Finanzen

Faule Kredite: In der EU rollt die „Mutter aller Krisen“ an, Spaniens Notenbank schlägt Alarm

Lesezeit: 2 min
06.07.2021 11:27  Aktualisiert: 06.07.2021 11:27
In Europa rollt eine große Lawine „fauler Kredite“ auf die Banken zu. Die Mutter aller Krisen wird erst dann ausbrechen, wenn das Volumen der „faulen Krediten“ bekannt wird.
Faule Kredite: In der EU rollt die „Mutter aller Krisen“ an, Spaniens Notenbank schlägt Alarm
Foto: Olivier Hoslet

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Spaniens Notenbankchef Pablo Hernandez de Cos warnt vor sich verschlechternden Krediten in der Bilanzen der heimischen Geldhäuser infolge der Corona-Krise. Die Qualität des Kreditportfolios bei den Banken könne sich eintrüben, sagte de Cos am Dienstag auf einer Veranstaltung der IESE Business School. „Das Risiko eine Verschlechterung der Kreditqualität in der Zukunft besteht weiterhin“, sagte das Ratsmitglied der Europäischen Zentralbank (EZB) am 6. Juli 2021. De Cos verwies auf Branchen, denen die Pandemie besonders zugesetzt hat, sowie auf das Auslaufen von Unterstützungsmaßnahmen, meldet Reuters. Die EZB-Bankenaufsicht hatte die Geldhäuser im Euro-Raum wiederholt dazu aufgerufen, genügend Vorsorge zu treffen für den Fall, dass bei Krediten Ausfälle drohten. EZB-Chefbankenaufseher Andrea Enria hatte gemahnt, Banken sollten nicht nachlässig mit Darlehen umgehen, die im Zuge der Krise in Wackeln geraten könnten.

Bloomberg Law“ wörtlich: Eine Billionen-Dollar-Welle notleidender Kredite könnte im nächsten Jahr in Europa als Folge der durch die Pandemie verursachten Wirtschaftskrise entstehen. Da staatliche Stützungsprogramme und Schuldenmoratorien im Laufe dieses Jahres auslaufen, werden die Verkäufe notleidender Kredite durch Banken, die versuchen, ihre Bilanzen zu bereinigen, laut einem Bericht des Beratungsunternehmens JLL im Jahr 2022 zunehmen.“

Doch was bedeutet das alles in der Praxis für die Unternehmer? „Miguel Ríos hatte ein gutes Geschäft mit vier Karaoke-Bars in Barcelona, ​​bis das Coronavirus ihn zwang, sie zu schließen. Er nahm Bankdarlehen im Wert von 80.000 Euro auf, was 96.000 US-Dollar entspricht, stellte seine 10 Mitarbeiter in ein staatliches Lohnunterstützungsprogramm und hoffte auf das Beste. Fast ein Jahr später sind die Türen seiner Bars immer noch geschlossen. Nun befürchtet Ríos, dass sein Geschäft scheitern wird, was ihn mit einem Haufen Schulden zurücklässt und seine Banken Verlusten aussetzt. ,Wir widersetzen uns dank Ersparnissen und Bankkrediten, aber wir können nicht mehr lange so durchhalten‘, sagt der 59-jährige Unternehmer. Seine Geschichte wiederholt sich in ganz Europa, weil kleine Unternehmen darum kämpfen, sich im Verlauf der Pandemie über Wasser zu halten. Ihr Überleben ist der Schlüssel für die Banken der Euro-Zone, die zusammen über zwei Billionen Euro ausgeliehen haben – 40 Prozent der gesamten Geschäftskreditbücher der Kreditgeber. Insgesamt haben die Kreditgeber die notleidenden Kredite aus der vorherigen Krise erheblich bereinigt, aber viele sind immer noch mit Souring-Portfolios beschäftigt. Sie kämpfen auch darum, in einem Umfeld mit negativen Zinssätzen Geld zu verdienen. Die Aufsichtsbehörden befürchten, dass eine neue - und möglicherweise größere - Welle von Ausfällen die Banken dazu bringen könnte, Verluste zu erleiden (…) Andrea Enria, Leiterin der Bankenaufsicht bei der Europäischen Zentralbank, hat gewarnt, dass notleidende Kredite in der Eurozone - mehr als nach der Finanzkrise - bis zu 1,4 Billionen Euro erreichen könnten, wenn die Wirtschaft stärker als erwartet schrumpft“, so das „Wall Street Journal“ in einem Artikel, der auf den 20. Januar 2021 datiert ist.

Bereits im vergangenen Jahr erwartete die EU-Kommission eine Zunahme „fauler Kredite“ bei Europas Banken. Ein am 15. Dezember 2020 in Brüssel vorgestelltes Aktionsprogramm sollte helfen, die Risiken besser zu managen und die ausfallgefährdeten Darlehen aus den Bankbilanzen heraus zu bekommen. So sollen Banken Spielräume behalten, Unternehmen und Bürgern weiter Darlehen geben zu können und die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen.

Die Kommission nimmt an, dass in der Krise vielen Unternehmen das Geld für Zins und Tilgung fehlen könnte. Wie stark die Zunahme sein wird und wann dies zu erwarten ist, ist aber nach Angaben von EU-Beamten kaum abzuschätzen. Vor der Corona-Krise sei der Anteil ausfallgefährdeter Darlehen stark zurückgeführt worden von mehr als fünf auf nur noch 2,5 Prozent, sagte Kommissionsvize Valdis Dombrovskis. Es gehe jetzt um Vorsorge. „Diese Strategie dient dazu, uns zu wappnen“, zitiert der „bankenverband“ die zuständige Kommissarin Mairead McGuinness. Nach ihren Worten könnte sich der Anteil fauler Krise bis zum Ende der Corona-Krise verdoppeln.


Mehr zum Thema:  

DWN
Politik
Politik Soziale Pflegeversicherung: Stehen wir kurz vor dem Kollaps?
26.06.2024

Der Pflegeversicherung droht ein Milliardendefizit. Ohne grundlegende Reformen drohe der Kollaps des Systems, warnt Anne-Kathrin Klemm,...

DWN
Technologie
Technologie Battery-Swap Innovation: Wird Nio das Aufladen von E-Autos revolutionieren?
26.06.2024

Das Aufladen von Elektrautos ist lästig und langsam. In China hat sich als Alternative der schnelle vollautomatische Akku-Wechsel...

DWN
Technologie
Technologie ChatGPT-4 trifft bessere Vorhersagen als Finanzanalysten
26.06.2024

Künstliche Intelligenz (KI) ist in den letzten Jahren zu einem zentralen Thema in der Medienlandschaft geworden. Dennoch besteht eine...

DWN
Politik
Politik Mark Rutte wird neuer Nato-Generalsekretär: Große Herausforderungen voraus
26.06.2024

Mark Rutte wurde zum neuen Generalsekretär der Nato ernannt. Er übernimmt im Oktober von Jens Stoltenberg. Vor Rutte liegen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Mittelstand vor Krise: DIHK warnt vor massiven Nachfolgeproblemen
26.06.2024

Laut DIHK-Report droht vielen Mittelstandsunternehmen das Aus wegen fehlender Nachfolger. Bürokratie und hohe Kosten verschärfen das...

DWN
Politik
Politik Bauernpräsident kritisiert Regierung - Proteste drohen
26.06.2024

Bauernverbandspräsident Joachim Rukwied warnt vor weiteren Bauernprotesten gegen die Agrarpolitik der Bundesregierung. Trotz...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Immobilien für Unternehmer: Neues Büro finden – wie geht das? Eine Checkliste!
26.06.2024

Die Firma wächst schneller als erwartet und mit ihr das Personal? Oder die Firmenräumlichkeiten werden nicht mehr benötigt? Je nachdem...

DWN
Technologie
Technologie 5G-Rennen: Westeuropa holt auf – Hürden und Zukunftsprognosen im Fokus
26.06.2024

Nur jeder vierte Mobilfunkvertrag in Westeuropa nutzt bereits 5G – das Rennen um die Spitzenpositionen im globalen Vergleich bleibt...