Politik

Rückkehr des Nordirland-Konflikts? Pro-britische Milizen setzen Unterstützung für historisches Karfreitags-Abkommen aus

In Nordirland spitzt sich die Lage nach dem Brexit zu. Mehrere protestantisch-britische Milizen kündigen eine Aussetzung des historischen Karfreitags-Abkommens mit katholisch-irischen Nationalisten an.
04.03.2021 15:58
Lesezeit: 2 min
Rückkehr des Nordirland-Konflikts? Pro-britische Milizen setzen Unterstützung für historisches Karfreitags-Abkommen aus
Radrennfahrer fahren an Wandgemälden pro-britischer Milizen in Belfast vorbei. (Foto: dpa) Foto: Paul Mcerlane

Der Nordirland-Konflikt droht wegen des eskalierenden Streits über die Folgen des Austritts Großbritanniens aus der EU wiederaufzuflammen. Pro-britische Milizen erklärten, dass sie ihre Unterstützung für das historische Karfreitags-Friedensabkommen von 1998 aufgrund von Bedenken an den Sonderregelungen für Nordirland nach dem britischen EU-Ausstieg einstweilen aussetzten. Sie kündigten zwar einen gewaltfreien Widerstand an. Ihre Warnung erhöhte aber den Druck auf die Regierung in London und die EU.

Der Streit zwischen beiden Seiten verschärfte sich bereits am Mittwoch nach der britischen Ankündigung, die Zollschonfrist für Agrar- und Lebensmitteltransporte nach Nordirland einseitig bis zum 1. Oktober zu verlängern. Aus Protest gegen das britische Vorpreschen lehnten es die Fraktionschefs im EU-Parlament am Donnerstag ab, einen Termin für eine Abstimmung über das Brexit-Handelsabkommen festzusetzen. Irland warf Großbritannien vor, kein vertrauenswürdiger Partner zu sein.

In Schreiben an Premierminister Boris Johnson, die irische Regierung und EU-Kommissionsvizepräsident Maros Sefcovic forderten nordirische Unionisten-Gruppen wie die Ulster Volunteer Force, die Ulster Defence Association und das Red Hand Commando Änderungen an dem Nordirland-Protokoll im Brexit-Abkommen, um künftig einen vollkommen ungehinderten Handel zwischen Großbritannien und Nordirland zu gewährleisten . Bislang gelten trotz des Brexit zwischen dem zu Großbritannien gehörenden Nordirland und der britischen Hauptinsel noch gewisse Zollbeschränkungen.

Diese verbliebenen Zollbeschränkungen sind eine Folge des Versuch, den Frieden zwischen pro-britischen protestantischen Unionisten und pro-irischen kathloischen Nationalisten nach jahrzehntelangem Untergrundkampf zu wahren. Denn alle Seiten sind sich weitgehend darüber einig, dass eine harte Grenze zwischen dem zur EU gehörenden Irland und Nordirland zu verhindern sei, um alte Gräben nicht wieder aufzureißen. Die offene Grenze zwischen Irland und Nordirland machte es aber erforderlich, dass zwischen Nordirland und der britischen Hauptinsel gewisse Zollbeschränkungen gelten, damit Großbritannien nicht über die irisch-nordirische Grenze freien Zugang zum EU-Binnenmarkt hat.

Damit fallen aber Waren, die von Großbritannien nach Nordirland geliefert werden, weiter unter EU-Vorschriften, womit es eine Zollregelung innerhalb des Vereinigten Königreichs gibt - mit entsprechendem bürokratischem Aufwand. Den pro-britischen Unionisten ist diese Regelung ein Dorn im Auge, weil sie eine Annäherung zwischen Nordirland und Irland fürchten.

Die britische Regierung äußerte sich nicht zu der Drohung der radikalen Gruppen aus Nordirland, bemühte sich aber im Streit mit der EU um Beruhigung. "Ich bin sicher, dass mit etwas gutem Willen und gesundem Menschenverstand all diese technischen Probleme hervorragend lösbar sind", sagte Johnson auf einer Reise nach Nordostengland. Ein Regierungssprecher sagte, die EU sei bereits Anfang der Woche von dem britischen Vorgehen informiert worden. Es sei auch kein Verstoß gegen das Handelsabkommen mit der EU.

Die Regierung in London hatte am Mittwoch angekündigt, Zollerleichterungen für Agrar- und Lebensmitteltransporte nach Nordirland einseitig bis zum 1. Oktober zu verlängern. Diese Ausnahmeregelung zur Vermeidung von Lieferengpässen ist laut Brexit-Vereinbarung bis Ende März befristet. Gespräche zwischen beiden Seiten über eine Verlängerung brachten seit Wochen kein Ergebnis. Die EU verurteilte das britische Vorgehen als Verletzung des Nordirland-Protokolls und drohte mit rechtlichen Schritten. Der irische Außenminister Simon Coveney sagte dem Sender RTE, das Verhalten der britischen Regierung zeige, dass man ihr "einfach nicht trauen kann, und das ist nicht das erste Mal, dass dies passiert ist".

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Technologie
Technologie Meta trainiert KI mit Ihren Daten – ohne Ihre Zustimmung. So stoppen Sie das jetzt!
09.05.2025

Ab dem 27. Mai analysiert Meta öffentlich sichtbare Inhalte von Facebook- und Instagram-Nutzern in Europa – zur Schulung seiner...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Silicon Valley wankt: Zölle, Zoff und zerplatzte Tech-Träume
08.05.2025

Während Europa auf seine Rezession zusteuert und China seine Wirtschaft auf staatlicher Kommandobasis stabilisiert, gibt es auch im sonst...

DWN
Panorama
Panorama Verkehrswende: Ariadne-Verkehrswendemonitor zeigt Entwicklung auf
08.05.2025

Wie sich die Verkehrswende in Deutschland aktuell entwickelt, ist nun auf einer neuen Onlineplattform des Potsdam-Instituts für...

DWN
Finanzen
Finanzen Inflation bewältigen: 7 Strategien für finanzielle Stabilität, weniger Belastung und einen nachhaltigeren Lebensstil
08.05.2025

Wer die eigenen Ausgaben kennt, kann gezielt handeln. So behalten Sie die Kontrolle über Ihr Geld. Mit Budgetplanung und klugem Konsum...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Maschinenbau: Bedeuten die Trump-Zölle das Ende einer deutschen Schlüsselindustrie?
08.05.2025

Der Maschinenbau befindet sich seit Jahren im Dauerkrisenmodus. Nun droht die fatale Zollpolitik des neuen US-Präsidenten Donald Trump zum...

DWN
Politik
Politik Anti-Trump-Plan: Halbe Milliarde Euro für Forschungsfreiheit in Europa
08.05.2025

Während US-Präsident Trump den Druck auf Hochschulen erhöht, setzt EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auf gezielte Anreize...

DWN
Technologie
Technologie Bitkom-Umfrage: Deutsche kritisieren Abhängigkeit von KI-Anbietern aus dem Ausland
08.05.2025

Die Bevölkerung in Deutschland verwendet zunehmend Anwendungen auf Basis künstlicher Intelligenz. Gleichzeitig nimmt die Sorge über eine...

DWN
Politik
Politik Migrationspolitik: Wie die Neuausrichtung an den deutschen Außengrenzen aussehen könnte
08.05.2025

Das Thema illegale Migration und wer bei irregulärer Einreise an deutschen Landesgrenzen zurückgewiesen wird, beschäftigt die Union seit...