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Corona-Rückholaktion: Bundesregierung will von Bürgern 17,9 Millionen Euro abkassieren – Tickets bis 1.000 Euro

Lesezeit: 2 min
16.03.2021 15:07  Aktualisiert: 16.03.2021 15:07
Ein Jahr nach Beginn der größten Corona-Rückholaktion in der Geschichte der Bundesrepublik hat die Regierung mit 17,9 Millionen Euro erst ein Fünftel der Gesamtkosten von den Passagieren abkassiert. Die Ticketpreise belaufen sich auf bis zu 1.000 Euro. Doch einige Bürger wehren sich gerichtlich gegen die Forderungen.
Corona-Rückholaktion: Bundesregierung will von Bürgern 17,9 Millionen Euro abkassieren – Tickets bis 1.000 Euro
Touristen stehen am Flughafen. Mehr als 300 Deutsche warten auf dem internationalen Flughafen Ninoy Aquino auf einen Lufthansa-Flug, der von der deutschen Botschaft auf den Philippinen wegen der Covid-19-Pandemie gechartert wurde. (Foto: dpa)

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Ein Jahr nach Beginn der größten Rückholaktion in der Geschichte der Bundesrepublik hat die Regierung mit 17,9 Millionen Euro erst ein Fünftel der Gesamtkosten von den Passagieren abkassiert. Ziel ist es, sich etwa das Doppelte von den 67 000 wegen der Corona-Krise gestrandeten Deutschen und anderen EU-Bürgern zurückzuholen, die von der Regierung nach Hause gebracht wurden.

Etwa 21 000 Rechnungen wurden aber noch gar nicht verschickt, wie die Deutsche Presse-Agentur aus dem Auswärtigen Amt erfuhr. Begründet wird das mit großem bürokratischen Aufwand und erschwerten Arbeitsbedingungen wegen der Pandemie.

Außenminister Heiko Maas (SPD) hatte die Aktion am 17. März 2020 - an diesem Mittwoch vor genau einem Jahr - zusammen mit Reiseveranstaltern und Fluggesellschaften gestartet, nachdem viele Länder kurzfristig Grenzen geschlossen und Flugverbindungen gekappt hatten. Insgesamt wurden etwa 240 000 Reisende zurückgebracht. Die Reiseveranstalter flogen die Touristen, die bei ihnen gebucht hatten, selbst kostenlos aus.

Ticketpreise bis 1000 Euro

Für Individualreisende und andere Rückkehrwillige charterte das Auswärtige Amt Maschinen, die 260 Flüge absolvierten und bis Ende April etwa 67 000 Menschen aus rund 65 Ländern zurückbrachten. Von Juni an wurden die Rückkehrer zur Kasse gebeten. Die Gesamtkosten wurden damals auf 93,8 Millionen Euro geschätzt, knapp 40 Prozent davon sollen die Flugpassagiere selbst übernehmen.

Die Ticketpreise liegen etwa im Bereich günstiger Economy-Tickets für die jeweiligen Regionen. Für Flüge von den Kanarischen Inseln und Nordafrika müssen 200 Euro gezahlt werden, für das südliche Afrika und die Karibik 500 Euro, Rückkehrer aus Südamerika und Asien müssen 600 Euro zahlen, und wer aus Neuseeland, Australien oder von einer Südseeinsel zurückgeholt wurde, erhält eine Rechnung über 1000 Euro.

„Luftbrücke“ bis ans Ende der Welt

Gerade bei den Fernflügen kann mit der Beteiligung in dieser Höhe nur ein Teil der Gesamtkosten beglichen werden. Die «Luftbrücke» - wie Maas die Aktion bezeichnete - reichte bis ans andere Ende der Welt. Der abgelegenste Ort, aus dem Deutsche zurückgeholt wurden, waren die Cook-Inseln im Südpazifik - mehr als 16 000 Kilometer entfernt. Von dort, aus West-Samoa sowie aus den pazifischen Inselstaaten Vanuatu und Tonga wurden in einer besonders kostspieligen Einzelaktion mit zwei Flugzeugen 66 Deutsche sowie 34 Bürger aus anderen EU-Ländern abgeholt.

Bis zum vergangenen Freitag wurden nach Angaben aus dem Auswärtigen Amt 34 953 Zahlungsbescheide an Passagiere aus Deutschland verschickt, weitere 21 000 sollen noch folgen. Die restlichen Passagiere aus anderen EU- und Drittstaaten erhalten keinen individuellen Bescheid. Die Bundesregierung will in diesen Fällen an den jeweiligen Heimatstaat herantreten und Rückforderungen geltend machen.

113 Klagen: Nicht jeder Passagier will zahlen

Nach Erfahrungen des Auswärtigen Amts werden 80 Prozent der Rechnungen fristgerecht beglichen. Allerdings gibt es auch Passagiere, die sich vor Gericht dagegen wehren, den Rückflug bezahlen zu müssen. 113 Verfahren laufen derzeit noch. Bislang gibt es in keinem Fall eine inhaltliche Entscheidung. 17 Klagen wurden zurückgezogen. Aus Sicht des Auswärtigen Amts ist die Forderung einer Kostenbeteiligung durch das Konsulargesetz abgedeckt. Eine genaue Höhe wird darin allerdings nicht genannt.

Dass bei weitem noch nicht alle Rechnungen verschickt wurden, erklärt man im Ministerium mit dem großen Aufwand. «Die Abrechnung der Rückholaktion stellt unsere Strukturen vor große Herausforderungen», heißt es. In normalen Jahren habe man nur mit durchschnittlich 800 sogenannten Konsularfällen zu tun - also Deutschen, die im Ausland in Schwierigkeiten geraten sind. Nun seien es 67 000. Außerdem verlangsamten die Sicherheits- und Hygienekonzepte wegen der Corona-Krise die Bearbeitung - also Home Office, Schichtbetrieb und Einzelbelegung von Büros.

Abwicklung bis zum Ende des Sommers

Ein Teil des Auswärtigen Amts wird sich also noch eine Weile als «Reisebüro» mit der Abwicklung befassen. Im Ministerium geht man davon aus, dass bis Ende des Sommers die letzten Rechnungen verschickt sind. Eins steht fest: Eine Wiederholung der Aktion wird es zumindest während dieser Pandemie nicht geben. Dazu tragen auch die Reisebeschränkungen bei, die vor einem Jahr gleichzeitig mit der Rückholaktion gestartet wurden. Zeitweise galt sogar eine Reisewarnung für die ganze Welt. Jetzt sind noch etwa 160 von insgesamt rund 200 Ländern ganz oder teilweise betroffen.


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