Politik

Der größte Fehler der europäischen Nationen ist, ihre Kompetenzen an Brüssel abzutreten

Lesezeit: 3 min
31.03.2021 21:24  Aktualisiert: 31.03.2021 21:24
Das „Impfstoff-Chaos“ macht deutlich, dass der größte Fehler der nationalen EU-Regierungen darin besteht, ihre Kompetenzen an Brüssel abzutreten. Die EU ist nicht imstande, in lebenswichtigen Krisenzeiten schnell und richtig zu reagieren. Brüssel spielt sich als „De-Facto-Regierung“ Europas auf. Die Bürger und die Volkswirtschaften werden einen hohen Preis bezahlen.
Der größte Fehler der europäischen Nationen ist, ihre Kompetenzen an Brüssel abzutreten
Klaus Schwab, Gründer des Weltwirtschaftsforums, begrüßt Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, vor dem Beginn der WEF-Jahrestagung. (Foto: dpa)

Mehr zum Thema:  
Europa >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Europa  

Seit vielen Monaten machen die EU-Regierungen deutlich, dass sie die Verteilung und Verabreichung von Corona-Impfstoffen als Priorität der öffentlichen Ordnung betrachten. Was auch immer man von den Impfstoffen halten mag, die europäischen Regierungen halten sie für fantastisch und wollen, dass so schnell wie möglich viele Impfungen stattfinden. Die in der EU verabreichten Gesamtimpfstoffdosen bleiben weit hinter denen Israels, der USA, Großbritanniens und sogar Chiles zurück. In der Zwischenzeit streiten sich die Mitgliedsländer über Kontrollen bei Importimpfstoffen, und andere Mitglieder beschweren sich, dass sie nicht genügend Dosen erhalten. Im Zentrum der Kontroverse steht die Tatsache, dass die EU insgesamt nur 15 Dosen pro 100 Personen verabreicht hat. In Großbritannien hingegen beträgt die Gesamtzahl 50 Dosen pro 100 Personen. In den USA sind es 43 pro 100. Die EU-Länder hinken immer noch hinterher, so der Analyst Ryan McMaken in einem Beitrag des „Ludwig Mises Institute“ (LMI).

Trotz der Behauptung, dass die Trump-Regierung ein Hindernis für die Verteilung von Impfstoffen dargestellt habe, waren die USA der EU bereits Anfang Januar 2021 weit voraus. Beispielsweise hatten die USA am 13. Januar mehr als 3 Dosen pro 100 Personen verabreicht, während die EU weniger als 1 verabreicht hatte.

Warum die großen Unterschiede bei den Gesamtdosen? Dies ist darauf zurückzuführen, dass die EU-Mitgliedstaaten Brüssel gestattet haben, die Impfbemühungen der EU zu koordinieren und zu planen. Dies bedeutet eine zusätzliche Ebene der Regierungsplanung und mehrere Verhandlungsrunden mit Impfstoffanbietern, die durch endloses Überlegen, ob Impfstoffe egalitär verteilt werden sollen oder nicht, noch verschlimmert werden. Es ist offensichtlich, dass EU-Politiker dringend die Zahl der Europäer maximieren wollen, die Impfdosen erhalten, um ihre teilweise umstrittene Agenda durchzusetzen. In der EU muss zunehmend alles von der „De-Facto-Regierung“ in Brüssel vorgeplant werden, und alles muss überprüft werden, um sicherzustellen, dass alle Kriterien erfüllt sind, um die politische Stärke Brüssels zu untermauern. Nur darum geht es in der aktuellen Impfstoff-Debatte, behaupten Kritiker.

Mehr zum Thema: Krisenprofiteur Brüssel: Corona soll aus der EU einen Superstaat machen

Wolfgang Münchau von „Euro Intelligence“ weist darauf hin, dass die Impfstoff-Verteilung in erster Linie ein politisches Programm der zentralen Bürokratie der EU ist: „Warum haben die EU-Regierungen die Verantwortung für die Beschaffung von Impfstoffen überhaupt auf die EU verlagert? Angela Merkel argumentierte, dass es den EU-Zusammenhalt belastet hätte, wenn Deutschland privilegierte Lieferungen des BioNTech-Impfstoffs beschafft hätte. Was sie nicht berücksichtigt hat, ist, dass die EU für diese Aufgabe schlecht gerüstet ist. Bis heute ist die DNA der EU die eines Produzenten-Kartells. Ihre Priorität besteht nicht darin, die Versorgung zu sichern, sondern die Kosten zu senken und ein ausgewogenes Verhältnis zwischen französischen und deutschen Interessen zu erreichen.“

Der Endplan sah vor, dass die EU die Impfstoffdosen erhält und sie dann nach Bevölkerungsgruppen verteilt. Mehrere EU-Mitgliedstaaten behaupten „euronews“ zufolge, dass dieses Szenario eben nicht eingetreten ist.

Mindestens vier EU-Mitgliedstaaten haben sich mittlerweile dazu verpflichtet, Impfstoffdosen aus Russland zu erhalten, da der EU-Plan aufgrund von Zweifeln an der Sicherheit des AstraZeneca-Impfstoffs ins Stocken gerät. Österreich befindet sich Berichten zufolge auch in Gesprächen mit Russland. Die Europäische Arzneimittelagentur teilt mit, dass der AstraZeneca-Impfstoff von nun an Vaxzevria heißen wird. Der trickreiche Handelsnamen-Vorstoß dürfte dazu führen, dass sich die Menschen frohen Mutes den umstrittenen AstraZeneca-Impfstoff verpassen lassen, ohne zu wissen, dass es sich dabei um den AstraZeneca-Impfstoff handelt (HIER).

Es sieht so aus, als ob die Verwendung der Impfstoffpolitik zur Gewährleistung von Harmonie und Einheit unter allen EU-Mitgliedern kein beeindruckender Erfolg war. Obwohl die EU-Kommission erklärt hat, dass die Beschaffung von Impfstoffen Priorität hat, besteht die eigentliche Priorität offenbar nur darin, die Macht und den Einfluss der politische Klasse in Brüssel zu sichern.

Aktuell befindet sich die EU in einer Phase, in der sie ihre scheinbare Unfähigkeit dadurch kompensieren möchte, indem europaweit neue harte Lockdowns eingeführt werden. Impfstoffbefürworter sollten zumindest sehen, dass an dieser Stelle nicht die sogenannten Impfgegner, sondern einzig und allein die EU schuld ist.

All die EU-Bürger, die sich so schnell wie möglich impfen lassen wollen, werden dies nicht tun können, weil Brüssel versagt hat. Verbale und physische Angriffe auf Nachbarn oder ehemalige Freunde, die man als Impfgegner identifiziert, sind Fehl am Platz.

Das Problem sollte in Brüssel und nicht in der eigenen Nachbar- oder Verwandtschaft gesucht werden.


Mehr zum Thema:  
Europa >

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Politik
Politik Habeck kontert Kritiker: „Energiekrise gemeistert und Strompreise gesenkt“
26.04.2024

Nach Kritik an Atomausstieg: Habeck und Lemke bestätigen, die Energieversorgung sei gesichert und nukleare Sicherheit gewährleistet.

DWN
Unternehmen
Unternehmen Tarifrunde der Chemieindustrie: Gewerkschaft fordert mehr Lohn
26.04.2024

Im Tarifstreit in Ostdeutschlands Chemieindustrie fordert die Gewerkschaft IG BCE eine Lohnerhöhung von 7 Prozent. Arbeitgeber warnen vor...

DWN
Technologie
Technologie Künstliche Intelligenz: Wie sich Deutschland im internationalen Rennen positioniert
26.04.2024

Die Deutsche Industrie macht Tempo bei der KI-Entwicklung. Das geht aus einer kürzlich veröffentlichten Analyse des Deutschen Patent- und...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Automesse China 2024: Deutsche Autohersteller im Preiskrieg mit BYD, Xiaomi und Co.
25.04.2024

Bei der Automesse in China steht der eskalierende Preiskrieg bei Elektroautos im Vordergrund. Mit hohen Rabatten kämpfen die Hersteller...

DWN
Technologie
Technologie 3D Spark: Ein Hamburger Start-up revolutioniert die Bahnbranche
25.04.2024

Die Schienenfahrzeugindustrie befindet sich in einem grundlegenden Wandel, in dessen Verlauf manuelle Fertigungsprozesse zunehmend...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Lieferdienste in Deutschland: Bei Flink, Wolt und anderen Lieferando-Konkurrenten geht es um alles oder nichts
25.04.2024

Getir, Lieferando, Wolt, UberEats - das Angebot der Essenskuriere ist kaum noch überschaubar. Wer am Markt letztlich bestehen wird,...

DWN
Politik
Politik Bericht: Habeck-Mitarbeiter sollen Kritik am Atom-Aus missachtet haben
25.04.2024

Wichtige Mitarbeiter von Bundesministern Habeck und Lemke sollen laut einem Bericht interne Zweifel am fristgerechten Atomausstieg...

DWN
Finanzen
Finanzen Feiertagszuschlag: Was Unternehmer an den Mai-Feiertagen beachten sollten
25.04.2024

Feiertagszuschläge sind ein bedeutendes Thema für Unternehmen und Arbeitnehmer gleichermaßen. Wir werfen einen genauen Blick auf die...