Politik

AfD verklagt Merkel: Verhinderung der Thüringer Koalition hat ein gerichtliches Nachspiel

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte die Thüringer Koalition aus CDU, FDP und AfD im vergangenen Jahr von Südafrika aus faktisch gestoppt. Dagegen klagt die AfD. Merkels Kanzleramtschef behauptet, dass der "gute Ruf" Deutschlands sonst in Gefahr gewesen wäre - immerhin hätten Le Monde und die New York Times schon berichtet.
21.07.2021 14:41
Aktualisiert: 21.07.2021 14:41
Lesezeit: 2 min
Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat am Mittwoch die Klage der AfD gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verhandelt und zahlreiche kritische Fragen an das Kanzleramt gestellt. Der Zweite Senat prüft, ob Merkel im Februar 2020 ihre parteipolitische Neutralitätspflicht verletzt hat, weil sie die kurzzeitige Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten von Thüringen mit den Stimmen von CDU, AfD und FDP scharf kritisiert hatte. Sie selbst kam am Mittwoch nicht nach Karlsruhe, für sie nahm Kanzleramtschef Helge Braun an der Verhandlung teil. Das Urteil wird frühestens in drei Monaten und damit nach der Bundestagswahl erwartet.

Konkret hatte Merkel am 6. Februar 2020 auf einer Dienstreise in Südafrika zur Thüringen-Wahl gesagt, dass "dieser Vorgang unverzeihlich ist und deshalb das Ergebnis rückgängig gemacht werden muss." Zumindest gelte das für die CDU. Denn es widerspreche dem Grundsatz der CDU, dass mit der AfD Mehrheiten gewonnen werden. Merkel ergänzte: "Es war ein schlechter Tag für die Demokratie."

Der Vertreter der AfD, Anwalt Christian Conrad, nannte das in der mündlichen Verhandlung einen "amtlichen Boykottaufruf". Merkel hätte als Kanzlerin auf einer internationalen Dienstreise überhaupt nichts zu der Wahl in Thüringen sagen dürfen. Conrad bezog sich auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wonach Regierungsmitglieder bei öffentlichen Äußerungen parteipolitisch neutral sein müssen. Die Verfassungsrichter verlangen, dass sich Regierungsmitglieder nicht amtlich, sondern nur als Parteimitglieder über andere Parteien äußern dürfen. Sie müssen jeweils kenntlich machen, in welcher Funktion sie sprechen.

Kanzleramtschef Helge Braun und sein Prozessvertreter Klaus Ferdinand Gärditz stellten die Praktikabilität dieser "feinen Trennung" in Frage. Braun betonte, dass die Thüringer Ministerpräsidentenwahl international Aufsehen erregte. "Le Monde" habe von einem Dammbruch gesprochen, die "New York Times" von einem Tabubruch in der Post-Nazizeit, auch die "Washington Post" nannte die Wahl einen "schwarzen Tag". Die Nachrichten hätten die Kanzlerin im Flugzeug nach Südafrika erreicht. Der internationale Ruf der Bundesrepublik, aber auch die Stabilität der Bundesregierung seien gefährdet gewesen. Merkel habe Stellung nehmen müssen und sich zuallererst als CDU-Politikerin geäußert. Aber auch als Amtsträgerin sei ihre Stellungnahme gerechtfertigt gewesen, eine exakte Trennung zwischen Amt und Partei sei in der Situation nicht möglich gewesen. Als Kanzlerin müsse sie auch mehr Spielraum für öffentliche Äußerungen haben als ein Ressortchef.

Das löste zahlreiche kritische Fragen von Verfassungsrichterinnen und -richtern aus. Peter Müller, früher selbst Ministerpräsident im Saarland, fragte, wieso Merkel nicht in einer Vorbemerkung klarstellte, dass sie als Parteipolitikerin spreche. Außerdem habe sich die damalige CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer in der Sache bereits geäußert gehabt. Schließlich stellte Müller infrage, ob sich Merkel nur an die CDU richtete oder als Kanzlerin die Koalitionsfähigkeit der AfD grundsätzlich verneinte. Richterin Sibylle Kessal-Wulf fragte, warum die Kanzlerin nicht im Nachgang ihrer offiziellen Pressekonferenz in Südafrika ihre Erklärung zur Thüringer Wahl abgeben konnte.

Von Seiten der AfD waren die Co-Chefs Tino Chrupalla und Jörg Meuthen sowie der Bundestagsabgeordnete Stephan Brandner zur Karlsruher Verhandlung gekommen, sie meldeten sich jedoch nicht zu Wort. Zu Beginn hatte der Zweite Senat einen Befangenheitsantrag der AfD gegen den gesamten Senat als "offensichtlich unzulässig" abgewiesen. Die Partei hatte den regelmäßig stattfindenden Besuch des Bundesverfassungsgerichts bei der Bundesregierung Ende Juni als Ablehnungsgrund genannt. Die Richter verwiesen darauf, dass das Bundesverfassungsgericht als Verfassungsorgan auch regelmäßige Kontakte zum Bundespräsidenten und zum Bundestag habe.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Chinas Wirtschaft gerät ins Straucheln
17.09.2025

Chinas Wirtschaft verliert an Schwung: Exporte brechen ein, Investitionen sinken, die Immobilienkrise spitzt sich zu. Droht der...

DWN
Politik
Politik Sprung auf Rekordwert – AfD zieht in YouGov-Umfrage erstmals an der Union vorbei
17.09.2025

Die AfD zieht in der Sonntagsfrage an der Union vorbei – für die SPD geht es minimal aufwärts. Eine Partei, die bislang nicht im...

DWN
Politik
Politik Haushaltsdebatte im Bundestag: Erst Schlagabtausch, dann Bratwürste für den Koalitionsfrieden
17.09.2025

Merz gegen Weidel: Zum zweiten Mal treten die beiden in einer Generaldebatte gegeneinander an. Weidel wirft Merz „Symbolpolitik“ und...

DWN
Politik
Politik Erbschaftssteuer: Erbschaften oft steuerfrei - Ausnahmen sollen abgeschafft werden
17.09.2025

Jedes Jahr werden Milliarden oft steuerfrei vererbt oder verschenkt. Manche halten die Steuereinnahmen dadurch für zu gering. Die Debatte...

DWN
Finanzen
Finanzen Tesla-Aktie gilt als „sinnlos überbewertet“ und erzielt dennoch gigantische Renditen
17.09.2025

Investoren, die die hohe Bewertung ignorierten und die Tesla-Aktie in Erwartung großer Gewinne und künftiger Marktmacht kauften, wurden...

DWN
Politik
Politik IW-Analyse deckt auf: Regierung stopft Haushaltslöcher mit Sondervermögen
17.09.2025

Mit dem Sondervermögen Infrastruktur wollte die schwarz-rote Koalition eigentlich den Investitionsstau im Land auflösen. Doch eine...

DWN
Panorama
Panorama Deutschlandticket: Preis könnte 2026 von einst 9 auf 64 Euro klettern
16.09.2025

Die Finanzierung des Deutschlandtickets sorgt weiterhin für Spannungen zwischen Bund und Ländern. Hinter den Kulissen wird um einen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft „Die Lage ist ernst“ – Maschinenbau fordert Taten von Merz
16.09.2025

Der deutsche Maschinenbau, eine Schlüsselbranche mit rund einer Million Beschäftigten, steckt in einer tiefen Krise: Schwache Konjunktur,...