Politik

„Meinungsterror“: Ungarn bestellt deutschen Botschafter nach Trainer-Rausschmiss bei Hertha BSC ein

Die ungarische Regierung hat den Geschäftsträger der deutschen Botschaft einbestellt. Grund ist die Entlassung des ungarischen Torwarttrainers von Hertha BSC Berlin.
09.04.2021 09:29
Aktualisiert: 09.04.2021 09:29
Lesezeit: 1 min

Im Streit über die Entlassung des ungarischen Hertha-Torwarttrainers Zsolt Petry hat die Regierung in Budapest die Rechtsstaatlichkeit in Deutschland infrage gestellt. "In einem Rechtsstaat kann man für eine Meinungsäußerung nicht bestraft werden", sagte Gergely Gulyas, Stabschef von Präsident Viktor Orban, am Donnerstag. Der Schritt erinnere ihn an das "totalitäre Regime" in Deutschland während der Nazi-Zeit. "Vor allem muss Deutschland die Frage beantworten, ob es die Rechtsstaatlichkeit noch aufrechterhält." Dem ungarischen Außenministerium zufolge wurde der Geschäftsträger der deutschen Botschaft einbestellt.

Dies bestätigte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes. Die Äußerungen der ungarischen Regierung seien in keiner Weise nachvollziehbar. "Das hat der Geschäftsträger im Gespräch auch der ungarischen Regierung mitgeteilt. Die Anspielungen auf den Nationalsozialismus weisen wir in aller Deutlichkeit zurück." Ein Hertha-BSC-Sprecher nannte Gulyas' Vergleich auf Anfrage "abstrus". Der Verein setze sich "aktiv für eine vielfältige Gesellschaft, Gleichberechtigung und Toleranz" ein.

Hertha hatte Petry nach dessen Äußerungen zu sexueller Vielfalt und Einwanderung in einer ungarischen Zeitung gefeuert. Der Trainer erklärte, er bedauere seine Aussage zur Einwanderungspolitik und sei weder homophob noch fremdenfeindlich. Petry hatte sich in einem Interview der regierungsnahen ungarischen Tageszeitung «Magyar Nemzet» unter anderem zum Thema Zuwanderung geäußert. Er hatte auch den Einsatz von Landsmann Peter Gulacsi, Nationalkeeper und Torwart von Bundesligist RB Leipzig, für einen Verein kritisiert, der unter anderem die Homo-Ehe unterstützt.

"Langsam stürzt die große Heuchelei in Sachen Presse- und Meinungsfreiheit zusammen: Ein Fußballer darf ruhig sagen, dass die Familie eine Familie ist (Anmerkung: Anspielung auf den Wahlspruch des Vereins für Homo-Ehe), aber er wird hinausgeworfen, wenn er gegen den liberalen Mainstream zu Familie und Migration Stellung nimmt", sagte Außenminister Peter Szijartó am Donnerstag.

In einem Statement des Außenministeriums hieß es zudem, dass Deutschland wie auch Ungarn "direkte historische Erfahrungen mit dem größtmöglichen Meinungsterror" hätten, "weswegen die Überwachung des Grundrechts der Redefreiheit unsere gemeinsame moralische Pflicht ist. Unabhängig von der weltanschaulichen Basis ist die Beschränkung der Meinungsäußerung für die Ungarn inakzeptabel, weil sie ein System heraufbeschwört, wogegen Tausende unserer Landsleute ihr Leben geopfert haben."

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Politik
Politik TNT-Produktion in Europa: NATO-Staaten planen neue Fabriken zur Versorgungssicherung
16.11.2025

Europa verfügt derzeit über nur eine Produktionsstätte für NATO‑Standard‑TNT, während mehrere Länder neue Fabriken planen. Wie...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft CO2-Zertifikate: Europas Aufschub, der Autofahrer teuer zu stehen kommt
15.11.2025

Europa verschiebt den Start seines neuen CO2-Handelssystems – doch die Benzinpreise werden trotzdem steigen. Während Brüssel von...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Arbeitsmarkt 2030: Diese Fachkräfte werden in fünf Jahren gebraucht
15.11.2025

Automatisierung, KI und Klimawandel verändern den globalen Arbeitsmarkt rasant. Bis 2030 entstehen Millionen neuer Jobs, doch viele...

DWN
Finanzen
Finanzen Finanzielles Notfallpaket: So sichern Sie Ihr Vermögen in Krisenzeiten
15.11.2025

In Zeiten wachsender Unsicherheiten rückt neben Notvorräten und Fluchtplänen auch die finanzielle Absicherung in den Fokus. Marek...

DWN
Politik
Politik Für einen Kampfjet braucht es 400 Kilogramm seltene Erden: Europa im Wettbewerb mit China und den USA
15.11.2025

Seltene Erden sind zu einem entscheidenden Faktor in globalen Machtspielen geworden und beeinflussen Industrie, Verteidigung und Hightech....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Klassengesellschaft 2.0 – Warum Demokratie ohne soziale Gleichheit zerbricht
15.11.2025

In Deutschland redet kaum jemand über Klassen – als wäre soziale Herkunft heute keine Machtfrage mehr. Doch die Soziologin Prof. Nicole...

DWN
Finanzen
Finanzen Finanzblasen 2025: Wo der nächste große Crash drohen könnte
15.11.2025

An den Finanzmärkten steigt die Nervosität. Künstliche Intelligenz treibt Bewertungen auf Rekordhöhen, Staaten verschulden sich wie nie...

DWN
Immobilien
Immobilien Immobilienpreise: Boom zu Neuverträgen – eine Prognose
15.11.2025

Laut ifo sind Neuverträge in Großstädten um 48 Prozent teurer als Bestandsverträge. Das, so Experten, ist nicht nur ein Problem für...