Politik

Lukaschenko wirft dem Westen hybride Kriegsführung vor

Weißrusslands Präsident Lukaschenko sieht in den Sanktionen des Westens das Bestreben, seine Regierung zu untergraben. Nun hat sich auch der Kreml zu dem aktuellen Streit geäußert.
26.05.2021 15:43
Aktualisiert: 26.05.2021 15:43
Lesezeit: 2 min
Lukaschenko wirft dem Westen hybride Kriegsführung vor
Belarussische Behörden hatten das Ryanair-Flugzeug am Sonntag auf dem Weg von Athen nach Vilnius zur Landung gebracht und einen an Bord befindlichen international gesuchten Blogger festgenommen. (Foto: dpa) Foto: Uncredited

Der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko kontert die wachsende internationale Kritik an der erzwungenen Landung eines Ryanair-Flugs und der Festnahme eines Bloggers mit scharfen Vorwürfen gegen den Westen. Ausländische Kräfte würden einen Hybridkrieg gegen Belarus führen, sagte der seit mehr als einem Vierteljahrhundert autoritär regierende Präsident am Mittwoch in seiner ersten öffentlichen Äußerung zu dem Vorfall. Ziel sei es, Belarus die Luft abzuschneiden und seine Regierung zu untergraben. Er habe jedoch rechtmäßig gehandelt und im Einklang mit sämtlichen internationalen Normen.

Die Ryanair-Maschine war am Sonntag auf dem Weg von Griechenland nach Litauen von der belarussischen Flugsicherung nach Minsk umgeleitet worden wegen einer Bombendrohung, die sich als falsch herausstellte. An Bord befand sich der im Exil lebende Regierungsgegner und Blogger Roman Protassewitsch, der nach der Landung zusammen mit seiner Freundin festgenommen wurde. Zahlreiche westliche Nationen reagierten empört, die EU beschloss Sanktionen gegen Belarus. In einigen Reaktionen war von einem "Akt der Luftpiraterie" und "Staatsterrorismus" die Rede.

Die EU-Flugsicherheitsbehörde empfahl Fluggesellschaften, den Luftraum über Belarus aus Sicherheitsgründen vorerst zu meiden. Mehrere Airlines haben bereits damit begonnen, ihre Routen umzustellen. Russland, das Lukaschenko unterstützt, hat derweil Mutmaßungen zurückgewiesen, in irgendeiner Form in den Vorfall verwickelt zu sein. In Berlin sagte ein Sprecher der Bundesregierung, man könne nicht abschließend beurteilen, ob russische Geheimdienste beteiligt gewesen seien.

"Wie vorhergesagt haben uns nicht wohl Gesonnene im In- und Ausland ihre Angriffsmethoden auf den Staat geändert", sagte Lukaschenko im Parlament. "Sie haben viele roten Linien überschritten und den gesunden Menschenverstand und die menschliche Moral aufgegeben." Er drohte damit, auf sämtliche Sanktionen oder Provokationen scharf zu reagieren, wie die Nachrichtenagentur Belta meldete. Sein Ministerpräsident brachte Importverbote und Transit-Beschränkungen ins Gespräch ohne Details zu nennen.

Der Kreml in Moskau erklärte, er sehe keinen Grund, Lukaschenkos Darstellung des Falls zu misstrauen. Das Schweizer Außenministerium widersprach dagegen Lukaschenkos Angaben, die Regierung in Bern habe vor einer Bombe an Bord des Flugzeugs gewarnt. "Die Schweizer Behörden hatten und haben keine Kenntnisse über eine Bombendrohung auf dem Ryanair-Flug Athen-Vilnius. Es gab dementsprechend auch keine Meldung der Schweiz an die belarussischen Behörden."

LUKASCHENKO: PROTASSEWITSCH PLANTE "BLUTIGE REBELLION"

Zur Festnahme von Protassewitsch sagte Lukaschenko laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Tass, der Oppositionelle habe eine "blutige Rebellion" in Belarus geplant. Er habe nicht gewusst, dass der 26-Jährige an Bord des Flugzeugs gewesen sei. Hätte er es jedoch gewusst, so hätte er den Befehl gegeben, die Maschine am Weiterflug zu hindern, sagte Lukaschenko.

Für Entsetzen und Besorgnis hat ein Video gesorgt, in dem Protassewitsch gesteht, die Proteste in Belarus angestachelt zu haben. Oppositionsvertreter gehen davon aus, dass die Aussagen unter Anwendung von Folter erzwungen wurden. Die Aufnahmen seien besorgniserregend, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel am Dienstag. Es müsse nun noch dringlicher alles dafür getan werden, dass Protassewitsch freikomme.

Am Dienstagabend tauchte auch ein weiteres Video auf, in dem Protassewitsch' Freundin Sofia Sapega ein Geständnis ablegt, wonach die 23-Jährige die persönlichen Daten von belarussischen Strafverfolgungsbeamten veröffentlicht habe, was in ihrer Heimat ein Verbrechen ist. Die im litauischen Exil lebende belarussische Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja schrieb auf Twitter, Sapega scheine in dem Video unter psychologischem Druck zu stehen. Belarus hat frühere Berichte über Gefangenenmisshandlungen zurückgewiesen. Bürgerrechtsgruppen haben dagegen nach eigenen Angaben Hunderte Fälle von Misshandlungen und erzwungenen Geständnissen seit vergangenem Jahr dokumentiert.

OPPOSITION KÜNDIGT NEUE PROTEST-PHASE AN

Im November hatten die belarussischen Behörden Protassewitsch auf eine sogenannte Terroristen-Beobachtungsliste gesetzt. Im vergangenen Sommer war es zu zahlreichen Massenprotesten gegen die umstrittene Wiederwahl Lukaschenkos gekommen. Im Zuge des harten Einschreitens der Behörden und Sicherheitskräfte verloren diese jedoch an Momentum. Am Mittwoch kündigte Oppositionsführerin Tichanowskaja eine neue Phase der Anti-Regierungs-Proteste an. "Es gibt nichts mehr abzuwarten. Wir müssen den Terror ein für allemal stoppen", erklärte sie. Lukaschenko sagte, er rechne nicht mit einer Wiederholung der Massenproteste von 2020.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Finanzen
Finanzen Jetzt Tesla-Aktie kaufen? Welche Erwartungen Investoren an Elon Musk haben
21.12.2025

Visionäre Unternehmer haben an den Kapitalmärkten immer wieder ganze Branchen neu geordnet. Ob Tesla-Aktien weiterhin von technologischem...

DWN
Panorama
Panorama Gaudís Sagrada Família: Der höchste Kirchturm der Welt
21.12.2025

Barcelona feiert 2026 die Architektur – und ein Turm der Sagrada Família soll Geschichte schreiben. Doch hinter dem Rekord stecken Geld,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Leadership-Coach Lars Krimpenfort: „Klopp ist ein gutes Beispiel für klare Führung unter Druck“
21.12.2025

Im Mittelstand steigen die Belastungen gefühlt täglich. Wie gelingt es Führungskräften dennoch, unter Druck richtig zu entscheiden?...

DWN
Politik
Politik EU-Kapitalmarktunion: Warum kleine Staaten um ihre Finanzmacht kämpfen
21.12.2025

Die EU will ihren Kapitalmarkt neu ordnen und zentrale Aufsichtsrechte nach Paris verlagern, während kleinere Staaten den Verlust ihrer...

DWN
Panorama
Panorama DWN-Wochenrückblick KW 51: Die wichtigsten Analysen der Woche
21.12.2025

Im DWN Wochenrückblick KW 51 fassen wir die zentralen wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen der vergangenen Woche zusammen....

DWN
Unternehmen
Unternehmen Mittelstand vor existenziellen Problemen: Keine Aufträge und schlechte Rahmenbedingungen
21.12.2025

Wie eine aktuelle Umfrage des ifo-Instituts ergab, sehen sich 8,1 Prozent der befragten Firmen direkt in ihrer wirtschaftlichen Existenz...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft EU-Zölle auf Kleinsendungen: Neue Abgabe trifft Online-Bestellungen aus Drittstaaten
21.12.2025

Der Online-Handel mit günstigen Waren aus Drittstaaten wächst rasant und stellt den europäischen Binnenmarkt vor strukturelle...

DWN
Finanzen
Finanzen Topanalyst enthüllt: Das sind die attraktivsten Rüstungsaktien
21.12.2025

Die globale Sicherheitslage wandelt sich rasant, und die Verteidigungsindustrie gewinnt an Bedeutung für Regierungen und Kapitalmärkte....