Die saudische Regierung befindet sich in fortgeschrittenen Gesprächen mit mehreren chinesischen Unternehmen - Staatsfonds und Öl-Konzernen -, um einen Anteil in Höhe von einem Prozent von Saudi Aramco zu verkaufen. Der Verkauf einer solchen strategischen Beteiligung an einem so wichtigen Unternehmen nach China würde eine entscheidende Machtverschiebung im Nahen Osten nach sich ziehen. Merke: Zwischen Washington und Riad besteht seit dem Jahr 1945 eine enge Beziehung, die unter anderem vom Petro-Dollar abhängt.
Für China ist Saudi-Arabien seit langem ein vorrangiges Ziel im Rahmen seiner übergreifenden Strategie, die USA nicht nur als größte Volkswirtschaft der Welt bis spätestens 2030 durch das nominale BIP, sondern auch als die größte geopolitische Macht in vielen der wichtigsten Einflussbereiche der USA zu ersetzen.
Der Milliarden-Deal hat einen weiteren Effekt: Je mehr China seinen Einfluss auf Riad ausweitet, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit für den Ausbruch eines Konflikts zwischen Saudi-Arabien und dem Iran, mit dem das Reich der Mitte seit einiger Zeit zunehmend bessere Kontakte besitzt. Das heißt, man kann davon ausgehen, dass es mit einer Vertiefung der saudisch-chinesischen Beziehungen auch zu einer Annäherung zwischen Teheran und Riad kommen könnte.
In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu verstehen, dass der Verkauf einer bedeutenden Beteiligung an Aramco an China keine neue Idee ist, sondern bereits seit dem Jahr 2017 von hochrangigen Saudis ernsthaft in Betracht gezogen wurde. Es kann prognostiziert werden, dass der Druck Washington auf den Kronprinzen Mohammed bin Salman (MbS) in den kommenden Monaten zunehmen wird. So könnte beispielsweise der Mord am Journalisten Jamal Khashoggi erneut aufgekocht oder die mögliche Verstrickung von saudischen Staatsangehörigen in die Anschläge vom 11. September 2001 wieder zum Thema gemacht werden. Den Politikmachern in Washington wird schon irgendetwas einfallen, um Saudi-Arabien und alle anderen Länder, die mit China kooperieren, in die Enge zu treiben – natürlich alles unter dem Banner der Demokratie, der Menschenrechte und der Freiheit.
Es gibt noch einen weiteren Grund, warum die US-Regierung sich durch die saudisch-chinesische Annäherung bedroht sieht. Bereits auf dem G20-Gipfel in London im April 2010 wies Zhou Xiaochuan, der damalige Gouverneur der Volksbank von China (PBOC), darauf hin, dass die Chinesen eine neue globale Reservewährung wollten, um den US-Dollar teilweise zu ersetzen.
Der Renminbi wurde dann im Jahr 2016 in den Reserve-Asset-Mix für Sonderziehungsrechte (SZR) aufgenommen. Dies führte dazu, dass er als Handelswährung ins Spiel kam.
In diesem Zusammenhang sagte beispielsweise Leonid Mikhelson, Vorstandsvorsitzender des russischen Öl-Konzern "Novatek", dass künftige Öl-Verkäufe an China, die auf Renminbi lauten, in Betracht gezogen werden. Russland und China versuchen, sich vom Dollar als Leitwährung beim Energiehandel zu lösen. „Der Handelskrieg zwischen den USA und China wird diesen Prozess beschleunigen“, zitiert „Oilprice.com“ Mikhelson.
Da der Ölhandel bisher über den Dollar abgewickelt wurde, konnten die USA Länder wie Russland, Venezuela und den Iran leicht mit Sanktionen unter Druck setzen. Doch China und der Renminbi bietet diesen und anderen Ländern in Zukunft eine Alternative.