Politik

Merkel und Macron scheitern mit Initiative - Osteuropa lehnt Dialog mit Russland ab

Der deutsch-französische Vorschlag, einen direkten Dialog mit der russischen Regierung zu suchen, wurde am EU-Gipfel abgewiesen. Brüssel beschneidet dadurch ohne Not seine eigene Handlungsfähigkeit gegenüber Russland - im Gegensatz zu den USA.
25.06.2021 11:09
Aktualisiert: 25.06.2021 11:09
Lesezeit: 2 min
Merkel und Macron scheitern mit Initiative - Osteuropa lehnt Dialog mit Russland ab
Frankreichs Präsident Emanuel Macron im Gespräch mit Russlands Staatschef Wladimir Putin. (Foto: dpa) Foto: Mikhail Klimentyev

Die EU-Staaten wollen künftig deutlich härter auf "böswillige" Handlungen Russlands reagieren. Nach einem Beschluss der Staats- und Regierungschefs aus der Nacht zum Freitag soll dafür ein Plan für Strafmaßnahmen erstellt werden, der auch Wirtschaftssanktionen umfasst. Es gebe "die Notwendigkeit einer entschlossenen und koordinierten Reaktion der EU und ihrer Mitgliedstaaten auf jede weitere böswillige, rechtswidrige und disruptive Aktivität Russlands", heißt es in der Gipfelerklärung. Die EU müsse deswegen die ihr zur Verfügung stehenden Instrumente in vollem Umfang nutzen.

Konfrontation ja, Dialog nein

Nicht einigen konnten sich die Staats- und Regierungschefs hingegen darauf, neben den Sanktionsdrohungen auch neue Gesprächsangebote an die russische Regierung zu senden und direkte Gesprächskanäle zu öffnen, um Möglichkeiten für eine stärkere Zusammenarbeit auszuloten. Für ein solches Vorgehen hatten sich vor allem Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron stark gemacht. "Ich persönlich hätte hier mir einen mutigeren Schritt gewünscht", sagte Merkel am frühen Freitagmorgen nach den Beratungen. Auf ein sofortiges Treffen auf Chefebene habe man sich aber nicht einigen können.

Merkel hatte vor dem Gipfel argumentiert, es reiche nicht aus, wenn der amerikanische Präsident Joe Biden mit dem russischen Präsidenten spreche. Die EU müsse auch Gesprächsformate schaffen. Anders werde man die Konflikte nicht lösen. Es sei eine "sehr ausführliche und auch nicht einfache Diskussion" gewesen, sagte sie im Anschluss. Nach Angaben von Diplomaten waren vor allem osteuropäische EU-Staaten gegen ein Gesprächsangebot an Putin persönlich. Der lettische Ministerpräsident Krisjanis Karins sagte in Brüssel: Zugeständnisse ohne Gegenleistung sehe der Kreml nicht als Zeichen von Stärke.

Mit der Weigerung, direkte Gesprächskanäle zu Moskau zu öffnen, begrenzt die EU ihre eigene Handlungsfähigkeit enorm. Während selbst die US-Regierung erst vor wenigen Tagen direkte Gespräche mit Putin in Genf führte, bleibt Brüssel nun nur noch die Möglichkeit der Konfrontation statt des Dialogs, um auf Probleme zu reagieren - eine aktive Verständigungspolitik ist von den Osteuropäern so gut wie unmöglich gemacht worden.

Zu den "böswilligen und rechtswidrigen" Handlungen, die künftig deutlich härter beantwortet werden können sollen, zählen zum Beispiel mögliche Hackerangriffe und Operationen russischer Geheimdienste in EU-Staaten. Auch eine deutlichere und schnellere Antwort auf Fälle wie den sonderbaren Fall des Oppositionellen Alexej Nawalny soll künftig möglich sein. Nawalny soll angeblich vergiftet worden sein und wurde dann zur Kur auf Kosten des deutschen Steuerzahlers im Schwarzwald behandelt, wo er mit einer amerikanischen PR-Agentur ein Propagandavideo gegen Russlands Präsident Putin drehte. Reaktionen auf solche Fälle fielen bislang vergleichsweise zurückhaltend aus. So wurden zum Beispiel russische Diplomaten ausgewiesen oder eher symbolische Sanktionen gegen Funktionäre oder staatliche Stellen erlassen. Nichtsdestotrotz hat das Verhältnis zwischen Russland und der EU aus Sicht praktisch aller Beteiligter inzwischen den schlechtesten Zustand seit dem Ende des Kalten Krieges erreicht.

Weitreichende Wirtschaftssanktionen gegen Russland waren zuletzt 2014 im Zuge des Ukraine-Konflikts verhängt worden. Die Sanktionen sind heute noch gültig. Eine Änderung der EU-Position gegenüber Russland soll es nach der neuen Gipfelerklärung der Staats- und Regierungschefs erst dann geben können, wenn Russland den notwendigen Beitrag für die vollständige Umsetzung des Minsker Friedensabkommens für den Ukraine-Konflikt leiste.

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