Politik

Einigung auf neue EU-Agrarpolitik: Was der Kompromiss bedeutet

Lesezeit: 2 min
26.06.2021 14:14
Nach rund drei Jahren haben sich Unterhändler auf EU-Ebene auf eine Agrarreform geeinigt. Dabei geht es um Hunderte Milliarden Euro.

Mehr zum Thema:  
Europa >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Europa  

Es geht um Hunderte Milliarden und nicht weniger als die Frage, wie Lebensmittel hergestellt werden: In Brüssel ist eine Einigung über Rahmenbedingungen der künftigen EU-Agrarpolitik erzielt worden. Millionen von Landwirten leben von diesen Geldern. Hinter Begriffen wie Säulen, Umweltauflagen und Direktzahlungen verbirgt sich sehr konkrete Politik, deren Auswirkungen jeder und jede sehen kann:

Welche Auswirkungen hat die Reform für Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland?

Durch die EU-Agrargelder wird maßgebend bestimmt, in welchem Rahmen europäische Lebensmittel hergestellt werden. Die Auswirkungen kann man am ehesten im Supermarkt beobachten. Beeinflusst werden kann zum Beispiel, wie teuer Lebensmittel sind und welche Tierwohlstandards eingehalten werden. Abseits des Supermarktes könnte man an Feldern beispielsweise öfter auf Blühstreifen für Bienen und andere Insekten stoßen.

Was bedeutet die Reform für deutsche Bäuerinnen und Bauern?

Insgesamt werden in Deutschland jährlich rund sechs Milliarden Euro EU-Agrarfördermittel verteilt. Bislang war der größte Teil davon (78 Prozent) als Flächenprämie verfügbar, also weitgehend unabhängig von den Folgen für Umwelt und Landschaft. Künftig soll mehr Geld an Umweltauflagen geknüpft sein. Wie diese Umweltauflagen konkret aussehen, steht noch nicht fest. Zudem sollen künftig auch Sozialstandards stärker im Fokus stehen. Ausländische Saisonarbeiter profitieren davon aber zunächst nicht.

Wie hoch ist das Budget der EU-Agrarpolitik?

Insgesamt umfasst die Agrarpolitik für die Zeit von 2021 bis 2027 ein Volumen von knapp 390 Milliarden Euro. Ab 2023 - für die Zeit, in der die Reform wirklich greifen soll - sind 270 Milliarden vorgesehen. Die GAP ist das einzige Politikfeld, das nahezu ausschließlich aus dem gemeinsamen EU-Haushalt finanziert wird. Das bedeutet, dass diese Mittel größtenteils nationale Ausgaben der EU-Länder ersetzen.

Wie sind die Gelder bislang strukturiert?

Die EU-Agrarpolitik ist im Grunde in zwei Töpfe aufgeteilt, was auch so bleibt. Zum einen werden jährlich Gelder ausgezahlt, die in den sogenannten Direktzahlungen zusammengefasst werden - sie werden auch die erste Säule genannt. Das sind bislang die Gelder, die anhand der Fläche eines Betriebs ausgezahlt werden. Aus diesem Topf sollen künftig auch die Öko-Regelungen finanziert werden, die bis zu 25 Prozent ausmachen sollen. Für 2023 bis 2025 sollen das mindestens 48 Milliarden sein. Zum anderen gibt es Geld für die Entwicklung des ländlichen Raums - die zweite Säule. Das sind Mittel, die für meist siebenjährige Programme zur Verfügung stehen und etwa für langfristige Umweltmaßnahmen genutzt werden können.

Wie umweltschädlich ist die Landwirtschaft in Europa?

Der Deutsche Bauernverband betont, dass Landwirtinnen und Landwirte in den vergangenen Jahren bereits viele Verbesserungen erreicht hätten. Die Politik und Umweltorganisationen sehen jedoch erheblichen Verbesserungsbedarf. Der EU-Rechnungshof kritisiert, dass die Treibhausgasemissionen des Agrarsektors seit 2010 nicht gesunken seien. «Die Landwirtschaft ist eine der Hauptursachen für den Verlust an Biodiversität», sagte EU-Kommissionsvizechef Frans Timmermans im März. Schädlingsbekämpfungsmittel, Dünger und Monokulturen können der Tier- und Pflanzenwelt schaden. Auch für das Klima ist die derzeitige Landwirtschaft schädlich: Sie verantwortet laut Bundesumweltamt elf Prozent der Treibhausgas-Emissionen in der EU.

Warum sehen Umweltorganisationen die Reform so kritisch?

Das Bündnis Fridays for Future fordert schon länger, dass die Reform in ihrer jetzigen Form zurückgezogen wird. Die Aktivistinnen Greta Thunberg und Luisa Neubauer haben kritisiert, dass die Reform so wie derzeit verhandelt nicht mit dem Pariser Klimaabkommen vereinbar sei. In dem Abkommen hat sich die Staatengemeinschaft darauf geeinigt, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu begrenzen. Auch andere Organisationen wie Greenpeace oder der WWF fürchten, dass die künftige GAP nur grün angestrichen ist, aber weiter umweltschädliche Praktiken finanziert. Das Europäische Umweltbüro etwa schätzt, dass auch nach der Reform rund drei Viertel des Geldes der Intensivlandwirtschaft zugutekommt, ohne dass effektiv mehr für die Umwelt gemacht wird. Der CDU-Abgeordnete Peter Jahr sieht anders. «Wir bleiben ökonomisch, sozial und umweltgerecht», sagte er nach der Einigung.

Warum gibt es die EU-Agrarpolitik?

Das ist historisch gewachsen: Mit der Einführung der gemeinsamen Agrarpolitik 1962 war es eines der wichtigsten Ziele überhaupt, eine sichere Versorgung mit Nahrung zu gewährleisten. Niemand sollte nach den Schrecken des Krieges in Hunger leben müssen. Doch auch andere Ziele wie ein «angemessenes» Einkommen für Bäuerinnen und Bauern, den Erhalt ländlicher Gebiete und später eine umweltverträgliche Landwirtschaft gehören zu den Vorgaben der GAP.


Mehr zum Thema:  
Europa >

DWN
Politik
Politik Kalifornien untersagt Immobilienspekulation in Brandgebieten
15.01.2025

Kalifornien verbietet Immobilienspekulation in Brandgebieten. Gouverneur Newsom will Angebote unter Marktwert für drei Monate untersagen,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Unmotivierte Arbeitnehmer: Nur 48 Prozent der Deutschen geben am Arbeitsplatz ihr Bestes
15.01.2025

Nicht nur die Wirtschaft schwächelt in Deutschland, auch die Arbeitsmoral der Arbeitnehmer. Ein weltweiter Vergleich zeigt: Nicht einmal...

DWN
Politik
Politik EPA: Elektronische Patientenakte kommt - Lauterbach betont Sicherheit der E-Patientenakte
15.01.2025

Die EPA (Elektronische Patientenakte) wird in Arztpraxen eingeführt - zunächst nur in Testregionen, später bundesweit....

DWN
Finanzen
Finanzen Aktionäre in Deutschland: Weniger Deutsche investieren ihr Geld an der Börse
15.01.2025

Die Zahl der Aktionäre in Deutschland ist erneut rückläufig: Zum zweiten Mal in Folge sank die Anzahl, liegt aber weiterhin über der...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Rezession: Deutschlands Wirtschaft 2024 erneut geschrumpft
15.01.2025

Unsichere Konsumenten, schwächelnde Industrie und sinkende Exporte: Die Rezession setzt Deutschland weiter zu. Auch 2025 stehen die...

DWN
Politik
Politik Syrien: Übergangsregierung spricht sich gegen schnelle Rückkehr von Flüchtlingen aus
15.01.2025

Deutschland diskutiert über die Rückkehr syrischer Flüchtlinge. Seit dem Sturz von Baschar al-Assad fällt der Asylgrund für die...

DWN
Finanzen
Finanzen Ripple-XRP-Prognose 2025: Die aktuelle XRP-Kursentwicklung und was Anleger jetzt wissen sollten
15.01.2025

Der Ripple-Kurs, der lange Zeit von Unsicherheiten geprägt war, zeigt sich auch zu Beginn des Jahres 2025 relativ stabil - und legt...

DWN
Finanzen
Finanzen Steuern auf Rente: Steuervorteile und Grundfreibetrag - so hoch ist die Besteuerung 2025
15.01.2025

In Deutschland wird die Rente besteuert. Doch seit wann sind Rentner steuerpflichtig? Welcher Rentenfreibetrag gilt aktuell, welche...