Unternehmen

Zahl der Firmenpleiten sinkt auf niedrigsten Stand seit 1999

Im Corona-Jahr 2020 ist die Zahl der Firmenpleiten wegen der ausgesetzten Insolvenzpflicht kräftig gesunken. Doch die unvermeidliche Insolvenzwelle deutet sich bereits an.
31.03.2021 15:30
Lesezeit: 2 min

Die Zahl der Firmenpleiten in Deutschland ist trotz der Corona-Rezession 2020 auf den tiefsten Stand seit rund 21 Jahren gesunken. Die Amtsgerichte meldeten 15.841 Unternehmensinsolvenzen und damit 15,5 Prozent weniger als 2019, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch mitteilte. "Die Zahl der beantragten Unternehmensinsolvenzen sank damit auf den niedrigsten Stand seit Einführung der Insolvenzordnung im Jahr 1999."

Grund für die - auf den ersten Blick positive - Entwicklung 2020 ist die wegen der Virus-Pandemie ausgesetzte Insolvenzantragspflicht. Deshalb spiegeln die Daten nicht die wirtschaftliche Not wider, die vor allem das Gastgewerbe und der Einzelhandel im Zuge des Lockdowns spüren. Fachleute erwarten 2021 deutlich mehr Firmenpleiten - wenn auch keine Insolvenzwelle.

Die Bundesregierung ist den Betrieben mit Finanzhilfen und anderen Maßnahmen zur Seite gesprungen, um die negativen Folgen der Virus-Pandemie abzufedern. So mussten bis Ende Dezember 2020 überschuldete Unternehmen keine Insolvenz anmelden. Die bereits seit Oktober wieder geltende Insolvenzantragspflicht für zahlungsunfähige Firmen hat sich den Statistikern zufolge nur leicht in den Daten bemerkbar gemacht.

Ausgesetzt ist die Antragspflicht noch bis Ende April für Unternehmen, bei denen die Auszahlung der seit November vorgesehenen staatlichen Finanzhilfen noch aussteht. Der Verband der Insolvenzverwalter Deutschlands (VID) appellierte an Unternehmer, genau zu prüfen, ob sie wirklich noch befreit oder schon wieder antragspflichtig seien. "Ansonsten besteht die Gefahr erheblicher persönlicher Haftungsrisiken", sagte der VID-Vorsitzende Christoph Niering mit Blick auf Insolvenzverschleppung.

ENTWICKLUNG DER FIRMENPLEITEN HÄNGT STARK VON POLITIK AB

Der VID betonte, die niedrigen Insolvenzzahlen dürften nicht über den tatsächlichen Zustand der Firmen hinwegtäuschen. Mit neuen politischen Rahmenbedingungen sei durch die Bundestagswahl erst zum Jahreswechsel 2021/2022 zu rechnen. "Bis dahin dürften sich die Insolvenzzahlen entgegen der gesamtwirtschaftlichen Lage weiterhin auf niedrigem Niveau befinden."

Die Wirtschaftsauskunftei Creditreform hält eine Prognose für 2021 für sehr schwierig, da dies entscheidend von der Politik abhänge. "Eine signifikante Wellen von Firmenpleiten, die die Konjunktur nachhaltig schwächt, wird es absehbar nicht geben", sagte Creditreform Chefökonom Patrik-Ludwig Hantzsch zu Reuters. Während er zwar deutlich mehr Insolvenzen bei Einzelhändlern, Dienstleistern und Gastwirten erwarte, gelte dies nicht für die gut laufende Industrie.

Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht sorge aber für Verzerrungen am Markt, da viele vorläufig gerettete Betriebe die nächste Krise nicht überstehen dürften. "Die Toten und Verwundeten liegen auf der Straße, man räumt sie aber nicht weg - und andere werden darüber stolpern", erläuterte Hantzsch in einem düsteren Bild. Denn wenn angeschlagene Firmen zeitverzögert aus dem Markt ausscheiden, sorge das oft für großen Schaden etwa bei Lieferanten.

Die Firmenpleiten dürften laut einer Studie des Kreditversicherers Euler Hermes 2021 leicht auf 16.900 klettern - allerdings erst ab dem zweiten Halbjahr und von sehr niedrigem Niveau aus. Im Laufe des nächsten Jahres dürften die Pleiten mit rund 15 Prozent auf 19.500 deutlich kräftiger zulegen. Einen Anstieg gab es zuletzt im Krisenjahr 2009 - und zwar um knapp zwölf Prozent.

Die meisten Unternehmensinsolvenzen gab es 2020 im Baugewerbe mit 2500 Fällen (2019: 3044). Unternehmen des Wirtschaftsbereichs Handel (einschließlich Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen) stellten 2466 Insolvenzanträge (2019: 3166). Im Gastgewerbe wurden 1775 (2019: 2156) Insolvenzanträge gemeldet. Die voraussichtlichen Forderungen der Gläubiger beliefen sich 2020 auf knapp 44,1 Milliarden Euro.

Die Zahl der Verbraucherinsolvenzen sank um ein Drittel auf 41.753 und damit so stark wie noch nie seit Einführung 1999. Grund für den Rückgang dürfte sein, dass Ende 2020 das sogenannte Verfahren zur Restschuldbefreiung auf drei Jahre halbiert wurde und dies Privatleuten somit einen schnelleren wirtschaftlichen Neuanfang ermöglicht. Das Statistikamt erwartet, "dass deshalb nun nach und nach viele überschuldete Privatpersonen ihren Insolvenzantrag stellen werden".

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Das Zeitalter des intelligenten passiven Einkommens: Bitcoin-Mining mit BlackchainMining

In der heutigen, sich rasant entwickelnden digitalen Wirtschaft sind Kryptowährungen wie Bitcoin nicht nur Vermögenswerte, sondern auch...

 

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Finanzen
Finanzen Optimismus für europäische Banken und der Auftakt zu 2026
09.12.2025

Die Wall Street steht vor Rekorden. Analysten sehen starke Impulse für 2026, doch warnen vor Risiken. Banken glänzen, Bitcoin sorgt für...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Voith: Maschinenbauer streicht 2.500 Stellen
09.12.2025

Der Maschinenbauer Voith plant in Deutschland den Abbau von bis zu 2.500 Stellen. Grund sind strukturelle Probleme wie hohe Energie- und...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Feiertage killen fürs BIP: Ist das wirklich eine gute Idee?
09.12.2025

Mehr Arbeitstage, mehr Wachstum – so lautet das einfache Versprechen für 2026. Doch die Debatte über einen möglichen Wegfall eines...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Exporte: USA- und China-Geschäft bricht im Oktober ein
09.12.2025

Die deutschen Exporte geraten in ihren wichtigsten Absatzmärkten ins Rutschen, und die Zahlen aus den USA und China zeichnen ein klares...

DWN
Finanzen
Finanzen Neues Silberpreis-Rekordhoch: Engpässe treiben Aufwärtsrallye – warum Anleger jetzt wachsam sein müssen
09.12.2025

Der Silberpreis jagt von Rekord zu Rekord und übertrifft selbst den Hype um Gold, folgerichtig gibt es am Dienstag ein neues...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Arbeitsmarkt: Sieben Wege wie Unternehmen Fachkräfte finden und halten
09.12.2025

Qualifizierte Fachkräfte werden knapp – das spüren Unternehmen bei der Personalsuche immer deutlicher. Die Folgen: Engpässe,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Milan Nedeljkovic BMW: Er folgt auf Oliver Zipse
09.12.2025

BMW bekommt einen neuen Chef: Milan Nedeljkovic übernimmt das Ruder von Oliver Zipse. Der Produktionsvorstand bringt Erfahrung aus fast...

DWN
Finanzen
Finanzen Allianz-Aktie im Fokus: Allianz-Kooperation mit Oaktree – was der Syndikat-Pakt für Anleger bedeutet
09.12.2025

Ein neuer Deal in London, ein bestätigtes Top-Rating und höhere Gewinnziele treiben die Allianz-Aktie bis an das Jahreshoch. Doch hinter...