Politik

EuGH verurteilt Deutschland wegen zu schmutziger Luft in Städten – Konsequenzen für Dieselfahrer drohen

Die EU-Grenzwerte für das gesundheitsschädliche NO2 wurden jahrelang vielerorts in Deutschland gebrochen. Jetzt sagt der Europäische Gerichtshof: So geht es nicht.
03.06.2021 10:38
Aktualisiert: 03.06.2021 10:38
Lesezeit: 2 min
EuGH verurteilt Deutschland wegen zu schmutziger Luft in Städten – Konsequenzen für Dieselfahrer drohen
Zahlreiche Autos fahren im Berufsverkehr über den Mittleren Ring. (Foto: dpa) Foto: Sven Hoppe

Der Europäische Gerichtshof hat Deutschland verurteilt, weil jahrelang in vielen Städten die Grenzwerte für den Luftschadstoff Stickstoffdioxid erheblich überschritten wurden. Die Bundesrepublik habe damit EU-Recht gebrochen, entschieden die höchsten EU-Richter am Donnerstag in Luxemburg. Hintergrund ist eine Klage der EU-Kommission. Sie bezieht sich auf die Jahre 2010 bis 2016. (Rechtssache C-635/18)

Mit dem Urteil gegen die Bundesrepublik sind neue Auflagen zum Beispiel für Dieselfahrzeuge an bestimmten Orten nicht ausgeschlossen. Allerdings hat sich die Luftqualität in deutschen Städten zuletzt verbessert, unter anderem wegen der Corona-Krise. Nach Angaben des Bundesumweltministeriums waren 2016 in 90 Städten die Grenzwerte teils deutlich überschritten worden. Seither sei die Zahl jedes Jahr gesunken. 2019 waren es den Angaben zufolge noch 25, im Corona-Jahr 2020 dann sechs, darunter München und Hamburg.

Die EU-Kommission hatte die Klage gegen Deutschland 2018 beim obersten EU-Gericht eingereicht. Sie begründete dies damals damit, dass die seit 2010 in der EU gültigen Jahresgrenzwerte für Stickstoffdioxid in 26 Gebieten systematisch und fortdauernd überschritten worden seien. Dazu gehörten Berlin, Hamburg, München und Stuttgart. In zwei Gebieten seien auch Stundengrenzwerte nicht eingehalten worden.

Den Argumenten folgte der EuGH jetzt und gab der Klage der EU-Kommission in vollem Umfang statt. Deutschland habe gegen seine Verpflichtungen aus der Luftreinhalterichtlinie verstoßen. Dies sei auch dadurch geschehen, «dass keine geeigneten Maßnahmen ergriffen wurden, um ab dem 11. Juni 2010 in allen Gebieten die Einhaltung der Grenzwerte für NO2 zu gewährleisten», erklärte das Gericht. Auch habe Deutschland offenkundig nicht rechtzeitig genug unternommen, um die Überschreitung der Grenzwerte so kurz wie möglich zu halten.

Der Gerichtshof wies das Argument Deutschlands zurück, dass die EU-Kommission durch maßgebliche eigene Versäumnisse zum Missstand beigetragen habe. Die damals gültige Schadstoffnorm Euro 5 für Dieselautos habe sich als problematisch erwiesen, argumentierte Deutschland nach Angaben des Gerichtshofs. Dieser stellte jedoch zum einen fest, dass Kraftfahrzeuge nicht die einzige Ursache von NO2 seien. Zudem entbinde die EU-Abgasnorm die Mitgliedsstaaten nicht von der Verpflichtung, die Grenzwerte für Luftschadstoffe einzuhalten, erklärte der Gerichtshof.

Der Jahresgrenzwert für Stickstoffdioxid liegt bei 40 Mikrogramm je Kubikmeter Luft im Jahresmittel. Daneben gibt es einen Ein-Stunden-Grenzwert von 200 Mikrogramm, der nicht öfter als 18-mal pro Jahr überschritten werden darf. Stickstoffdioxide entstehen vor allem bei Verbrennungsprozessen sowohl in Motoren als auch in Öfen für Kohle, Öl, Gas, Holz und Abfälle. Sie gelten unter anderem für Asthmatiker als schädlich.

Die Deutsche Umwelthilfe hatte schon vorab betont, der Richterspruch aus Luxemburg habe «grundlegende und weitreichende Bedeutung im Kampf für die saubere Luft». Der Verband bedauerte allerdings, dass das Urteil erst mehr als zehn Jahre nach Inkrafttreten der Grenzwerte komme. Die DUH habe seit 2011 in insgesamt 40 Städten und neun Bundesländern geklagt und Maßnahmen wie Dieselfahrverbote, die Nachrüstung von Bussen, die Verbesserung des öffentlichen Nahverkehrs, Fahrrad- und Fußverkehr sowie Tempo 30 durchgesetzt.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Politik
Politik Rutte warnt in Berlin: Russland sieht Europa als nächstes Ziel
11.12.2025

Bundeskanzler Merz und Nato-Generalsekretär Rutte haben in Berlin Alarm geschlagen. Russland ziele nicht nur auf die Ukraine, sondern...

DWN
Finanzen
Finanzen Münchener Rück-Aktie: Neue Strategie setzt deutliche Gewinneffekte frei
11.12.2025

Die Münchener Rück-Aktie gewinnt an Tempo – und das aus gutem Grund. Die neue Strategie Ambition 2030 verspricht höhere Gewinne,...

DWN
Politik
Politik Analyse: Putin und Trump spielen im selben Team gegen Europa
11.12.2025

Putin und Trump sprechen plötzlich dieselbe Sprache. Europas Zukunft steht auf dem Spiel, während Washington und Moskau ein gemeinsames...

DWN
Technologie
Technologie Halbleiter-Förderung: Dresden und Erfurt erhalten grünes Licht
11.12.2025

Europa hängt bei Chips weiter an Asien – nun greift die EU zu einem Milliardenhebel. Deutschland darf zwei neue Werke in Dresden und...

DWN
Finanzen
Finanzen EZB erhöht Druck: Vereinfachte Regeln für Europas Banken
11.12.2025

Die EZB drängt auf einfachere EU-Bankenvorschriften und will kleinere Institute entlasten. Doch wie weit darf eine Reform gehen, ohne...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Ifo-Institut korrigiert Wirtschaftsprognose: Deutschlands Aufschwung bleibt schwach
11.12.2025

Die neue Wirtschaftsprognose des Ifo-Instituts dämpft Hoffnungen auf einen kräftigen Aufschwung. Trotz Milliardeninvestitionen und...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Klimarisiken: Unternehmen gefährden ihre Umsätze durch schwaches Risikomanagement
11.12.2025

Unternehmen geraten weltweit unter Druck, ihre Klimarisiken präziser zu bewerten und belastbare Strategien für den Übergang in eine...

DWN
Politik
Politik Trump warnt die Ukraine und verspottet Europa. „Am Ende gewinnt der Stärkere“
11.12.2025

US-Präsident Donald Trump erhöht den Druck auf die Ukraine und attackiert gleichzeitig europäische Staatschefs. Seine Aussagen im...