Weltwirtschaft

Verzweiflungstat gegen grassierende Inflation: China verhängt Preiskontrollen

Lesezeit: 2 min
09.06.2021 11:00
Als Reaktion auf den stärksten Anstieg der Erzeugerpreise seit über zwölf Jahren, führt China Preiskontrollen ein. Doch solche Verzweiflungstaten haben in der Vergangenheit die Versorgungsengpässe nur verschlimmert.
Verzweiflungstat gegen grassierende Inflation: China verhängt Preiskontrollen
Chinas Behörden wollen die Lebensmittelpreise stabilisieren. (Foto: dpa)
Foto: Uncredited

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Wie das chinesische Statistikamt am Mittwoch in Peking mitteilte, haben Chinas Produzenten ihre Preise im Mai um 9 Prozent angehoben. Dies ist der stärkste Anstieg seit September 2008, als die US-Investmentbank Lehman Brother zusammenbrach und die Große Finanzkrise begann. Die Reaktion aus Peking kam umgehend, doch Preiskontrollen bergen stets erhebliche Gefahren.

Entscheidend ist, dass die chinesischen Erzeugerpreise im Mai viel stärker angestiegen sind als die Verbraucherpreise. Seit 1993 war die Differenz nicht mehr so groß. Denn der Verbraucherpreisindex stieg im Mai nur um 1,3 Prozent im Jahresvergleich, was weit entfernt ist von dem rasanten Preisanstieg bei Lebensmitteln vor einem Jahr, als extreme Schweinefleischpreise den Lebensmittelkorb massiv verteuerten.

Das größere sichtbare Problem für China ist der starke Anstieg der Erzeugerpreise, der nur knapp unter dem Rekordwert von 10 Prozent lag. Doch offenbar geben die chinesischen Fabriken die steigenden Kosten noch immer nicht an die Konsumenten weiter. Dies bedeutet, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis die Industriegewinne einbrechen und Unternehmen reihenweise pleite gehen.

Es stellt sich die Frage, wie lange die chinesischen Unternehmen den Anstieg der Rohstoffpreise noch absorbieren können, bevor sie ihn schließlich doch an die Verbraucher weitergegeben müssen. Denn wenn sie ihre stark erhöhten Kosten nicht weitergeben sinken ihre Gewinnmargen, was letztlich sogar eine Pleitewelle auslösen könnte.

Möglicherweise spiegelt der starke Anstieg der chinesischen Erzeugerpreise im Mai aber lediglich ein kurzfristiges Phänomen wider, das durch die Wiederbelebung der Wirtschaft im Jahresvergleich und durch die derzeitigen Angebotsengpässe bedingt ist. Doch immer mehr Analysten warnen, dass die höheren Erzeugerpreise anhalten könnten.

Zwar hat der starke Yuan die Rohstoffimporte für die chinesische Industrie erschwinglicher gemacht. Doch gegen Preisanstiege um mindestens 50 Prozent bei praktisch allen Rohstoffen kommt eine Aufwertung gegenüber dem Dollar um rund 10 Prozent nicht an. Bei Chinas Notenbank streitet man derzeit, ob man den Yuan abschwächt und so die Exportwirtschaft stützt oder den Yuan stärk und so die Inflation bekämpft.

China startet de facto Preiskontrollen

Kurz nachdem der höchste Preisanstieg der Erzeugerpreise seit mehr als zwölf Jahren gemeldet worden war, hat China de facto Preiskontrollen eingeführt. Konkret kündigte Chinas Wirtschaftsplanungsbehörde NDRC auf ihrer Webseite an, dass sie das Angebot an wichtigen Konsumgütern erhöhen will, um deren Preise zu stabilisieren, darunter Mais, Weizen und Schweinefleisch. Die Behörde meldet:

"In den letzten Jahren wurde der Preiskontrollmechanismus für wichtige Lebensgrundlagen kontinuierlich verbessert, und es wurden bemerkenswerte Ergebnisse bei der Sicherung der Versorgung und der Stabilisierung der Preise erzielt. Die Produktion, die Lieferung, die Lagerung und der Verkauf von wichtigen Gütern für den Lebensunterhalt haben jedoch eine lange Kette, viele Glieder und einen großen Erfassungsbereich."

Weiter schreibt die Behörde: "Angesichts von Naturkatastrophen, Marktrisiken und Notfällen können Preise steigen und fallen. Es ist notwendig, die Verbesserung des Preiskontrollmechanismus für wichtige Güter des Lebensunterhalts zu beschleunigen, die Fähigkeit zur Aufrechterhaltung des Angebots und zur Stabilisierung der Preise kontinuierlich zu verbessern, die Auswirkungen des Angebots an Gütern des Lebensunterhalts und der Preisschwankungen auf das Leben der Menschen effektiv zu beheben, die wachsenden Bedürfnisse der Menschen nach einem besseren Leben besser zu erfüllen und das Gefühl des Gewinns, des Glücks und der Sicherheit der Menschen effektiv zu verbessern."

Die Behörde hat nach eigenen Angaben auch "die aktuelle und zukünftige Preissituation analysiert und umfassende Vorkehrungen für die diesjährige Arbeit zur Sicherstellung der Versorgung und Preisstabilisierung wichtiger existenzsichernder Rohstoffe" getroffen. Bei der Verbesserung des Preiskontrollmechanismus habe man sich auf wichtige existenzsichernde Rohstoffe wie Mais, Weizen, Speiseöl, Schweinefleisch und Gemüse konzentriert.

Chinas angekündigte Eingriffe in die Preisfindung, die für das Funktionieren der Wirtschaft so entscheidend ist, sind trotz aller Voraussicht der chinesischen Behörden nicht ungefährlich. Denn historisch haben Preiskontrollen meist zu noch schlimmeren Engpässen und noch höheren Preisen geführt, auch wenn Schwarzmärkte in der Regel die Notlage mildern, indem sie die Versorgung mit knappen Gütern aufrecht erhalten.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Ratgeber
Ratgeber Sichere Mobilgeräte für Ihr Business: Das Samsung Security Ecosystem

In vielen Unternehmen sind Smartphones und Tablets längst zum unverzichtbaren Arbeitsmittel geworden. Je nach Einsatzgebiet sind die...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Experte: EU-Zölle gegen chinesische E-Autos wären riskanter „Bumerang“
04.10.2023

Die EU-Kommission prüft die Verhängung von Importzöllen gegen chinesische Elektroautos. Ein Experte erwartet vor allem für deutsche...

DWN
Politik
Politik Migrationskrise: FDP stellt Bundesländern Ultimatum
04.10.2023

Die Folgen der laxen Migrationspolitik fliegen der Ampel um die Ohren. Es riecht nach Panik hinter den Kulissen. Derweil finanzieren die...

DWN
Technologie
Technologie Strauchelnde Windbranche gefährdet Klimaziele der EU
04.10.2023

Die Windkraft steckt in der Krise, die ambitionierten Vorgaben der EU rücken in weite Ferne.

DWN
Politik
Politik USA: Machtkampf bei Republikanern eskaliert
04.10.2023

Die Spannungen innerhalb der republikanischen Partei entladen sich in einem handfesten Machtkampf. Jetzt wurde der erste Top-Funktionär...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Wirtschaft begrüßt Steuervorschläge von Friedrich Merz
04.10.2023

Die Vorschläge von CDU-Chef Friedrich Merz zur Reform der Besteuerung von Unternehmen haben ein zwiespältiges Echo ausgelöst. Während...

DWN
Politik
Politik Niederländer Wopke Hoekstra soll neuer EU-Klimakommissar werden
04.10.2023

Der EU-Umweltausschuss empfiehlt Wopke Hoekstra als neuen EU-Klimakommissar. Hoekstra muss noch die Zustimmung des gesamten...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Massiver Einbruch in der deutschen Startup-Szene
03.10.2023

Im ersten Halbjahr dieses Jahres ist sowohl die Zahl als auch besonders der Umfang der Finanzierungen für deutsche Start-up-Unternehmen...

DWN
Politik
Politik Illegale Migration: Polen, Tschechien und Österreich führen Grenzkontrollen ein
04.10.2023

Der starke Anstieg der illegalen Migration nach Europa zwingt zu einer Abkehr vom Kernelement des Schengen-Systems.