Die Krankenkasse DAK hat vor einem drastischen Anstieg der Beitragssätze in der gesetzlichen Krankenversicherung ab Anfang des kommenden Jahres gewarnt. Dieser sei unausweichlich wenn wie bislang von Bundesfinanzminister Olaf Scholz keine Steuerzuschüsse eingeplant würden. „Ohne zusätzliche Mittel aus dem Bundeshaushalt stehen wir vor einem regelrechten Beitragstsunami“, sagte DAK-Chef Andreas Storm dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).
In der Krankenversicherung werde aufgrund kostenträchtiger Reformen aus der laufenden und der vorherigen Wahlperiode ein Defizit von mindestens 18 Milliarden Euro erwartet. „Ohne Steuerzuschüsse aus dem Bundeshaushalt muss der Beitragssatz in der Krankenversicherung zum 1. Januar 2022 durchschnittlich um mehr als einen Prozentpunkt steigen“, wird Storm zitiert.
Der DAK-Chef weiter: „Wenn die große Koalition ihr Versprechen ernst nimmt, die Sozialbeiträge bei unter 40 Prozent zu halten, muss Finanzminister Olaf Scholz jetzt im Haushaltsentwurf für 2022 einen Zuschuss in Milliardenhöhe für die Krankenversicherung vorsehen. Es ist fahrlässig, dass der Finanzminister auf das Prinzip Hoffnung setzt und bisher zur Stabilisierung der Beiträge keinen einzigen Cent vorgesehen hat.“
Zweistellige Milliardenlücke
Den gesetzlichen Krankenkassen droht auch nach Einschätzung ihres Spitzenverbands eine Finanzierungslücke in Milliardenhöhe. Grund sei, dass sämtliche Reserven während der Corona-Pandemie aufgebraucht werden, wie der GKV-Spitzenverband Mitte März in Berlin deutlich machte. Die Verbandsvorsitzende Doris Pfeiffer sagte: „Für dieses Jahr bin ich noch optimistisch, dass die Zusatzbeitragssätze nicht weiter angehoben werden müssen.“ Im kommenden Jahr drohe aber eine Finanzierungslücke im zweistelligen Milliardenbereich.
Auch wegen der Corona-Folgen rutschten die Kassen im vergangenen Jahr tiefer ins Minus. Insgesamt wurde nach Angaben vom Dienstag ein Defizit von 2,65 Milliarden Euro ausgewiesen. Im Jahr 2019 hatte das Minus bei 1,5 Milliarden Euro gelegen. Beim Gesundheitsfonds als Geldsammel- und Verteilstelle der Kassen stand jetzt ein Defizit von 3,49 Milliarden Euro.
Pfeiffer sagte: „Von den niedergelassenen Ärzten über die Kliniken bis hin zu Hebammen und Heilmittelerbringern stiegen die Ausgaben teils deutlich.“ Dass die Zusatzbeitragssätze in diesem Jahr nicht weiter angehoben werden müssen, werde vor allem durch das weitere Abschmelzen der Reserven der Krankenkassen möglich.
„Für das kommende Jahr zeichnen sich große finanzielle Herausforderungen ab“, kündigte Pfeiffer an. Ein Milliardenzuschuss des Bundes in der Pandemie sei als einmalige Geldspritze geplant. Die Rücklagen der Kassen und des Gesundheitsfonds würden zum großen Teil in diesem Jahr aufgebraucht werden. Pfeiffer forderte die Regierung auf, in den Haushaltsberatungen einen dauerhaft erhöhten Bundeszuschuss einzuplanen.
Insgesamt stiegen die Einnahmen der Kassen den Angaben zufolge um vier Prozent auf 260 Milliarden Euro - die Ausgaben für Leistungen und Verwaltungskosten ebenfalls um vier Prozent auf 262,6 Milliarden Euro. Aus dem Gesundheitsfonds flossen demnach zur Bewältigung der Corona-Pandemie 12,2 Milliarden Euro, etwa für Ausgleichszahlungen für frei gehaltene Klinikbetten, Corona-Tests und Schutzmasken. Davon erstattete der Bund 9,9 Milliarden Euro an den Gesundheitsfonds.
Der Zuwachs der Beitragseinnahmen sei erheblich kleiner als in den Vorjahren ausgefallen. Deshalb sei es wichtig gewesen, dass der Bund die Einnahmen des Gesundheitsfonds durch einen Zuschuss von 3,5 Milliarden Euro stabilisiert habe, erläuterte das Ministerium. Die endgültigen Finanzergebnisse der Krankenkassen für 2020 sollen mit den Daten des 1. Quartals 2021 Mitte Juni vorliegen.