AfD-Fraktionschef Alexander Gauland hat die geplanten bundesweiten Corona-Durchgriffsrechte der Bundesregierung scharf als Missachtung von Grundrechten verurteilt. Er sprach bei der Debatte zu dem Gesetz am Mittwoch im Bundestag von einem "Angriff auf die Freiheitsrechte, den Föderalismus wie den gesunden Menschenverstand".
Die Regierung habe in der Impfstoffbeschaffung versagt und versuche nun, die Opposition durch moralischen Druck zur Zustimmung zu bewegen, so Gauland. Kritiker würden nicht ernst genommen. "Sie können nicht das halbe Volk zu Querulanten machen", sagte er mit Verweis auf Menschen, die am Mittwoch in Berlin gegen die Corona-Politik demonstrierten.
Gauland warnte davor, die Regierung könne die Regelungen als Blaupause für andere Probleme und Krisen begreifen. "Mir bleibt nur, warnend darauf hinzuweisen, dass hier ein Experiment ausprobiert wird, von dem manche hoffen, man könne es bei anderen Gelegenheiten wiederholen." Als Beispiel nannte er etwa den Klimaschutz. Die Grundrechte stünden aber nicht unter Vorbehalt.
"Deshalb ist dieses Gesetz ein Tabubruch", sagte Gauland. Offenbar an die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD gerichtet fügte er hinzu: "Auch wenn Sie versucht haben, die Giftzähne am Ende ein wenig abzuschleifen und den Bundestag nicht ganz außen vor zu lassen."
Die von den Mainstream-Medien als "Notbremse" bezeichnete Durchgriffsverordnung der Bundesregierung gegen die Bundesländer soll bundesweit verbindliche Regeln für schärfere Corona-Gegenmaßnahmen festlegen - mit konkreten Vorgaben bei bestimmten Infektionszahlen. Dazu gehören weitgehende Ausgangsbeschränkungen von 22.00 Uhr bis 5.00 Uhr, Schulschließungen und strengere Bestimmungen für Geschäfte. Gezogen werden soll die „Notbremse“, wenn in einem Landkreis oder einer Stadt die Zahl der gemeldeten Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner binnen sieben Tagen an drei Tagen hintereinander über 100 liegt. Fürs Umschalten auf Fernunterricht in den Schulen soll ein höherer Schwellenwert von 165 gelten. Die Änderungen des Infektionsschutzgesetzes sollen an diesem Donnerstag noch in den Bundesrat gehen und rasch in Kraft treten - vorerst bis Ende Juni.
Massive Kritik aus der Opposition
Die geplante "Notbremse" hat im Bundestag zu einem heftigen Schlagabtausch geführt. Die Opposition kritisierte am Mittwoch vor der entscheidenden Abstimmung im Plenum unter anderem erhebliche Grundrechtseinschränkungen.
Linke-Fraktionschefin Amira Mohamed Ali sagte: "Ja, es geht um Leben und Tod." Das Pandemiegeschehen müsse dringend eingedämmt werden. Die Bundesregierung versuche aber, Grundrechte "praktisch im Vorbeigehen" einzuschränken und ihre Befugnisse auszuweiten. Unverhältnismäßig sei, dass ab einem Inzidenzwert 100 Ausgangssperren kommen sollten, Kinder aber bis zu einem Wert von 165 zur Schule gehen. "Woher haben Sie eigentlich diese Zahlen? Würfeln Sie die aus?"
Die FDP bekräftigte ihre Drohung, gegen Ausgangsbeschränkungen Verfassungsbeschwerde einzulegen. Diese seien "keine geeigneten Maßnahmen", sagte Gesundheitsexpertin Christine Aschenberg-Dugnus. "Sie schränken nur in unzulässiger Weise die Grundrechte ein und treiben die Menschen in den privaten Bereich." Die Alternativen zur "Bundes-Notbremse" seien gesteigertes Impfen und Testen sowie eine bessere Aufklärung über Kontaktvermeidung.