Weltwirtschaft

„Ideen aus La La Land“: Golf-Emirate und Russland lehnen Investitionsstopp bei fossilen Energiequellen kategorisch ab

Lesezeit: 3 min
09.06.2021 11:00  Aktualisiert: 09.06.2021 11:16
Russland sowie mehrere Golfstaaten lehnen die von der Internationalen Energieagentur propagierte Idee eines sofortigen Investitionsstopps in fossile Energiequellen ab. Der Vorschlag gehe weit an der Realität vorbei.

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Saudi-Arabien, Russland sowie weitere rohstoffreiche Länder lehnen den von der Internationalen Energieagentur (IEA) vor einigen Wochen geforderten sofortigen Stopp aller neuen Projekte im Bereich fossiler Energieträger kategorisch ab. Die Idee sei nicht praktikabel und gehe weit an den realistischen Möglichkeiten einer schrittweisen Umstellung der Weltwirtschaft auf alternative Energiequellen vorbei.

Analysten der IEA hatten zuvor den sofortigen Verzicht auf neue Investitionen im Öl- und Gassektor als eine theoretische Bedingung formuliert, um das Ziel der „Klimaneutralität“ – also den Umbau von einer maßgeblich auf fossilen Energieformen basierenden Weltwirtschaft hin zu einem auf regenerativen Quellen basierenden Energiesystems – bis zum Jahr 2050 erreichen zu können.

Das auf Energiethemen spezialisierte Portal Oilprice zitiert den saudischen Energieminister Abdulasis bin Salman nun mit den Worten, der Vorschlag der IEA gleiche „einer Sequenz aus dem Film La La Land – warum sollte ich das ernst nehmen?“. Der Grund für die ablehnende Haltung bin Salmans: Die Volkswirtschaften aller Kontinente seien trotz des zunehmenden Aufbaus einer alternativen Energieinfrastruktur noch auf Jahrzehnte auf eine sichere Versorgung mit Öl- und Gasprodukten angewiesen.

Katars Energieminister Saad Sherida al Kaabi nannte die „Euphorie“ rund um die gegenwärtige Transformation „gefährlich“. „Wenn sie dem Geschäft weitere Investitionen vorenthalten, dann bekommen sie hohe Preissprünge“, zitiert Oilprice al Kaabi.

„Die Welt konsumiert Öl, ist aber nicht bereit, weiter zu investieren“

Der Vorstandsvorsitzende des staatlichen russischen Ölkonzerns Rosneft, Igor Setschin, gibt mit Blick auf den IEA-Vorstoß zu bedenken, dass ein sofortiger Stopp aller neuen Investitionen im Öl- und Gassektor zu Versorgungsunsicherheiten in der nahen oder mittelfristigen Zukunft führen werde.

„Die langfristige Stabilität der Ölversorgung wird durch eine mangelhafte Investitionstätigkeit gefährdet. Diese resultiert zum einen aus den Ansprüchen verschiedener Anspruchsgruppen (stakeholder) an Firmen, welche auf eine vollständige Einstellung aller Investitionen im Ölsektor abzielen, und zum anderen aus dem Bestreben der großen Ölkonzerne, den Unternehmenswert nach Maßgabe des Shareholder Value und die Dividenden mithilfe von Aktien-Rückkäufen und höheren Auszahlungen zu erhöhen“, sagte Setschin vergangene Woche auf dem St. Petersburg International Economic Forum, wie aus einer offiziellen Mitschrift seiner Rede hervorgeht.

Die Volumina neu entdeckter Ölfelder befinden sich Setschin zufolge bereits seit einigen Jahren auf einem historischen Minimum, weshalb schon jetzt mit einer gewissen Angebotsknappheit in der näheren Zukunft zu rechnen sei. Weiter sagte Setschin: „Dieser Trend könnte zu einer neuen Normalität werden und zu einer Entleerung der Basisressourcen führen. Für die Welt besteht das Risiko eines akuten Defizits in der Öl- und Gasversorgung. Die Welt konsumiert Öl, ist aber nicht bereit, auf diesem Feld weiter zu investieren.“

Der russische Vize-Premierminister Alexander Nowak bezeichnete den Vorschlag der IEA auf dem Forum als „unrealistisch“ und „vereinfachend“. Die IEA sei offenbar zu diesem Ergebnis gekommen, indem sie schlichtweg das Ziel einer vollständigen Klimaneutralität im Jahr 2050 angesetzt und einfach „zurückgerechnet“ habe, zitiert CNBC Nowak. Folge man der von der IEA vorgeschlagenen Roadmap, dann „wird der Ölpreis wohin steigen, auf 200 Dollar? Die Gaspreise werden explodieren“, sagte Nowak dem Portal World Oil zufolge.

Nowak plädierte für eine realitätsbasierte Herangehensweise: „Es besteht kein Zweifel daran, in Richtung grüner Energieformen zu gehen, weil es dafür in der Gesellschaft eine starke Nachfrage gibt. Aber wir müssen uns darüber im Klaren sein, welche Rohstoffe diese Strategie benötigt, wer dafür bezahlt und welche Chancen und Technologien vorhanden sind.“ Russland werde auch weiterhin in die Förderung und Weiterverarbeitung von Erdöl, Erdgas und Kohle und ebenso in alternative Energieformen investieren, weil „wir im angebrochenen Jahrzehnt einen Mix aus Erneuerbaren und fossilen Kraftstoffen benötigen“, so Nowak.

Mix aus fossilen und regenerativen Quellen bestimmt die Zukunft

Russland wie auch Saudi-Arabien verfügen über große Reserven an fossilen Energieträgern, aus deren Verkauf ein Großteil der Einnahmen beider Staaten generiert wird. Es ist deshalb nur logisch, dass beide Länder einer allzu forcierten globalen „Energiewende“, wie sie nun von der IEA skizziert wurde, kritisch bis ablehnend gegenüberstehen.

Trotzdem sind sie in gewisser Weise auch Profiteure des gegenwärtig zu beobachtenden Schwenks hin zu alternativen Energiequellen wie Wind-, Wasser- und Sonnenkraft, weil diesbezügliche Vorstöße von Aktivisten und Aktionärsgruppen nur die privatwirtschaftlich betriebenen Konzerne wie beispielsweise die westlichen Ölmultis treffen. Auf die vollständig oder teilweise in Staatsbesitz befindlichen Player aus Russland und Saudi-Arabien wie beispielsweise Rosneft, Gazprom oder Saudi Aramco haben die Klima-Aktivisten keinen Einfluss.

„Während die Exxons, Chevrons und Shells dieser Welt damit beschäftigt sind, die Ansprüche von Klima-Aktivisten in der Konzernzentrale und vor Gericht zu behandeln, bereiten sich die staatlichen Ölkonzerne – insbesondere jene mehrerer OPEC-Länder – darauf vor, von den sicherlich steigenden Ölpreisen zu profitieren“, schreibt Oilprice.

Zudem bauen beide Länder ihre alternativen Energieerzeugungskapazitäten ebenfalls aus, wobei hier insbesondere Saudi-Arabien auffällt, das über große Potenziale bei der Solarenergie verfügt und auch im Bereich Wasserstoff führend werden möchte. Riad lancierte dazu vor einiger Zeit die durch Öl-Einnahmen finanzierte „Saudi Green Initiative“, deren Ziel darin besteht, bereits im Jahr 2030 rund 50 Prozent des Energiebedarfs des Landes mit regenerativen Energieformen zu decken. „Saudi-Arabien ist nicht länger ein Ölstaat, sondern ein Energie-produzierendes Land“, sagte bin Salman vergangene Woche.


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