Deutschland

Spahns Gesundheitsministerium meldet plötzlich: „Mitglieder des Beirats betonten, dass die Pandemie zu keinem Zeitpunkt die stationäre Versorgung an ihre Grenzen gebracht hat“

Dem Bundesgesundheitsministerium zufolge hat die Pandemie die stationäre Versorgung zu keinem Zeitpunkt an ihre Grenzen gebracht. Das geht aus einer Mitteilung des Ministeriums hervor, die auf den 30. April 2021 datiert ist.
22.05.2021 13:09
Lesezeit: 3 min
Spahns Gesundheitsministerium meldet plötzlich: „Mitglieder des Beirats betonten, dass die Pandemie zu keinem Zeitpunkt die stationäre Versorgung an ihre Grenzen gebracht hat“
Jens Spahn (CDU), Bundesgesundheitsminister, gibt zu den abschließenden Beratungen über drei Gesetzentwürfe aus dem Bundesgesundheitsministerium im Deutschen Bundestag ein Pressestatement ab. (Foto: dpa)

Am 30. April 2021 teilte das Bundesgesundheitsministerium in einer Mitteilung mit: „Die Analyse der Leistungsdaten aller deutschen Krankenhäuser zeigt, dass trotz der Aufforderung der Bundesregierung im Frühjahr 2020, planbare Leistungen zu verschieben, die stationäre Versorgung in Deutschland im ersten Pandemiejahr 2020 flächendeckend gewährleistet werden konnte. Nach einem Rückgang der Krankenhausfälle im Frühjahr um ca. 30 Prozent, wurden auf Jahressicht im Bereich der allgemeinen Krankenhäuser 13 Prozent und im Bereich der psychiatrischen Kliniken 11 Prozent weniger Fälle als im Vorjahr versorgt. Im Jahresdurchschnitt waren vier Prozent aller Intensivbetten mit Corona-Patientinnen und -Patienten belegt (…) Die Mitglieder des Beirats (Beirat des Bundesgesundheitsministeriums, Anm.d.Red.) betonten, dass die Pandemie zu keinem Zeitpunkt die stationäre Versorgung an ihre Grenzen gebracht hat.“

Aus der diesbezüglichen Analyse geht hervor: „Im betrachteten Zeitraum 2020 gab es in Deutschland seit Beginn der COVID-19-Pandemie Mitte März durchgehend weniger stationäre Fälle, und zwar im Zeitraum bis Ende Mai um ca. -30% und ab dann – einschließlich des Zeitraums der zweiten Welle – um -10%. Über das Jahr gesehen beläuft sich das Minus auf 13%, d.h. ohne Berücksichtigung der ersten zehn COVID-19-freien Wochen auf ca. -16%. Da die durchschnittliche Verweildauer nur minimal stieg, sanken auch die Verweildauertage um -12%. Im Resultat sank die Bettenauslastung auf ein Allzeittiefpunkt von 67,3% (und 68,6% auf den Intensivstationen). Dies berücksichtigt bereits die Versorgung der COVID-19- Patienten 1, für deren stationäre Versorgung im Jahresschnitt unter Berücksichtigung der Überlieger 2% aller Betten und knapp 4% der Intensivbetten benötigt wurden, natürlich mit zeitlichen und geographischen Spitzen.“

Die Zeitung „Die Welt“ hatte zuvor enthüllt, dass das Bundesinnenministerium (BMI) zu Beginn der Corona-Pandemie mehrere Forschungsinstitute „für politische Zwecke“ eingespannt hat (HIER). Das gehe aus einem E-Mailverkehr zwischen dem BMI und den zuständigen Forschern hervor.

Tatsächlich geht aus einem umstrittenen Papier des BMI, das im Internet abgerufen werden kann, hervor, dass zu Beginn der Pandemie eine „Schockwirkung“ innerhalb der Bevölkerung ausgelöst werden sollte. Darüber wurde bereits zuvor berichtet:

„Wir müssen wegkommen von einer Kommunikation, die auf die Fallsterblichkeitsrate zentriert ist. Bei einer prozentual unerheblich klingenden Fallsterblichkeitsrate, die vor allem die Älteren betrifft, denken sich viele dann unbewusst und uneingestanden: ,Naja, so werden wir die Alten los, die unsere Wirtschaft nach unten ziehen, wir sind sowieso schon zu viele auf der Erde, und mit ein bisschen Glück erbe ich so schon ein bisschen früher'. Diese Mechanismen haben in der Vergangenheit sicher zur Verharmlosung der Epidemie beigetragen. Um die gewünschte Schockwirkung zu erzielen, müssen die konkreten Auswirkungen einer Durchseuchung auf die menschliche Gesellschaft verdeutlicht werden: 1) Viele Schwerkranke werden von ihren Angehörigen ins Krankenhaus gebracht, aber abgewiesen, und sterben qualvoll um Luft ringend zu Hause. Das Ersticken oder nicht genug Luft kriegen ist für jeden Menschen eine Urangst. Die Situation, in der man nichts tun kann, um in Lebensgefahr schwebenden Angehörigen zu helfen, ebenfalls. Die Bilder aus Italien sind verstörend. 2) ,Kinder werden kaum unter der Epidemie leiden': Falsch. Kinder werden sich leicht anstecken, selbst bei Ausgangsbeschränkungen, z.B. bei den Nachbarskindern. Wenn sie dann ihre Eltern anstecken, und einer davon qualvoll zu Hause stirbt und sie das Gefühl haben, Schuld daran zu sein, weil sie z.B. vergessen haben, sich nach dem Spielen die Hände zu waschen, ist es das Schrecklichste, was ein Kind je erleben kann. 3) Folgeschäden: Auch wenn wir bisher nur Berichte über einzelne Fälle haben, zeichnen sie doch ein alarmierendes Bild. Selbst anscheinend Geheilte nach einem milden Verlauf können anscheinend jederzeit Rückfälle erleben, die dann ganz plötzlich tödlich enden, durch Herzinfarkt oder Lungenversagen, weil das Virus unbemerkt den Weg in die Lunge oder das Herz gefunden hat. Dies mögen Einzelfälle sein, werden aber ständig wie ein Damoklesschwert über denjenigen schweben, die einmal infiziert waren. Eine viel häufigere Folge ist monate- und wahrscheinlich jahrelang anhaltende Müdigkeit und reduzierte Lungenkapazität, wie dies schon oft von SARS-Überlebenden berichtet wurde und auch jetzt bei COVID-19 der Fall ist, obwohl die Dauer natürlich noch nicht abgeschätzt werden kann.“

Wie dieses Papier als Richtschnur für das Krisenmanagement der Bundesregierung herangezogen wurde, kommentiert die Welt mit den Worten: „Aus Sicht des Innenministeriums jedenfalls ging das Projekt erfolgreich ins Ziel. Staatssekretär Kerber formulierte am 23. März an die Runde: ,Unser Paper kam [...] sehr gut an und wird ob seiner hohen Qualität und Umsicht nun den Weg ins Krisenkabinett der Bundesregierung finden.‘“

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Wirtschaft
Wirtschaft De-minimis-Ausnahme: Trump hat europäischen Unternehmen bisher ein Geschenk im Wert von 800 Dollar hinterlassen
19.04.2025

Trumps Zollpolitik ermöglicht es europäischen Unternehmen, Waren bis 800 Dollar zollfrei in die USA zu versenden. Doch Experten warnen,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Osterleckereien 2025: Warum Schokolade, Butter & Co. teurer sind denn je
19.04.2025

Ostern 2025 wird für Verbraucher teurer – besonders bei traditionellen Produkten wie Schokohasen, gefärbten Eiern und selbstgebackenem...

DWN
Immobilien
Immobilien Gewerbeimmobilien als Kapitalanlage? Lage matters!
19.04.2025

Gewerbeimmobilien bieten nach wie vor interessante Renditechancen für ausgefuchste Marktkenner. Wer klug investiert, kann von stabilen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Europas Wettbewerbskompass: Kurskorrektur bei Technologiewettbewerb dringend nötig!
19.04.2025

Europa steht vor großen wirtschaftlichen Herausforderungen: Der globale Technologiewettbewerb spitzt sich zu, geopolitische Krisen...

DWN
Finanzen
Finanzen Digitalisierung im Bürgeramt: Passfotos ab Mai nur noch digital erlaubt
19.04.2025

Ab dem 1. Mai sind in Deutschland im Grunde nur noch digitale Passfotos erlaubt. Das neue Verfahren soll Fälschungen vorbeugen. Wer denkt,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Italienische Luxusunternehmen: Prada übernimmt und trägt nun auch Versace
19.04.2025

Über einen möglichen Kauf war seit mehreren Monaten spekuliert worden: Der Luxuskonzern Prada schluckt den Konkurrenten Versace. Damit...

DWN
Technologie
Technologie „Mein alter Job als Softwareentwickler ist weg“ – Jentic-Chef über selbstprogrammierende KI-Agenten
19.04.2025

Der irische Tech-Unternehmer Sean Blanchfield ist überzeugt, dass KI-Agenten menschliche Programmierer und Softwareentwickler zunehmend...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt „We don’t believe in Outsourcing“ – Klöber zeigt, wie Produktion in Deutschland wieder gelingt
18.04.2025

Sitzen, aber richtig: Der Büromöbelhersteller aus Owingen setzt auf Inhouse-Produktion, recycelte Materialien und digitale Innovation –...