Politik

Korporatokratie: „Great Reset“ wird Mittelschicht und Mittelstand ausradieren

Der„Great Reset“ ist ein sogenanntes Korporatokratie-Projekt, bei dem Macht und Regierung von den Konzernen ausgehen wird: „Steigerung des Wohlstands für die Wenigen, wirtschaftliche Gleichheit unter reduzierten Bedingungen, einschließlich des universellen Grundeinkommens, für den Rest“.
04.05.2021 13:59
Lesezeit: 5 min
Korporatokratie: „Great Reset“ wird Mittelschicht und Mittelstand ausradieren
Der Gründer des Weltwirtschaftsforums (WEF), Klaus Schwab. (Foto: dpa)

+++Dieser Artikel vom 16. März 2021 wird auf Wunsch nochmal veröffentlicht+++

Wer in der „Great Reset“-Initiative des Weltwirtschaftsforums (WEF) lediglich die Schaffung eines neuen Wirtschaftsmodells gemäß den Vorgaben des Stakeholder-Kapitalismus sieht, der täuscht sich. Die Initiative zielt darauf ab, unser Denken, unsere Lebensweise, unsere Essgewohnheiten und unseren Umgang miteinander nachhaltig zu verändern.

Friedrich August von Hayek hatte in seinem Werk „The Nature and History of the Problem“ die kollektivistische Wirtschaftsplanung im Rahmen des Sozialismus in zwei Aspekte unterteilt: die Ziele und die Mittel.

Das sozialistische Mittel ist die kollektivistische Planung, während die Ziele, zumindest im proletarischen Sozialismus, das kollektive Eigentum an den Produktionsmitteln und die „gleiche“ oder „gerechte“ Verteilung der Endprodukte sind. Er führte aus, dass die kollektivistische Planung in den Dienst anderer Ziele als der des proletarischen Sozialismus gestellt werden kann.

Beispielsweise könne eine aristokratische Diktatur die gleichen Methoden anwenden, um das „Interesse einer Rasse oder einer anderen Elite zu fördern oder um einem anderen entschieden anti-gleichberechtigten Zweck zu dienen“.

Während die Stakeholder eines Unternehmens nicht unbedingt per se Monopole darstellen würden, besteht das Ziel des WEF darin, diesen Stakeholdern des Unternehmens so viel Kontrolle über Produktion und Vertrieb wie möglich zu übertragen, um Hersteller zu eliminieren, deren Produkte oder Prozesse als unnötig oder schädlich angesehen werden, so der Wissenschaftler Michael Rectenwald in einem Beitrag des „Ludwig Mises Institute“ (LMU). Schädlich wären sie nach Ansicht des WEF beispielsweise dann, wenn sie gegen die Richtlinien für „eine gerechtere, grünere Zukunft“ widersprechen würden.

Rectenwald führt aus: „Dies würde natürlich Produktions- und Verbrauchsbeschränkungen und ebenso eine erweiterte Rolle der Regierungen zur Durchsetzung solcher Beschränkungen mit sich bringen - oder, wie Klaus Schwab im Kontext der Covid-Krise festgestellt hat, ,die Rückkehr des Big Government'“.

Schwab und das WEF fördern den Stakeholder-Kapitalismus gegen einen angeblich grassierenden Neoliberalismus. Neoliberalismus ist ein nichtssagendes Wort, das für alles steht, was Linke im Zusammenhang mit der sozioökonomischen Ordnung für falsch halten. Schwab & Co. bieten uns den Neoliberalismus, von dem insbesondere die Mitglieder des WEF bisher profitiert hatten, plötzlich als Quelle unserer wirtschaftlichen Probleme an. Als Lösungsvorschlag wird uns hingegen eine Art „Korporatokratie“ angeboten.

Das Ziel des WEF ist es jedoch nicht, jeden Aspekt der Produktion zu planen und damit alle individuellen Aktivitäten zu lenken. Ziel ist es vielmehr, die Möglichkeiten für individuelle Aktivitäten, einschließlich der Aktivitäten von Konsumenten, zu begrenzen, indem Industrien und Produzenten innerhalb von Industrien aus der Wirtschaft verdrängt werden. „Jedes Land, von den USA bis nach China, muss teilnehmen, und jede Branche, von Öl und Gas bis hin zu Technologie, muss transformiert werden“, so Schwab in seinem Aufsatz „Now is the time for a 'great reset'“, der bereits am 3. Juni 2020 veröffentlicht wurde.

Und hier passt erneut ein Hayek-Zitat: „Als das mittelalterliche Gildensystem auf seinem Höhepunkt war und die Handelsbeschränkungen am größten waren, wurden sie nicht als Mittel verwendet, um die individuellen Aktivitäten tatsächlich zu lenken.“

Ebenso zielt der „Great Reset“ nicht auf eine streng kollektivistische Planung der Wirtschaft ab, sondern empfiehlt und fordert neofeudalistische Beschränkungen, die seit dem Mittelalter über alles hinausgehen würden, was wir bisher kannten – außer im Staatssozialismus selbst. 1935 stellte Hayek fest, inwieweit wirtschaftliche Beschränkungen bereits zu Marktverzerrungen geführt hatten: „Mit unseren Versuchen, den alten Apparat des Restriktionismus als Instrument der fast alltäglichen Anpassung an Veränderungen zu nutzen, sind wir wahrscheinlich bereits viel weiter in Richtung einer zentralen Planung der gegenwärtigen Aktivitäten gegangen als jemals zuvor. Es ist wichtig bei jeder Untersuchung der Planungsmöglichkeiten zu erkennen, dass es ein Trugschluss ist, anzunehmen, dass der Kapitalismus, wie er heute existiert, die Alternative ist. Wir sind sicherlich so weit vom Kapitalismus in seiner reinen Form entfernt wie von jedem System der zentralen Planung. Die heutige Welt ist nur ein interventionistisches Chaos.“

An dieser Stelle zieht Rectenwald einen direkten Vergleich zu den Zielen des „Great Reset“:

„Ich nenne diesen Neofeudalismus ,Unternehmenssozialismus‘ - nicht nur, weil die Rhetorik, Anhänger zu gewinnen, aus der sozialistischen Ideologie stammt (,Fairness‘, ,wirtschaftliche Gleichheit‘, ,kollektives Gut‘, ,gemeinsames Schicksal‘ usw.), sondern auch, weil die Realität im Nachhinein de facto eine monopolistische Kontrolle der Produktion durch die Beseitigung nicht konformer Produzenten – d.h. eine Tendenz zum Monopol über die Produktion, die für den Sozialismus charakteristisch ist – mit sich bringen wird. Diese Interventionen würden nicht nur zu dem bereits bestehenden ,interventionistischen Chaos‘ beitragen, sondern die Märkte in einem Ausmaß verzerren, was außerhalb der zentralisierten sozialistischen Planung an sich beispiellos wäre. Die Eliten könnten versuchen, a priori zu bestimmen, welche Bedürfnisse und Wünsche der Konsument durch Beschränkung der Produktion auf akzeptable Waren und Dienstleistungen haben soll. Sie würden die Produktion auch auf die Arten beschränken, die jenen Regierungen und Produzenten zugänglich wären, die sich an dem Programm beteiligen. Die hinzugefügten Vorschriften würden mittelgroße und kleine Produzenten aus dem Geschäft oder in die Schwarzmärkte treiben, soweit Schwarzmärkte unter einer digitalen Währung und einem stärker zentralisierten Bankgeschäft existieren könnten. Als solche würden die Beschränkungen und Vorschriften zu einem statischen kastenähnlichen System mit Unternehmensoligarchen an der Spitze und einem ,tatsächlich existierenden Sozialismus‘ für die überwiegende Mehrheit tendieren. Steigerung des Wohlstands für die Wenigen, ,wirtschaftliche Gleichheit‘ unter reduzierten Bedingungen, einschließlich des universellen Grundeinkommens, für den Rest“, so Rectenwald.

Doch das bedeutet schlussendlich, dass die Reichen noch reicher werden, die Ärmsten nicht mehr hungern müssten und die Mittelschicht plus der Mittelstand ausradiert werden. Es erfolgt somit keine Verteilung von oben nach unten, sondern von der Mittelschicht und den Mittelstand nach unten, was tatsächlich die Gefahr in sich birgt, dass weltweit zwei Klassen aus einer kleinen Kaste von Herrschenden und einer großen Kaste von Beherrschten entstehen. Die Obersten propagieren zwar Gleichheit. Doch sie beziehen sich nicht ein, sondern meinen damit, dass eine Art „Gleichheit in der materiellen Genügsamkeit“ der restlichen 99 Prozent geschaffen werden soll.

Die Covid-19-Lockdowns und in geringerem Maße die linken Unruhen hätten uns Rectenwald zufolge in Richtung Unternehmenssozialismus bewegt. „Die drakonischen Sperrmaßnahmen der Gouverneure und Bürgermeister und die Zerstörung durch die Randalierer leisten zufällig die Arbeit, die Unternehmenssozialisten wie das WEF leisten wollen. Diese Politik destabilisiert nicht nur den Nationalstaat, sondern trägt auch dazu bei, kleine Unternehmen zu zerstören und damit Konkurrenten auszuschalten“, meint der Wissenschaftler.

Die Foundation for Economic Education (FEE) wörtlich: „7,5 Millionen kleine Unternehmen in Amerika laufen Gefahr, ihre Türen endgültig zu schließen. Eine neuere Umfrage ergab, dass selbst bei Bundeskrediten fast die Hälfte aller Kleinunternehmer angibt, dass sie endgültig schließen müssen.“

Da kleine Unternehmen durch die Kombination aus drakonischen Lockdowns und gewaltsamen Protesten niedergeschlagen wurden, haben sich Unternehmens-Riesen wie Amazon wie nie zuvor entwickelt. Wie die BBC feststellte, haben mindestens drei der Technologiegiganten – Amazon, Apple und Facebook – während der Lockdowns massive Gewinne erzielt. Diese Gewinne wurden eben auch durch die gewaltsamen Black-Lives-Matter-Proteste begünstigt, die viele Unternehmer zur Schließung ihrer Geschäfte zwangen. Der Widerspruch bestand darin, dass sich die Demonstranten angeblich für das Leben von Afro-Amerikanern einsetzten, und dabei die Gebäude von afro-amerikanischen und anderen Kleinunternehmen zerstörten. Mittlerweile interessiert sich keiner mehr für die massive und ungerechte Polizeigewalt gegen unbescholtene Afro-Amerikaner.

Der Wissenschaftler folgert aus all diesen Überlegungen, dass die Lockdowns eindeutig die wirtschaftlichen und sozialen Ziele des WEF begünstigen. „Die einzig vernünftige Antwort auf das Great Reset-Projekt besteht darin, sich ihm zu widersetzen, mehr Wettbewerb einzuführen und zu fördern und die vollständige Wiedereröffnung der Wirtschaft zu fordern, unabhängig von der Gefahr. Wenn dies bedeutet, dass sich kleinere Produzenten und Händler zusammenschließen müssen, um staatlichen Verordnungen zu trotzen, dann soll es so sein. Neue Wirtschaftsverbände mit dem Ziel, den Great Reset zu vereiteln, müssen gegründet werden - bevor es zu spät ist“, meint Rectenwald.

Doch der demokratische Widerspruch gegen dieses Projekt kann nur dann gelingen, wenn sich die Bürger nicht gegeneinander aufhetzen lassen. Sich nicht aufhetzen lassen gegen Flüchtlinge, Muslime, Juden, Polizeibeamte und Migranten. Dieses Anliegen kann nur dann gelingen, wenn sich die Menschen nicht in links und rechts spalten lassen. Der entschiedene und einheitliche Widerspruch kann nur dann gelingen, wenn „divide et impera“ überflüssig wird.

Denn all diese menschlichen Gruppen mit all ihren Alltagsnöten, Ängsten und Sorgen, die sich nicht voneinander unterscheiden, haben nicht den geringsten Einfluss auf jene Entscheidungen, die das Schicksal der Nationen, Gesellschaften und Menschen besiegeln sollen.

Die Schwäche der Menschen besteht darin, ihre Instinkte und Urängste unbewusst zugunsten von Zielen ausbeuten zu lassen, die ihren ureigenen Interessen widersprechen.

Aber es sitzen diesmal alle, und zwar wirklich alle, in einem Boot – mehr als je zuvor.

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