Union und SPD wollen ohne jede Einschränkung durch die Schuldenbremse für 2022 Milliarden-Kredite zur Pandemie-Bewältigung aufnehmen. "Es ist zu begrüßen, dass sich bei der Union hier offenbar auch eine pragmatische Haltung durchsetzt", sagte SPD-Vizefraktionschef Achim Post am Freitag der Nachrichtenagentur Reuters. "Weil die Krise noch nicht überwunden ist, spricht viel dafür, die Schuldenbremse auch beim nächsten Bundeshaushalt erneut auszusetzen."
CDU-Chefhaushälter Eckhardt Rehberg hatte zuvor eingeräumt, die "enorme Lücke" zwischen gesunkenen Steuereinnahmen und erhöhten Ausgaben sei "anders als durch noch mehr Neuverschuldung nicht zu schließen".
Rehberg stärkte damit CDU-Chef Armin Laschet den Rücken, der zuvor eine Einhaltung der Schuldenbremse 2022 ausgeschlossen hatte. In Teilen der Union war vor einer zu frühen Preisgabe der Schuldenbremse gewarnt worden, damit Druck auf der Ausgabendisziplin bleibe. Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) hatte noch Anfang Februar für deren Einhaltung plädiert.
FDP-Haushälter Otto Fricke sagte der "Rheinischen Post", Laschet habe mit seiner Ankündigung, die Schuldenbremse auch 2022 auszusetzen, "die Schleusen frühzeitig geöffnet, obwohl noch gar nicht klar ist, ob es regnen wird und das Wasser wirklich über die Ufer treten könnte".
Rehberg dagegen sagte dem Blatt, es gebe mit den zusätzlichen Ausgaben für den Gesundheitsschutz, die Garantie zur Stabilisierung der Sozialbeiträge und die Wirtschaftshilfen genügend Punkte, mit denen sich die erneute Aussetzung der Schuldenbremse 2022 verfassungsrechtlich begründen lasse.
GRÜNE FORDERN INVESTITIONSKLAUSEL IN SCHULDENBREMSE
Finanzminister Olaf Scholz (SPD) will am 24. März dem Kabinett die Eckwerte für den Etat 2022 und die Finanzplanung bis 2025 vorlegen. Die Union dringt darauf, dass es bei einer Aussetzung der Schuldenbremse nur für ein weiteres Jahr bleibt. Es wäre bereits das dritte Jahr in Folge, in dem die Bremse nicht greift. "Ein Aussetzen Jahr für Jahr schafft keine Verlässlichkeit", kritisierten die Grünen. "Wir müssen die Konjunktur wieder anwerfen und parallel in unsere Zukunft investieren." Grünen-Fraktionsvize Anja Hajduk und Haushälter Sven-Christian Kindler forderten daher erneut, die Schuldenbremse um eine Investitionsklausel zu ergänzen. Dadurch könnten Nettoinvestitionen über Kredite finanziert werden.
Die Schuldenbremse beschränkt die Neuverschuldung des Bundes auf 0,35 Prozent der Wirtschaftsleistung. Nach früheren Berechnungen wären das 2022 etwa zehn Milliarden Euro. Allein für dieses Jahr sind 180 Milliarden Euro neue Schulden geplant.
Allerdings wächst der finanzielle Druck auf Scholz, den Rahmen für neue Schulden bereits 2021 durch einen Nachtragsetat nochmals zu erhöhen. Die mit dem Lockdown verbundene Kurzarbeit wird den Bundeshaushalt weitaus stärker belasten als geplant. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) veranschlagt dafür nun weitere 6,3 Milliarden Euro. Die bisher geplanten Mittel würden damit verdoppelt. Die Mehrausgaben übernimmt laut einer Vereinbarung vom vorigen Jahr der Bund. Im Bundesetat sind zwar Milliardenreserven für die Pandemie-Bewältigung vorgesehen. Durch hohe Kosten für Impfungen, Tests und Wirtschaftshilfen ist aber bereits ein Nachtragsetat in der Diskussion.