Politik

Gericht kippt nächtliche Ausgangssperre in Baden-Württemberg

Lesezeit: 2 min
08.02.2021 13:21  Aktualisiert: 08.02.2021 13:21
Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat dem Eilantrag einer Klägerin gegen die nächtliche Ausgangssperre stattgegeben. Es ist nicht das erste Mal, dass Gerichte Lockdown-Maßnahmen der Politik in der jüngsten Vergangenheit gekippt hatten.
Gericht kippt nächtliche Ausgangssperre in Baden-Württemberg
Stuttgart: Ein Polizeibeamter spricht während einer Verkehrskontrolle zur Einhaltung der coronabedingten Ausgangsbeschränkungen mit einer Rollerfahrerin. (Foto: dpa)
Foto: Sebastian Gollnow

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

In Baden-Württemberg hat die Justiz die coronabedingte nächtliche Ausgangssperre gekippt. Der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim entschied in einem am Montag veröffentlichten Beschluss, dass die Ausgangsbeschränkungen von 20 Uhr bis 5 Uhr noch diese Woche außer Vollzug gesetzt werden müssen. Zum letzten Mal gelten sie in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag. Damit war der Eilantrag einer Klägerin aus Tübingen erfolgreich.

Der 1. Senat argumentierte, die Regelung des Bundeslandes habe zuletzt die gesetzlichen Voraussetzungen nicht mehr erfüllt. Dem Infektionsschutzgesetz zufolge seien Ausgangsbeschränkungen nur möglich, wenn ihr Unterlassen zu Nachteilen in der Pandemiebekämpfung führe. Sie kämen nur dann in Betracht, wenn der Verzicht auf Ausgangsbeschränkungen - auch unter Berücksichtigung aller anderen ergriffenen Maßnahmen - zu einer wesentlichen Verschlechterung des Infektionsgeschehens führe.

Zudem müsse die Landesregierung prüfen, ob diese Ausgangsbeschränkungen landesweit angeordnet werden müssten oder ob differenziertere, am regionalen Infektionsgeschehen orientierte Regelungen in Betracht kämen. Den gesetzlichen Anforderungen habe das Land zuletzt - anders als Ende Dezember und Mitte Januar, als Eilanträge erfolglos blieben - nicht mehr entsprochen.

Der Südkurier kommentiert das Urteil folgendermaßen:

"Größer könnte die Blamage für die Landesregierung kaum sein. Wieder einmal kippt ein Gericht eine Corona-Verordnung: Die Baden-Württemberger dürfen nachts wieder ins Freie - und dies kurz vor Fastnacht. Der Richterspruch ruft dem Ministerpräsidenten und seinem Kabinett in Erinnerung, dass jede Freiheitsbeschränkung hieb- und stichfest begründet sein muss. Eine so rabiate Verordnung wie eine nächtliche Ausgangssperre stand somit von Anfang an auf tönernen Füßen. Angesichts sinkender Inzidenzzahlen ist sie nicht mehr zu halten. Fraglich bleibt, warum die Landesregierung nicht besser auf der Hut war. An Warnungen fehlte es jedenfalls nicht. So verlangten SPD und FDP - als hätten sie das Mannheimer Urteil vorausgeahnt - im Landtag eine Lockerung der Ausgangssperre. Regierungschef Kretschmann und sein Gesundheitsminister Lucha wollten davon nichts hören und verwiesen pauschal auf Erfahrungen aus Österreich. Jetzt verdonnert sie ein Gericht zum Nachsitzen."

Bayerns Verwaltungsgerichtshof setzt Alkoholverbot außer Kraft

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hatte am 19. Januar das bayernweite Alkoholverbot im öffentlichen Raum vorläufig außer Vollzug gesetzt. Das Gericht gab damit dem Eilantrag einer Privatperson aus Regensburg statt. Zur Begründung teilte das Gericht mit, dass nach Infektionsschutzgesetz Alkoholverbote nur an bestimmten öffentlichen Plätzen vorgesehen seien. Die Anordnung eines Alkoholverbots für die gesamte Fläche des Freistaats Bayern überschreite daher die Verordnungsermächtigung, die der Bundesgesetzgeber hier erteilt habe. Die Entscheidung des Senats gelte ab sofort bis zu einer Entscheidung.

Die bayerische Regierung will deshalb nun den Kommunen wieder lokale Verbote ermöglichen. "Die Entscheidung des VGH ist bedauerlich, da Alkohol enthemmt und dazu beiträgt, mit den unbedingt nötigen Hygieneabständen laxer umzugehen", teilte die Staatskanzlei der Deutschen Presse-Agentur mit. "Wir werden daher die alte Regelung wieder in Kraft setzen, wonach die Kommunen bestimmte Plätze festlegen, an denen der Alkoholkonsum im öffentlichen Raum verboten ist."

Seit der zweiten Dezemberwoche durfte wegen der Corona-Pandemie in ganz Bayern Alkohol nicht mehr in der Öffentlichkeit getrunken werden. "Der Konsum von Alkohol im öffentlichen Raum wird untersagt", hieß es in der Corona-Verordnung des Freistaates.

Der Eilantrag richtete sich auch gegen die 15-Kilometer-Regelung für tagestouristische Ausflüge, gegen Kontaktbeschränkungen sowie die Schließung von Bibliotheken und Archiven. Eine Außervollzugsetzung lehnte das oberste bayerische Verwaltungsgericht hier aber ab.

Die Kontaktbeschränkungen seien vom Infektionsschutzgesetz gedeckt und angesichts des aktuellen Geschehens verhältnismäßig. Bei der Schließung von Bibliotheken und Archiven sei offen, ob diese angesichts fehlender Ausnahmen für Bring- und Abholdienste verhältnismäßig sei. Bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache überwiege aber das öffentliche Interesse an der Eindämmung der Corona-Pandemie gegenüber dem individuellen Interesse des Antragstellers.

Den Antrag, die 15-Kilometer-Regelung für tagestouristische Ausflüge außer Vollzug zu setzen, wies der Senat als unzulässig ab - der Antragsteller sei von der Regelung derzeit nicht betroffen, da Regensburg unter der Sieben-Tages-Inzidenz von 200 liege und die Regel damit nicht gelte. Der Senat traf damit aber keine Aussage über die Rechtmäßigkeit der Regelung.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Ratgeber
Ratgeber Sichere Mobilgeräte für Ihr Business: Das Samsung Security Ecosystem

In vielen Unternehmen sind Smartphones und Tablets längst zum unverzichtbaren Arbeitsmittel geworden. Je nach Einsatzgebiet sind die...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Das wahre Problem mit Chinas Wirtschaft
22.09.2023

Chinas Wirtschaft ist auf einem stetigen Konjunkturabschwung. Beobachter sind sich einig: die BIP-Raten werden vergangene Jahre nicht...

DWN
Immobilien
Immobilien Preise für Wohnimmobilien fallen in Rekordtempo
22.09.2023

Deutsche Wohnimmobilien waren im zweiten Quartal knapp 10 Prozent billiger als im Vorjahreszeitraum. Die Neubaupreise in Großstädten sind...

DWN
Politik
Politik Russland plant massiven Anstieg der Militärausgaben
22.09.2023

Russland plant für 2024 einen massiven Anstieg der Verteidigungsausgaben, da kein Ende des Kriegs absehbar ist. Doch offenbar kann das...

DWN
Politik
Politik Steuererhöhung bei Silber: „Der Staat nimmt jetzt weniger ein“
22.09.2023

Der Staat hat die Steuern auf viele Silbermünzen drastisch erhöht. Anleger bezahlen seit knapp einem Jahr über 10 Prozent mehr. Dennoch...

DWN
Politik
Politik Wieder Straßenblockaden fürs Klima in Berlin
22.09.2023

Man wolle Berlin mit Straßenblockaden lahmlegen, hatte die Letzte Generation ihre Aktionswochen angekündigt. Autofahrer sind genervt und...

DWN
Panorama
Panorama Hochsensibilität in der Arbeitswelt – Das verkannte Potential
22.09.2023

Es ist ein recht junges Forschungsfeld, über das es noch nicht allzu viele Erkenntnisse gibt. Das Thema Hochsensibilität findet in der...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Kleiner Lichtblick für deutsche Wirtschaft
22.09.2023

Die deutsche Wirtschaft schrumpft weiter, aber nicht mehr so schnell, wie der Einkaufsmanagerindex für September zeigt. Dennoch ist kein...

DWN
Immobilien
Immobilien Verbände boykottieren Wohnungsgipfel mit Bundesregierung
22.09.2023

Die Wohnungswirtschaft erhebt vor dem Gipfel im Kanzleramt schwere Vorwürfe gegen die Bundesregierung. Zwei Verbände bleiben dem Treffen...