Im November 2004 sagte der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder, er sei überzeugt, dass Wladimir Putin, der damalige und aktuelle russische Präsident, ein „lupenreiner Demokrat“ sei. Zudem sprach Schröder von einem „Grundvertrauen“, dass zwischen ihm und Putin herrsche und „dass man einander die Wahrheit sagt“.
Solche Formulierungen aus dem Munde eines führenden deutschen Politikers oder dem Politiker eines anderen europäischen Landes sind heute kaum noch vorstellbar. Sicherlich waren die Beziehungen zwischen der EU und Russland auch im November 2004 schon nicht unproblematisch, doch seither hat sich das Verhältnis weiter verschlechtert, und es scheint immer schlimmer zu werden.
Die politischen Entscheidungsträger in Brüssel und Berlin zeigen schon lange kein Interesse mehr an guten Beziehungen. Und in der Folge scheint Russland den Glauben an eine mögliche Besserung der Beziehungen verloren haben. Dies zeigte sich ganz deutlich Anfang Februar, als der Chefdiplomat der Europäischen Union, Josep Borrell, Moskau besuchte.
Borrel traf dort Russlands Außenminister Sergei Lawrow, der am Ende der gemeinsamen Pressekonferenz sagte: „Wir gewöhnen uns an die Tatsache, dass die Europäische Union versucht, einseitige und illegitime Beschränkungen zu verhängen, und wir agieren nun unter der Annahme, dass die Europäische Union ein unzuverlässiger Partner ist.“
Zuvor hatte der russische Außenminister wiederholt die Sanktionen der EU gegen Russland nach der sogenannten Annexion der Krim im März 2014 kritisiert, die „unter falschen Vorwänden“ verhängt worden seien. Zudem wies er Borrels Forderungen nach einer Freilassung des inhaftierten russischen Oppositionellen Alexei Nawalny zurück.
In seiner Eröffnungsrede hatte Lawrow mit dieser Formulierung aufhorchen lassen. „Das Hauptproblem, mit dem wir alle konfrontiert sind, ist die fehlende Normalität in den Beziehungen zwischen Russland und der Europäischen Union – den beiden größten Akteuren im eurasischen Raum. Es ist eine ungesunde Situation, die niemandem nützt.“
Lawrow geht offenbar davon aus, dass sich an dieser „ungesunden Situation“ vorerst nichts ändern wird. Der Westen wird die Sanktionen aufrechterhalten, die NATO wird ihre Erweiterung entlang der russischen Grenzen fortsetzen und die Einmischungen des Westens in die inneren Angelegenheiten Russlands werden anhalten.
In den USA dient Russland schon seit Jahren als Feindbild. So wurde Russland etwa für den Wahlsieg von Donald Trump im Jahr 2016 verantwortlich gemacht. Als Reaktion auf diese angebliche Einmischung Russlands in die US-Präsidentenwahl haben die USA im Jahr 2019 einen beispiellosen Cyberangriff auf das russische Stromnetz gestartet.
Laut John Bolton, dem nationalen Sicherheitsberater von Präsident Trump zu diesem Zeitpunkt, waren die Angriffe auf das russische Stromnetz eine Warnung an Russland und andere Staaten, die sich an Cyberangriffen auf die USA beteiligen. „Ihr werdet einen Preis bezahlen“, wurde Bolton damals in der New York Times zitiert.
Dass der Westen mit Russland heute ähnlich umgeht wie einst mit der Sowjetunion, scheint absurd, mindestens aber übertrieben. Denn nach 1991 hat das Land dem Westen massive Zugeständnisse gemacht und seine Truppen aus Osteuropa und den baltischen Staaten abgezogen, während die NATO sich in der Folge immer weiter in Richtung Osten erweiterte.
Bis heute folgt Putin in vielen Punkten den Vorstellungen der westlichen Eliten, die ihn aber dennoch verteufeln. So befürwortet Russland etwa den Kampf gegen den Klimawandel, indem die CO2-Emissionen gesenkt werden – obwohl Russland selbst aufgrund seiner geografischen Lage in keiner Weise von der globalen Erwärmung bedroht ist.
Auch in der Coronakrise folgt Russland dem Westen, setzt auf Kontaktsperren, Lockdowns und Impfungen. Im Dezember startete das Land Massenimpfungen, wobei der russische Impfstoff Sputnik-V aber billiger, besser, einfacher zu handhaben und vor allem wohl auch sicherer ist als die neuartigen Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna.
Auch Deutschland ist auffällig engagiert bei der Verteufelung von Putins Russland. So vertrat Bundeskanzlerin Angela Merkel persönlich die Behauptung, dass der russische Dissident Nawalny, der in der Berliner Charité behandelt wurde, mit einem militärischen Nervenkampfstoff vergiftet worden sei.
Deutschland hat neben allen positiven Verbindungen zu Russland leider auch eine lange Tradition der Feindschaft, die im Zweiten Weltkrieg ihren bisherigen Höhepunkt fand. Nun suchen die deutschen Eliten – ermutigt durch die Unterstützung aus den USA und Großbritannien – erneut die Konfrontation mit Russland.