Finanzen

Drohende Zinswende: Händler wetten massiv gegen deutsche Bundesanleihen

Anleger wappnen sich gegen die Aussicht steigender Renditen, indem sie auf Kursverluste bei deutschen Bundesanleihen wetten. Die sich verbreitenden Inflationssorgen sind offenbar begründet.
21.05.2021 10:08
Lesezeit: 2 min

Händler erwarten offenbar steigende Zinsen. Dies zeigt sich auch daran, dass sie sich gegen steigende Renditen bei deutschen Anleihen absichern. Diese Woche gingen Händler neue Short-Positionen mit 10-jährigen Terminkontrakten ein, vor allem bei Bundesanleihen mit der längsten Laufzeit. Diese Wertpapieren wären am stärksten von höheren Zinssätzen betroffen, und eben dagegen haben sich Anleger abgesichert.

Die Summe aller offenen Positionen (Open interest) ist seit März letzten Jahres um fast 50 Prozent gestiegen ist. Vor allem auch der starke Anstieg in dieser Woche zeigt, dass sich der Markt darauf einstellt, dass die Europäische Zentralbank (EZB) ihre extrem lockere Geldpolitik langsam wieder zurückfährt, die riesige Anleihekäufe beinhaltet. Allein das Corona-Anleihekaufprogramm PEPP hat ein Volumen von 1,35 Billionen Euro.

Die durch verminderte Käufe seitens der EZB fehlende Nachfrage droht den Bullenmarkt bei europäischen Anleihen zu beenden, der bereits 20 Jahre anhält. "Im aktuellen Umfeld dreht sich alles um die Absicherung von Durationsrisiken, und das Instrument der Wahl mit der meisten Liquidität sind Bund-Futures", zitiert Bloomberg Christoph Rieger, den Leiter der Festzinsstrategie bei der Commerzbank.

Neue offene Positionen in Bund-Futures werden ausgehend von der Angreiferseite des Handels erfasst, sodass sie einen Hinweis auf die Marktrichtung insgesamt geben können. Zuletzt kam die Schaffung neuer Positionen bei Bund-Futures parallel zu einem Anstieg der Renditen, was offensichtlich darauf schließen lässt, dass Futures-Kontrakte verkauft wurden.

Die Dynamik bei deutschen Bundesanleihen steht in starkem Kontrast zu italienischen Staatsanleihen, den sogenannten Buoni del Tesoro Poliennali (BTP, Mehrjährige Schatzwechsel), wo das offene Interesse im Futures-Markt stabil geblieben ist. Und dies obwohl die Renditen sich seit Februar fast verdreifacht haben. Die Rendite für 10-jährige Anleihen liegt Donnerstagnachmittag bei über 1,09 Prozent.

"Investoren sehen weniger kurzfristigen Bedarf, italienische Kreditrisiken abzusichern", sagt Rieger und führt die politische Stabilität in Italien an, die auf die Ernennung des ehemaligen EZB-Präsidenten Mario Draghi zum Ministerpräsidenten im Februar folgte sowie auf die fiskalische Unterstützung durch den EU-Rettungsfonds und die lockere Geldpolitik der EZB.

Für einige ist ein Paradigmenwechsel in Deutschland im Gange, wo die meisten Renditen seit August 2019 negativ sind. NatWest Markets ruft Anleger bereits dazu auf, Bundesanleihen zu verkaufen, und begrüßt das Ende des "Superzyklus", in dem die Wertpapiere fast zwei Jahrzehnte lang gestiegen sind. Goldman Sachs und ING gehören zu den Banken, die einen Anstieg der Renditen auf 0 Prozent bis zum Ende des Jahres vorhersagen.

Die 10-jährige Rendite Deutschlands liegt am Donnerstagnachmittag schon bei minus 0,09 Prozent. Dies ist der höchste Stand seit Mai 2019. "Deutsche Anleihen sind das neue Mittel der Wahl zum Zwecke der Absicherung, da die Märkte glauben, dass der nächste Wiedereröffnungsimpuls (nach Corona) aus Europa kommen wird", sagte Rishi Mishra, ein Analyst bei Futures First.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt

Jede Anlage am Kapitalmarkt ist mit Chancen und Risiken behaftet. Der Wert der genannten Aktien, ETFs oder Investmentfonds unterliegt auf dem Markt Schwankungen. Der Kurs der Anlagen kann steigen oder fallen. Im äußersten Fall kann es zu einem vollständigen Verlust des angelegten Betrages kommen. Mehr Informationen finden Sie in den jeweiligen Unterlagen und insbesondere in den Prospekten der Kapitalverwaltungsgesellschaften.

DWN
Unternehmen
Unternehmen Arbeitsmarkt: Sieben Wege wie Unternehmen Fachkräfte finden und halten
09.12.2025

Qualifizierte Fachkräfte werden knapp – das spüren Unternehmen bei der Personalsuche immer deutlicher. Die Folgen: Engpässe,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Milan Nedeljkovic folgt auf Oliver Zipse bei BMW
09.12.2025

BMW bekommt einen neuen Chef: Milan Nedeljkovic übernimmt das Ruder von Oliver Zipse. Der Produktionsvorstand bringt Erfahrung aus fast...

DWN
Finanzen
Finanzen Allianz-Aktie im Fokus: Allianz-Kooperation mit Oaktree – was der Syndikat-Pakt für Anleger bedeutet
09.12.2025

Ein neuer Deal in London, ein bestätigtes Top-Rating und höhere Gewinnziele treiben die Allianz-Aktie bis an das Jahreshoch. Doch hinter...

DWN
Politik
Politik Merz fordert Abschaffung: EU-Lieferkettengesetz wird deutlich gelockert
09.12.2025

Das EU-Lieferkettengesetz sollte Unternehmen weltweit verpflichten, Menschenrechte zu achten. Doch bevor es überhaupt greift, haben sich...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Kosten für Wohnen und Essen fressen geringere Einkommen auf
09.12.2025

Wohnen und Lebensmittel werden teurer – doch die Härte trifft nicht alle gleich. Neue Daten der Statistiker zeigen, wie stark vor allem...

DWN
Politik
Politik Analyse: Putins Besuch in Indien zeigt die gefesselten Hände des Kreml
09.12.2025

Wladimir Putins Besuch in Indien sollte Stärke demonstrieren, doch die Realität wirkt gegenteilig. Der Kreml ist stark von Ölexporten...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Thyssenkrupp-Aktie: Rückkehr in die Gewinnzone trotz Sanierungsdruck
09.12.2025

Thyssenkrupp meldet wieder Gewinn, doch der Preis dafür ist hoch. Der Konzern kämpft mit sinkender Nachfrage, Sanierungsrückstellungen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Butterpreis im Sturzflug: Milchbauern schlagen Alarm – "wirtschaftliches Desaster"
09.12.2025

Der Butterpreis rutscht auf 99 Cent je 250 Gramm und jubelnde Kunden treffen auf alarmierte Milchbauern. Hinter dem Preisschub steckt der...