Deutschland

Bundesregierung verabschiedet Klima-Programm in Milliardenhöhe

Die Bundesregierung ein Ausgabenprogramm aufgelegt, das den Weg für die geplante klimaneutrale Zukunft ebnen soll. Den Großteil des Steuergeldes erhält der Gebäudesektor.
23.06.2021 17:52
Aktualisiert: 23.06.2021 17:52
Lesezeit: 2 min

Bis 2045 hat sich Deutschland ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Dann sollen nur noch so viele Treibhausgase ausgestoßen werden, wie wieder aus der Atmosphäre neutralisiert werden können. Über den Weg dahin hat die Politik in den vergangenen Wochen heftig gestritten. Nun hat die Bundesregierung ein Acht-Milliarden-Investitionsprogramm aufgelegt, das das Land fit machen soll für die klimaneutrale Zukunft. Das Wichtigste im Überblick:

INDUSTRIE

859 Millionen Euro will die Bundesregierung ausgeben, um die Unternehmen in Deutschland für die ökologische Transformation zu rüsten. Aus diesem Topf hervorzuheben sind 650,2 Millionen Euro, die die Bundesregierung zusätzlich für sogenannte Klimaschutzverträge mit der Industrie bereitstellen will. Es handelt sich dabei um staatliche Förderprogramme, die Mehrkosten für Investitionen in klimafreundliche Produktion ausgleichen sollen, etwa wenn Unternehmen viel Geld in den teuren Einsatz von grünem Wasserstoff investieren. Die Stahlindustrie soll zur Umstellung ihrer Hochöfen auf wasserstoffbasierte Produktion 100 Millionen Euro erhalten. Auch die chemische Industrie soll mit 50 Millionen Euro bedacht werden, um etwa von fossilen Energieträgern auf saubere Produktion umzustellen.

ENERGIE

Hier sind 95 Millionen Euro zusätzlich veranschlagt. Und der Handlungsbedarf ist groß: Die Energiewirtschaft soll nach dem neuen Bundesklimaschutzgesetz im Jahr 2030 nur noch 108 Millionen Tonnen Treibhausgase emittieren, 2020 waren es noch 280 Millionen. Das Geld soll in effiziente Wärmenetze, die Produktion von grünem Wasserstoff und den Aufbau eines internationalen Wasserstoffmarktes fließen.

GEBÄUDE

Der Gebäudesektor hat als einziger Sektor im vergangenen Jahr mehr Kohlendioxid (CO2) emittiert als erlaubt. Entsprechend groß ist die Summe, die Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) für diesen Bereich vorgesehen hat. Zusätzliche 5,5 Milliarden Euro sollen bis 2025 in die energetische Sanierung von Wohngebäuden und den klimafreundlichen Neubau oder die Sanierung von Sozialwohnungen fließen. Der soziale Wohnungsbau erhält damit aus diesem Topf eine Milliarde Euro. Gleichzeitig sollen die energetischen Mindeststandards für neue Gebäude angehoben werden. Wie genau, ist nicht konkreter ausgeführt.

VERKEHR

Mehr als eine Milliarde Euro sind zusätzlich etwa für neue Radwege, die Digitalisierung der Schienenwege und neue Schnellladestationen vorgesehen. Auch Wasserstraßen und die klimafreundliche Schifffahrt sollen von diesem Posten profitieren. Ergänzend dazu vermerkt die Bundesregierung, dass die Höhe der Kfz-Steuer in den kommenden Jahren stärker am CO2-Ausstoß der Fahrzeuge ausgerichtet sein müsse. Nähere Vorgaben dazu enthält das Programm aber nicht.

KLIMANEUTRALE BUNDESBEHÖRDEN

Die Bundesbehörden sollen mit gutem Beispiel vorangehen und einen Beitrag zu den neuen Klimazielen leisten. So sollen ihre Fahrzeuge bis 2025 mindestens zur Hälfte elektrisch sein.

LANDWIRTSCHAFT

Mehr als 150 Millionen Euro will der Bund für die Förderung der Energieeffizienz im Agrarsektor bereitstellen. Damit sollen etwa emissionsarme Ställe und Lagerstätten sowie die Forschung für klimafreundliche Landwirtschaft bedacht werden.

WÄLDER UND MOORE

Mehr als 330 Millionen Euro sind etwa für den Schutz der Moore und die nachhaltige Waldbewirtschaftung eingeplant. 200 Millionen Euro davon will die Bundesregierung wiederum reservieren, um die Klimaschutzleistung der Wälder zu honorieren. Das fordern Waldbesitzer seit längerem. Denn gesunde Bäume können das klimaschädliche CO2 binden und folglich für weniger Treibhausgase sorgen. Im neuen Bundesklimaschutzgesetz soll diese CO2-Senkenleistung erstmals als fester Bestandteil in die Gesamtkalkulation zur Reduktion von Treibhausgasen fließen.

KRITIK AM KLIMA-SOFORTPROGRAMM

Selbst Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) will nicht von einem "Sofortprogramm" sprechen, da die Maßnahmen nicht "sofort" in Kraft treten, sondern vielmehr eine "Brücke in die kommende Wahlperiode" darstellen, wie die Ministerin erläutert. Außerdem beklagt Schulze, dass weder die hälftige CO2-Preiskosten-Aufteilung zwischen Mietern und Vermietern noch ein Ausbaupfad für erneuerbare Energien bis 2030 Einzug ins Investitionsprogramm gehalten hätten. Das sei "am Widerstand der von der Immobilien-Lobby beeinflussten Unionsfraktion" gescheitert, erklärte Schulze am Mittwoch.

Kritik kam auch von Umweltverbänden und aus der Opposition. Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer sprach von einem "Wunschzettel", den die nächste Bundesregierung umzusetzen habe. Auch der Direktor der Denkfabrik Agora Energiewende, Patrick Graichen, äußerte sich kritisch. "Das Sofortprogramm ist ein ungedeckter Scheck, weil es vor allem Haushaltsmittel 2022 in Aussicht stellt, über die aber die nächste Regierung und das nächste Parlament entscheiden", sagte Graichen. Um das höhere Klimaziel bis 2030 zu erreichen, brauche es neben Fördermitteln schnell wirkende Gesetze und Verordnungen, etwa "ambitionierte Gebäudestandards, höhere CO2-Preise und niedrigere Strompreise".

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Finanzen
Finanzen Hugo Boss-Aktie: Kurssturz nach katastrophalem Ausblick – Machtkampf und Übernahmefantasie
03.12.2025

Zur Wochenmitte hat sich der DAX leicht aufwärts bewegt, der Blick der Anleger fiel aber zu einem Großteil auf die Hugo Boss-Aktie: Das...

DWN
Politik
Politik Recht auf Bargeld: Slowenien verankert Recht auf Barzahlung in Verfassung
03.12.2025

Ungarn und die Slowakei haben es vorgemacht, nun zieht ein weiteres EU-Land nach. Slowenien stärkt das Bargeld – und hebt es auf die...

DWN
Politik
Politik Importstopp russisches Gas: EU einig über Komplettverzicht auf Gas aus Russland
03.12.2025

Die EU will bis spätestens Ende 2027 vollkommen unabhängig von russischem Erdgas sein. Das sieht eine Einigung zwischen Vertretern der...

DWN
Finanzen
Finanzen Wärmewende: Heizen ist teurer geworden - mal wieder
03.12.2025

Wer seine Wohnung schön warm haben wollte, musste in den Jahren 2022 und 2023 besonders tief in die Tasche greifen. Nun haben Experten die...

DWN
Politik
Politik Putin versucht in Europa, was nicht einmal Stalin gelang
03.12.2025

Europa steht vor einer sicherheitspolitischen Zäsur. Neue Enthüllungen über Washingtons Verhandlungen, interne Machtkämpfe in Kiew und...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft OECD-Prognose: Zölle bremsen Wachstum bis 2027
03.12.2025

Die OECD sieht für Deutschland ab 2025 einen zögerlichen Aufschwung, der jedoch im internationalen Vergleich blass bleibt. Niedrige...

DWN
Politik
Politik Russland im Fokus: Finnlands Ex-Präsident warnt vor schnellem Ukraine-Frieden
03.12.2025

Finnlands früherer Präsident Sauli Niinistö verfolgt den Krieg in der Ukraine mit wachsender Sorge und warnt vor trügerischen...

DWN
Technologie
Technologie Jeder Sechste sorgt sich wegen KI um eigenen Arbeitsplatz
02.12.2025

Künstliche Intelligenz verändert den Arbeitsmarkt rasant. Jeder sechste Beschäftigte in Deutschland fürchtet, dass sein Job bedroht...