatte die US-Regierung eine Strategie der finanziellen Abkopplung von China betrieben, welche den übergeordneten Handelskonflikt ergänzte. So landeten vornehmlich chinesische Unternehmen aus dem Technologiebereich auf Schwarzen Listen, weil ihnen enge Verbindungen zum Militär nachgesagt wurden. Ende des vergangenen Jahres wurde die Strategie mit dem „Holding Foreign Companies Accountable Act“ in Gesetzesform gegossen. Dieser ermöglicht die Entfernung ausländischer Aktiengesellschaften von amerikanischen Börsen, wenn diese gegen bestimmte Transparenzpflichten verstoßen sollten.

Noch im November 2020 unterzeichnete Trump eine Durchführungsverordnung, die es US-Bürgern untersagt, in bestimmte, auf Listen des Pentagon stehende chinesische Unternehmen, zu investieren. Die neue Regelung liegt derzeit allerdings auf Eis, weil die Biden-Administration alle Verordnungen und Gesetze der Vorgängerregierung auf den Prüfstand gestellt hat. Spätestens am 27. Mai wird sich zeigen, ob die Verordnung in Kraft tritt oder kassiert wird.

Überhaupt ist derzeit noch nicht absehbar, welche politische und ökonomische Gesamtstrategie Präsident Joe Biden gegenüber China verfolgen wird. Generell besteht in Washington eine parteiübergreifende Skepsis bezüglich zu starker wirtschaftlicher Verflechtungen mit China, während die großen Wallstreet-Banken und Vermögensverwalter in der jüngsten Vergangenheit eigene Plattformen geschaffen haben, um mit den Chinesen ins Geschäft beziehungsweise ins Gespräch zu kommen.

Diese Geschäftskontakte sollten in ihrer Funktion für die Beziehungen beider Regierungen nicht unterschätzt werden. Denn je ausgeprägter die ökonomischen Verflechtungen sind, umso schädlicher wären die Folgen eines großen militärischen Konfliktes für beide Seiten. In Analogie zum „Gleichgewicht des Schreckens“, welches als Folge der atomaren Pattsituation dem Kalten Krieg zwischen USA und Sowjetunion ein gewisses Maß an Stabilität verlieh, könnte von einem „Gleichgewicht der Profite“ gesprochen werden - vorausgesetzt, die Kooperationstendenzen manifestieren sich auch weiterhin.

Das Reich der Mitte öffnet seine Tore

Hintergrund und Triebfeder für die gestiegenen Kapitalflüsse aus den USA nach China beziehungsweise in chinesische Wertpapiere ist die Politik der Öffnung, welche Peking seit einiger Zeit verfolgt. Diese manifestiert sich unter anderem in der jüngsten Entscheidung des weltweit systemrelevanten – und trotz seines belgischen Firmensitzes von den USA beeinflussten – Finanznetzwerks Swift, zusammen mit dem Forschungszentrum der chinesischen Notenbank eine Gemeinschaftsfirma in Peking zu gründen.

Das Joint Venture solle sich Medienberichten zufolge mit Datenverarbeitung, Technologieberatung und der Integration von Informationssystemen beschäftigen. Hintergrund ist offenbar die Entwicklung einer digitalen Version der chinesischen Landeswährung Renminbi. An dem Unternehmen sollen noch weitere Partner beteiligt sein, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters.

Die Volksrepublik gilt unter den großen Ländern als Vorreiter in der Entwicklung digitaler Zentralbankwährungen. In mehreren Metropolen wie Schengzhen, Chengdu und Hangzhou wurden bereits großangelegte Probeläufe mit einer Digitalversion der Landeswährung gestartet. Analysten zufolge kann China mit einem e-Yuan Zahlungsströme besser überwachen, die Effizienz im grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr steigern und die internationale Rolle seiner Währung stärken – ein Ziel, an dem Peking ebenfalls seit einiger Zeit mit bislang eher bescheidenem Erfolg arbeitet.

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